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Ulm: Mordfall Stiller: Zwei Mal lebenslänglich

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Mordfall Stiller: Zwei Mal lebenslänglich

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    In diesem Auto wurde das Opfer gefunden.
    In diesem Auto wurde das Opfer gefunden.

    Mit gesenktem Kopf und gepressten Lippen nimmt Elmas A. die Strafe entgegen. Im sogenannten Stillermord-Prozess sind die Urteile gefällt worden. Die 31-jährige Türkin und ihr 35-jähriger Ex-Freund sind wegen gemeinschaftlich begangenen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden.

    Atemlose Stille herrschte am Freitag um 11 Uhr im besucherrekordverdächtigen Schwurgerichtssaal, als Richter Gerd Gugenhan das Urteil verkündete. Zuvor waren die Angeklagten in Handschellen in den Saal geführt worden. Murat E. schützte sich vor den laufenden Fernsehkameras mit seinem schwarzen Sakko, das er über den Kopf zog, Elmas verbarg ihr Gesicht hinter ihrem Ordner. Verschärfte Sicherheitsmaßnahmen waren angesagt, die Zuschauer mussten sich vor dem Einlass Leibesvisitationen gefallen lassen.

    Murat E., der 35-jährige Schneider aus Ankara, nahm das Urteil mit ausdruckslosem Gesicht entgegen, als habe er schon damit gerechnet.

    In seiner ausführlichen Urteilsbegründung fügte der Vorsitzende Richter Gerd Gugenhan ein Mosaiksteinchen ans andere, das ein Bild ergibt, dass Murat E. der Mörder des 55-jährigen Straßenbahn- und Busfahrers Gerhard Stiller ist. Nur warum, das konnte bis heute nicht geklärt werden, musste der Richter eingestehen.

    Bis ins Detail schilderte Gugenhan nochmals die zeitliche Abfolge der Tat. Demnach hatte Elmas A. am 12. Juli 2009 um 22.30 Uhr bei ihrem früheren Liebhaber Stiller angerufen und einen Treff in einer Kleingartenkolonie in Söflingen verabredet. Um 22.42 Uhr schaltete der SWU-Angestellte seinen Computer ab und fuhr zum vereinbarten Ort. Um 23.07 Uhr wurde sein Handy im Bereich der Funkzelle Erbach kurz eingeschaltet. Da war der 55-Jährige aber schon tot.

    Kaltblütig hingerichtet, so der Richter: Ein Projektil einer Schweizer Armeewaffe traf Stiller in seinem geparkten Wagen von hinten bereits tödlich in den Kopf. Eine Minute später drang ein zweites Projektil durch den Nacken und blieb im Armaturenbrett seines Wagens stecken. "Das Opfer hatte keine Gegenwehr geleistet, es gab keine Kampfspuren und keine Blickwendung zum Täter nach hinten", sagte der Richter.

    Allein dieses kurze Zeitfenster widerspricht einer der vielen Versionen der Mitangeklagten Elmas A., man habe sich zu einem Schäferstündchen zu dritt getroffen, als Murat E. plötzlich geschossen habe.

    Warum fuhr sie dann nach der Tat noch mit nach Erbach, warum rannte sie nicht weg, fragte sich das Gericht. Mit einem kaltblütigen Mörder setze man ein Verhältnis nicht fort, so als nichts geschehen sei.

    Dass sie gemeinschaftlich, warum auch immer, Stiller umgebracht haben, dafür sprechen nach Auffassung des Gerichts auch die Verhaltensweisen nach der Tat. Überwachte Telefongespräche zwischen den beiden belasten beide schwer. Sie sprechen unter anderem über einen Fernsehbericht, der von den Mordermittlungen handelt. In diesem Zusammenhang beschimpfte Murat den Getöteten als "Hurensohn".

    Nahtlos reiht Gugenhan in seiner Urteilsbegründung die belastenden Indizien auf. Die in der Wohnung gefundene Tatwaffe etwa, die Überwachungskamera an der Erbacher Tankstelle, wo Murat kurz nach der Tat gefilmt wurde, die in seiner Autowerkstatt gefundenen Projektile, die zu der Tatwaffe passen, die geplatzten Alibiversuche, die finsteren Hintermänner der Tat, die es nicht gibt.

    Die Vernebelungsversuche des Angeklagten sind nach Auffassung des Gerichts ebenso gescheitert wie die Bemühungen der Angeklagten Elmas A., ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Warum hatte sie die Gespräche mit Stiller aus der Telefonzelle geführt, obwohl sie ein Handy besaß? Könnte man bei Murat E. noch Eifersucht als naheliegendes Motiv verstehen, so tappt man bei Elmas A. völlig im Dunkeln.

    Hier werden ihre Anwälte nachhaken und Revision beantragen. Auch Murats Verteidiger werden das Gleiche tun, weil das Schwurgericht bei seinem Urteil einen Leitsatz nicht habe gelten lassen: "Im Zweifel für den Angeklagten." Von Michael Peter Bluhm

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