Tausende Rumänen haben am Sonntag stundenlang auf ihre Stimmabgabe zur Europa-Wahl und für ein rumänisches Referendum warten müssen. Vor dem eigens für sie eingerichteten Wahllokal im Ulmer Kepler-Gymnasium bildeten sich lange Schlangen. Zu Auseinandersetzungen kam es nicht, jedoch waren die Menschen aufgebracht.
Um Punkt 21 Uhr schloss das Wahllokal. Da standen noch Hunderte in der Schlange und mussten unverrichteter Dinge wieder abreisen. Zehn Stunden harrten manche aus. Den letzten Wählern assistierte die Polizei beim Ausstieg durch ein Fenster auf der Rückseite des Wahllokale: Denn wütende Rumänen, denen das Kreuzchen verweigert wurde, blockierten die Aus- und Eingänge: „Mafia, Mafia, Mafia.“
Ulm: Hunderte Rumänen rufen: "Mafia, Mafia PSD"
Die Rumänen, die an diesem Sonntag seit Stunden vor dem Wahllokal wartet, sind wütend: Sie wollen nicht nur ihre Stimme fürs EU-Parlament abgeben. Sie wollen auch darüber abstimmen, ob wegen Korruption verurteilte Politiker begnadigt werden dürfen und ob Justizgesetze wie bisher am Parlament vorbei, per Eilverordnung, verändert werden dürfen. Das Referendum ist rechtlich nicht bindend, gilt aber als politisches Barometer für Präsident Klaus Iohannis, der es organisiert hat. Die Masse konnte trennen: Ihre Wut ließen sie nicht an deutschen Polizeibeamten aus.
„Mafia, Pest.“ Damit meinen viele die regierende sozialdemokratische Partei PSD: Sie verhindere in voller Absicht durch mangelhafte Organisation, dass in Deutschland lebende rumänische Staatsbürger von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. Immer wieder skandiert die Menge Sprechchöre, die die PSD kritisieren. Viele Rumänen sind eigens nach Ulm gefahren und fürchten nun, ihre Stimme nicht rechtzeitig abgeben zu können. Autokennzeichen zeigen, dass sie sogar aus Frankfurt am Main und aus dem österreichischen Feldkirch angereist sind. Eine in Pfuhl lebende Rumänin sagt unserer Redaktion, sie sei um 11.30 Uhr zum Kepler-Gymnasium gekommen und habe ihre Stimme um 15.30 Uhr abgegeben.
Rumänische Organisation versagt
Die Vorbereitung und Durchführung der Wahlen lag nach Angaben des Auswärtigen Amts in Berlin ausschließlich auf der rumänischen Seite. Im Vorfeld seien diese Planungen zwischen dem rumänischen Generalkonsulat, der Verwaltung und der Polizei abgestimmt worden: Mit 2500 Wählern hatte man in Ulm gerechnet, mit 3000 Rumänen in Freiburg und Karlsruhe.
Doch nun sind allein in Ulm 3000, vielleicht 4000 Menschen auf den Beinen: „Aber im Wahllokal gibt es genau zwei Tablets, auf denen die rumänischen Kollegen die Wahllisten abgleichen“, sagt Walter Schmid, der Wahlleiter der Stadt Ulm. Im Wahllokal des Konsulats verläuft die Registrierung sehr umständlich. Nach dem Abgleich auf den Tablets muss sich jeder Wähler zusätzlich handschriftlich eintragen. Vier Wahlkabinen stehen zur Verfügung. „Wir haben natürlich die Hilfe unserer Beamten angeboten“, erklärt Schmid, „doch durch die Organisationsstruktur der Rumänen dauert es einfach lange.“
Viel kann der Ulmer Wahlleiter nicht tun: Er habe die Hausmeister des Kepler-Gymnasiums gebeten, die Sanitäranlagen zu öffnen. Das städtische Personal brachte zusätzlich Toilettenpapier – auch für die benachbarte Hem-Tankstelle, die viele Rumänen aufsuchten. Die Wartenden kauften dort und in nahe gelegenen Lokalen Pizza und andere Speisen und Getränke. Die Polizei kontrollierte immer wieder den Bereich um die Schule. In einem anderen Gebäudeflügel des Kepler-Gymnasiums waren die Wahllokale für zwei Wahlbezirke der Stadt Ulm. Ulmer Wahlhelfer gingen immer wieder die lange Schlange ab. Sie wollen vermeiden, dass sich deutsche Wähler falsch anstellen. Die Rumänen hatten am Sonntag bis 21 Uhr Zeit, ihre Stimme abzugeben. (lmö/heo/ mase/heck)