Als Autokinos groß in Mode waren, hießen die Götter der Leinwand noch Liz Taylor, Clint Eastwood oder Romy Schneider. Es waren die 60er-Jahre und in Deutschland zeigten rund 40 Kinos Filme unter freiem Himmel – vor Autoschlangen, die sich um eine große, flimmernde Leinwand reihten. Sechzig Jahre später existieren noch 20 Kinos dieser Art im ganzen Land. So war die Lage zumindest. Bis das Coronavirus alles änderte. Der Kinobesuch hinterm Lenker liegt wieder voll im Trend: In Ulm starten gleich zwei Autokinos, auf dem Dach des Blautalcenters und am Volksfestplatz. Unsere Redaktion hat mit den Inhabern der Kinos gesprochen.
Das Dietrich-Kino eröffnet ein Autokino am Ulmer Volksfestplatz
Dem Kino-Chef Sebastian Schmid kam die große Idee, als gar nichts mehr ging. Das Virus hatte Neu-Ulm im Februar erreicht und dabei zielgenau sein Dietrich-Theater getroffen. Ein junger Mann, der Schmids Kino besucht hatte, entpuppte sich bald als Corona-Fall. Das Geschäft des Filmtheaters brach im Wirbel um die Virussorgen zusammen. Doch während die Fallzahlen schnell stiegen und stiegen und das geschlossene Dietrich längst keinen Diskussionsstoff mehr bot, waren die letzten noch geöffneten Filmtheater in Deutschland – Autokinos. Denn ein Sicherheitsabstand lässt sich mit diesem Konzept gut einhalten. „Und so haben wir uns auf die Suche nach geeigneten Plätzen gemacht“, sagt Schmid. Am Ulmer Volksfestplatz wurde er fündig. Dort beginnen ab 30. April die ersten Vorstellungen. Der Platz bietet eine Fläche für 350 Autos, jeden Tag will das Dietrich dort zwei Filme zeigen. Zum Auftakt baut das Kino auf Kassenschlager, „Das perfekte Geheimnis“, „Die Eiskönigin 2“, „Parasite“. Der einzige Haken: Nur Filmfreunde aus Baden-Württemberg kommen in den Genuss. Ein Ausflug über die Landesgrenze ist nicht erlaubt: „Das wäre derzeit noch ein Verstoß gegen die Ausgangsbeschränkung.“
Einen sechsstelligen Betrag habe sein Kino in das Projekt Autokino investiert, sagt Schmid. Der spektakulärste Kostenpunkt: Eine LED-Leinwand, sieben mal 17 Meter, damit Filme schon vor der Dämmerung gut sichtbar laufen können. Das Dietrich will auch ein Nachmittagsprogramm für Familien bieten – als Ablenkung vom Virusfrust. Drei Monate lang soll das Kino geöffnet sein.
Die Kinobranche leidet unter dem Coronavirus
„Leider gehören wir zu den Branchen, die von der kompletten Sperrung des Kulturlebens betroffen sind. Daran ändern auch die ersten Lockerungen nichts“, sagt Schmid. Schlimmer noch als der Stillstand sei die Ratlosigkeit: Eine Öffnung der Kinosäle in Bayern scheint für ihn nicht in Sicht. Ein Autokino eröffnen? Auch das sei nur in Baden-Württemberg möglich. Schmid hat aber in den vergangenen Wochen, ein Sicherheitskonzept für Filmtheater mitentwickelt. „Wir wollen nichts von der Politik fordern, wir wollen aber realistisch bewertet werden.“ Die Sicherheit bei einem Kinobesuch hält er für „maximal planbar“ – mit Online-Ticketverkauf, Reihensperrungen, Abstandsregeln. „Das würde sogar einfacher funktionieren als zum Beispiel in Kirchen.“ Jetzt will er die Entscheidungsträger vom Konzept überzeugen.
Aber vorerst bleibt nur eine Option, das Autokino. „Es geht darum, überhaupt so einen Filmgenuss zu ermöglichen. Und damit ist das Erlebnis natürlich etwas Besonderes“, sagt Schmid. Der Kinobesuch auf Rädern soll berührungslos verlaufen: Tickets sind nur im Internet erhältlich, vor Ort werden sie durch die Autoscheibe gescannt. Im Angebot ist ein Paket samt Popcorn, Süßigkeiten, Getränken – aber im Gegensatz zum Kinosaalbesuch sind mitgebrachte Snacks natürlich erlaubt.
Ein Autokino startet auf dem Dach des Blautal-Centers
Die Stimmung scheint trüb bis durchwachsen: Der „Hauptverband Deutscher Filmverleiher“ rechnet für die Kinobranche mit einem Ertragsverlust von 17 Millionen Euro pro Woche. Was der Szene Hoffnung machen könnte, sind die Zahlen der Bundesnetzagentur. Sie vergibt die nötigen Rundfunkfrequenzen für Autokinos, der Filmsound wird hier nämlich durchs Radio übertragen – und diese Wellenlängen sind plötzlich begehrt. Seit März hat die Agentur etwa 45 neue Frequenzen für Autokinos zugeteilt, rund 80 Anträge werden im Moment bearbeitet.
Einer, dessen Antrag bewilligt wurde, ist der Ulmer Gastronom Michael Freudenberg. Der Chef des „Wilden Mann“ hat gemeinsam mit seinem Kollegen Oliver Loser, mit dem Ulmer Xinedome und mit Guido Reuter, Manager des Blautal-Centers, ein Autokino auf dem Parkdeck des großen Einkaufszentrums organisiert. Die Statik der Fläche wurden laut Freudenberg überprüft und die Frequenz getestet. Alles sei bereit für den letzten Check. „Am Donnerstag gibt es einen Testlauf, am Freitag starten wir“, sagt der Gastronom. „Es gibt kaum etwas Schöneres als Kino. Es ist ein Angebot an alle, die sich denken: Mir reicht’s jetzt, ich möchte ein Erlebnis.“ Das Autokino auf dem Dach des Blautal-Centers hofft nun auf grünes Licht, dass auch Besucher aus Bayern anreisen dürfen. Platz bietet es für 190 Autos mit 380 Zuschauern.
Alle Infos unter www.facebook.com/DietrichTheaterNeuUlm, beziehungsweise blautal-center.de.
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