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Ulm: Kritik an Büroturm-Plänen von Schneider Geiwitz: Das steckt dahinter

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Kritik an Büroturm-Plänen von Schneider Geiwitz: Das steckt dahinter

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    Das Ex-Hochschulgebäude der HfK+G in Ulm steht leer, es könnte zum Firmensitz der Neu-Ulmer Großkanzlei SPG werden.
    Das Ex-Hochschulgebäude der HfK+G in Ulm steht leer, es könnte zum Firmensitz der Neu-Ulmer Großkanzlei SPG werden. Foto: Alexander Kaya

    16 Stockwerke und rund 63 Meter misst das Hotel Maritim am Ulmer Donauufer, die Glasfassade prägt das Stadtbild. Knapp zwei Kilometer flussaufwärts könnte ein weiteres hohes Gebäude entstehen. Schmaler und nicht ganz so hoch aufragend - sieben Etagen beziehungsweise rund 30 Meter. Doch die Pläne für das Grundstück nahe der Eisenbahnbrücke sind umstritten. Ein Grund dafür liegt Jahre zurück.

    Die bundesweit bekannte Neu-Ulmer Großkanzlei Schneider Geiwitz und Partner (SGP) will das leer stehende Gebäude der Hochschule für Kommunikation und Gestaltung (HfK+G) zum neuen Firmensitz machen - und daneben einen Büroturm errichten. Arndt Geiwitz, Geschäftsführender Gesellschafter, geht von einer Investition im niedrigen zweistelligen Millionenbereich aus. "Derzeit sind Baukosten eher sehr stark am steigen, sodass wir selbst die Beträge noch nicht genau kennen", teilt er auf Anfrage unserer Redaktion mit. Was SGP für das Grundstück samt bestehendem Hochschulgebäude bezahlt hat, müsse vertraulich bleiben. Das sei so mit dem Verkäufer vereinbart worden. Insgesamt habe man mindestens marktübliche Konditionen akzeptiert.

    So soll der neue Sitz von Schneider Geiwitz & Partner aussehen: Vorne das bestehende Ex-Hochschul-Gebäude, dahinter und leicht rechts das 30 Meter hohe neue Bürohaus samt dem niedrigeren Gebäudeteil.
    So soll der neue Sitz von Schneider Geiwitz & Partner aussehen: Vorne das bestehende Ex-Hochschul-Gebäude, dahinter und leicht rechts das 30 Meter hohe neue Bürohaus samt dem niedrigeren Gebäudeteil. Foto: Nething Generalplaner (Grafik)

    Für Ulms Baubürgermeister Tim von Winning ist die Sache klar: Ein Grundstück in bester Lage ist seit Jahren weitgehend ungenutzt, das an sich sehenswerte Hochschulgebäude ist eingezäunt und verkommt äußerlich allmählich. Von dieser Situation habe niemand etwas. SGP brauche mehr Platz als es am bisherigen Stammsitz in der Neu-Ulmer Bahnhofstraße hat und habe deshalb das Donau-Grundstück erworben. Eine andere Nutzung als eine gewerbliche sei an der Stelle unrealistisch. Wenn die Stadt nicht wolle, dass der als "Filetgrundstück" bezeichnete Abschnitt weiter verkomme, sei das SGP-Projekt eine gute Lösung. Zumal die Investoren im Gestaltungsbeirat auf Ulmer Wünsche eingegangen seien - und ihren geplanten neuen Firmensitz zumindest teilweise für die Öffentlichkeit öffnen wollen: Das Mitarbeiterrestaurant soll abends und am Wochenende allen zur Verfügung stehen. Arndt Geiwitz betont zudem, dass SGP eine parkähnliche Gestaltung des Geländes anstrebe. Wer an der Donau spazieren geht, soll den Außenbereich des Bürokomplexes nutzen und beispielsweise auf der bestehenden breiten Treppe sitzen können.

    Für den SGP-Neubau an der Donau müssten Bäume gefällt werden

    Kritik am Vorhaben gibt es einerseits wegen alter Bäume, die gefällt werden müssten - teils wegen oberirdischer Parkplätze. Kritik gibt es aber auch wegen der Vorgeschichte des Grundstücks. Die Handwerkskammer Ulm hatte die Stadt darauf aufmerksam gemacht, dass dort ursprünglich nur Gebäude vorgesehen waren, die der Allgemeinheit dienen. Diesen Punkt griffen die Grünen im Bauausschuss auf - angesichts der Vorgeschichte solle dort kein gewerblicher Büroturm gebaut werden. Doch war diese Vorgabe bei der HfK+G erfüllt? Das ist zumindest umstritten. Denn die Hochschule ist zwar eine Bildungsstätte, aber keine öffentliche Einrichtung - sondern privat betrieben und auf Gewinn ausgerichtet. Wer heute am Campus Stuttgart der HfK+G studiert, muss dafür monatlich 500 Euro bezahlen.

    So sah das HfK-Grundstück am Ulmer Donauufer nahe der Eisenbahnbrücke einst aus.
    So sah das HfK-Grundstück am Ulmer Donauufer nahe der Eisenbahnbrücke einst aus. Foto: Sebastian Mayr (Repro)

    Ex-Hochschulgebäude der HfK+G in Ulm soll neu genutzt werden

    Im Bebauungsplan, der 2010 projektbezogen für den Hochschulneubau beschlossen wurde, heißt es: "Zulässig sind bauliche Anlagen der Hochschule für Kommunikation und ergänzende Anlagen, die mit der Bildungseinrichtung verbunden sind." Die Stadt hatte das Grundstück zuvor an einen privaten Käufer veräußert. Allerdings war das Grundstück keineswegs immer in öffentlicher Hand. 1989 ist es einer Eigentümergemeinschaft abgekauft worden: knapp 3800 Quadratmeter für rund 225.000 Mark. Die Familie, die das Land an die Stadt abgab, fühlt sich noch heute über den Tisch gezogen.

    Das Grundstück gehörte der Ulmer Kaufmannsfamilie Laumayer, es wurde als Garten genutzt. Aus alten Briefen geht hervor, dass einige Bäume von der Stadt als unbedingt schützenswert markiert waren. Auf dem Grundstück befanden sich auch Obstbäume, eine Grotte und eine alte, wohl denkmalgeschützte Gartenhütte. Sie ist auch auf einem historischen Bild zu sehen und wurde Aufzeichnungen zufolge Goethes Gartenhaus in Weimar nachempfunden. Heute ist von alledem nichts mehr zu sehen.

    Ulmer Familie fühlt sich von der Stadt über den Tisch gezogen

    Das Grundstück sei als "Grasland" und deshalb billig an die Stadt verkauft worden, erinnert sich Susanne von Süßkind-Schwendi, geborene Laumayer. Sie sei schon damals skeptisch gewesen. "Wenn sie den Garten haben, ist es Bauland. Wenn wir ihn haben, ist es Grasland", habe sie dem Verantwortlichen bei der Stadt gesagt. Die Familie habe das Grundstück nicht verkaufen wollen. Aber die Stadt behauptete in einem Schreiben, das unsere Redaktion einsehen konnte, dass unter anderem die Bahn einen Teil des Grundstücks benötige - wollten die Laumayers nicht verkaufen, werde man sie enteignen.

    Aus einer Gesprächsnotiz aus der damaligen Zeit geht allerdings hervor, dass die Bahn keine solchen Wünsche hatte. Doch allein die Perspektive, enteignet werden zu können, habe ihren Vater stark unter Druck gesetzt, erinnert sich Susanne von Süßkind-Schwendi. Eines handelte die Familie noch aus: Im notariell beurkundeten Kaufvertrag, der unserer Redaktion ebenfalls vorlag, ist eine Nachzahlung vereinbart worden - für den Fall, dass das Grundstück innerhalb der nächsten 25 Jahre zu Bauland wird.

    Dass das geschah, habe sie nur zufällig mitbekommen, berichtet Susanne von Süßkind-Schwendi: "Eines Tages sind wir da vorbeigekommen und haben gesehen: Da wird ja gebaut!" Die Familie erstritt sich eine Nachzahlung von rund 180.000 Euro, durch einen Vergleich in einem Gerichtsverfahren kam eine niedrige fünfstellige Summe dazu. Geld gab es aber nicht für jeden Quadratmeter, sondern bloß für jene, die bebaut wurden. Susanne von Süßkind-Schwendi findet das noch immer absurd. Wenn man als Privatperson ein Baugrundstück erwerbe, müsse man ja auch alles bezahlen - und nicht nur den Teil, auf den man sein Haus errichte. Prozessiert habe sie vor allem, weil sich die Familie ungerecht behandelt gefühlt hatte. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Überall werde die Stadt für ihre Bodenpolitik gelobt: Ulm erwirbt in großem Stil Grundstücke im Stadtgebiet, um mehr Einfluss auf die Stadtentwicklung zu haben. Aber es müsse auch bekannt werden, wie die Stadt sich - zumindest in diesem Fall - für wenig Geld ein Filetgrundstück erschlichen habe.

    Zieht Schneider Geiwitz & Partner von Neu-Ulm nach Ulm?

    Gegen die Pläne von SGP habe die Familie nichts, sagt Susanne von Süsskind-Schwendi. Auch wenn sie der Meinung ist, dass die Stadt den früheren Garten ebenso gut zur einer Parkanlage hätte machen können. Statt dessen sei das Grundstück jahrelang brach gelegen und verkommen - bis das Hochschulgebäude errichtet wurde, das zuletzt seinerzeit zu verkommen drohte.

    SGP-Chef Arndt Geiwitz betont: Dem Unternehmen sei von Anfang an bewusst gewesen, dass es sich dort nur in enger Abstimmung mit der Stadt ansiedeln könne. SGP, verspricht er, wolle die "benutzerunfreundliche" Situation beseitigen. Formell ist das Projekt trotz der Widerstände auf dem Weg. Mit einer knappen Mehrheit von sieben zu fünf Stimmen hat sich der Bauausschuss Mitte Juli für den Auslegungsbeschluss ausgesprochen. Nächster Schritt ist der Satzungsbeschluss des vorhabenbezogenen Bebauungsplans. Wenn das geschehen ist, sind die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt.

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