Startseite
Icon Pfeil nach unten
Neu-Ulm
Icon Pfeil nach unten

Ulm: In einer Ulmer Kita arbeiten fünf männliche Erzieher

Ulm

In einer Ulmer Kita arbeiten fünf männliche Erzieher

    • |
    Erzieher Eddy Jäkel im Kreativraum der Ulmer Kita Wielandstraße 74. Der 37-Jährige hat wie viele seiner männlichen Kollegen zuerst einen anderen Beruf gelernt.
    Erzieher Eddy Jäkel im Kreativraum der Ulmer Kita Wielandstraße 74. Der 37-Jährige hat wie viele seiner männlichen Kollegen zuerst einen anderen Beruf gelernt. Foto: Alexander Kaya

    Thomas Kast war mal IT-Systeminformatiker, dann wurde er zum Exoten. Als er an der Joseph-Bernhart-Fachakademie in Krumbach seine Ausbildung zum Erzieher begann, waren unter den 70 Schülern seines Jahrgangs nur drei Männer. Heute arbeitet der 34-Jährige in der städtischen Kita in der Wielandstraße 74 in Ulm. Fünf der 16 pädagogischen Fachkräfte sind Männer – in reinen Arbeitsstunden gerechnet machen die männlichen Erzieher sogar etwa ein Drittel aus. Denn viele der Frauen arbeiten in Teilzeit.

    Es ist eine außergewöhnliche Quote – auch wenn Männer in Krippen und Kindertagesstätten nicht mehr ganz so selten sind wie früher. Die Stadt Ulm beschäftigt 26, darunter fünf Auszubildende. Das sind knapp sechs Prozent der 470 pädagogischen Fachkräfte. Vor sieben Jahren, als Thomas Kast als Erzieher in der Kita anfing, waren es zwölf Männer – unter ihnen ein Azubi.

    Erzieher in Ulm: 26 von 470 pädagogischen Fachkräfte sind Männer

    Die Einrichtung in der Wielandstraße ist für Männer besonders attraktiv, glaubt Kast: Wer dort als Erzieher arbeitet, ist nicht allein unter Frauen. Die Mischung sei gut. „Das könnte jede Kita gebrauchen“, sagt er. Als Kast anfing, arbeitete dort außer ihm ein Mann. Seitdem ist nicht nur die Zahl der männlichen Erzieher gestiegen. 62 Kinder, fast doppelt so viele wie 2013, bleiben heute von morgens bis spätnachmittags. Für die Pädagogen bedeutet nicht nur diese Zahl viel Arbeit. „Montags und nach den Ferien geht es drunter und drüber“, berichtet Thomas Kast. Denn viele Kinder bekämen zu Hause nicht genügend Bewegung. Und dann ist da noch etwas: „Eltern verwechseln oft eine gewaltfreie Erziehung mit Laisser-faire“, sagt der Erzieher. Die Kita sei da gefordert.

    Thomas Kast ist glücklich in seinem Beruf. Dass die alte Stelle als IT-Systeminformatiker nicht das Richtige war, merkte er schnell. Eine Freundin, die Erzieherin war, riet ihm zur Arbeit mit Kindern: „Probier es doch mal aus.“ Kast tat das, zunächst bei der Ulmer Kulturwerkstatt Kontiki. Ein Sponsor ermöglichte ihm ein Gehalt von 150 Euro im Monat. Anschließend, im Herbst 2008, nahm Kast seine Ausbildung in Krumbach auf und ging dann zur Stadt, wo er bis zu seinem Wechsel in die Wielandstraße 74 ein Jahr lang in der offenen Kinder- und Jugendarbeit im Charivari tätig war.

    Fünf männliche Erzieher arbeiten in der Ulmer Kita in der Wielandstraße 74

    Sein Weg ist nicht außergewöhnlich. „Alle Männer hier haben andere Erstberufe“, sagt Eddy Jäkel. Der 37-Jährige ist wie Thomas Kast Erzieher in der Wielandstraße 74 – und gelernter Biologe. Ein anderer Kollege hat eine Ausbildung zum Raumausstatter absolviert. Der Erzieherberuf, glaubt Jäkel, ist für Männer attraktiver geworden: Die Ausbildung muss nicht mehr bezahlt werden, stattdessen wird sie entlohnt. Das Gehalt ist höher, das Ansehen gestiegen. Und gerade bei der Stadt Ulm gebe es Entwicklungsmöglichkeiten: zur Sprachfachkraft, zum Ausbilder oder in Leitungsstellen. Trotzdem, sagt Jäkel, brauche ein Mann Selbstbewusstsein, um diesen Schritt zu gehen. Denn gerade unter Jugendlichen gelte der Beruf bei vielen als Frauensache. „Ich glaub, in meiner Clique hätte ich mich das mit 18 nicht getraut“, blickt der 37-Jährige zurück. Heute bekommt er viel Zuspruch – von Freunden und von Eltern, deren Kinder in der Wielandstraße 74 betreut werden.

    Die Erzieher dort setzen auf das pädagogische Konzept Infans: Sie beobachten, welche Interessen die Kinder haben und lassen das in sogenannte Portfolios einfließen. Aus den Beobachtungen leiten sie ab, wie die Kleinen am besten gefördert werden können. Thomas Kast gibt ein Beispiel: „Ein Kind interessiert sich für Autos, kann aber nicht gut teilen.“ Ein passendes Projekt könne dann ein Spiel in einer Kleingruppe mit Autos sein. Der 34-Jährige und seine Kollegen haben zudem immer Kameras dabei. Sie fotografieren die Kinder, für das Portfolio und vor allem für die Eltern, die auf diese Weise viel über die Entwicklung ihres Nachwuchses erfahren. „In einem Bild stecken so viele Informationen“, sagt Kast.

    Die Kinder entscheiden selbst, in welchem der offenen Räume sie spielen wollen; überall betreut ein Erwachsener die Kleinen, die weitgehend frei spielen. Turnen, Werken, Basteln, Theater sind Beispiele für die themenbezogenen Zimmer. Auch hier machen sich unterschiedliche Interessen und Fähigkeiten bezahlt. „Jeder kann sich seine Nische suchen“, sagt Eddy Jäkel. Das zeigt sich auch bei Projekten: Anfang des Jahres organisierten die Erzieher in der Kita ein kleines Ritterturnier. Das sei vor allem bei den Buben sehr gut angekommen, berichtet Thomas Kast. Die Rolle der Männer in der Kita sei wichtig – weil die oft anders reagierten als Frauen. Der Erzieher gibt ein Beispiel: „Ein Mann lässt es eher laufen, wenn Kinder rangeln.“ Was den Männern im Beruf zusätzliche Bedeutung gibt: „Gerade in Zeiten, wo mehr Ein-Elternteil-Familien existieren, ist es wichtig, beide Seiten zu haben.“

    Lesen Sie auch:

    Der Berblingerturm: Ein wankendes Wahrzeichen

    Giftattacke auf Babys: Fehler bei Morphin-Analyse brachte Frau in Haft

    So kommen die Schlafkapseln bei Obdachlosen und Anwohnern an

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden