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Ulm: Hinter dunklen Spiegeln

Ulm

Hinter dunklen Spiegeln

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    In einem Gefängnis aus Spiegeln: Edith Lorans als Lisa in der Ulmer Inszenierung von Tschaikowskis Oper „Pique Dame“. Links im Spiegel: Hans-Günther Dotzauer als Hermann.
    In einem Gefängnis aus Spiegeln: Edith Lorans als Lisa in der Ulmer Inszenierung von Tschaikowskis Oper „Pique Dame“. Links im Spiegel: Hans-Günther Dotzauer als Hermann. Foto: Ilja Mess

    Der Komponist war von „Pique Dame“ tief bewegt. Gar zum Weinen habe ihn das Schicksal seines Helden Hermann gebracht, schrieb Peter Tschaikowski (1840-1893) an seinen jüngeren Bruder Modest. Um Liebe und Tod geht es in der 1890 uraufgeführten Oper des russischen Romantikers, der heute eher für seine Ballettmusiken und seine sinfonischen Werke bekannt ist. Nun hatte „Pique Dame“ in einer Inszenierung von Igor Folwill im Großen Haus Premiere – doch die Rührung, die einst Tschaikowski beim Komponieren ergriff, stellte sich beim Zuschauen nicht ein.

    Das ist zunächst nicht unbedingt die Schuld von Regie und Ensemble. Die Oper „Pique Dame“, beruhend auf einer Erzählung des russischen Nationaldichters Alexander Puschkin, hat eine Handlung, die dem Zuschauer von heute kaum nahegeht: Der mittellose Offizier Hermann verliebt sich in die höhergestellte Lisa, doch die ist die Verlobte von Fürst Jeletzki. Doch schafft es Hermann, das Herz der Schönen zu erobern – sein eigenes gehört jedoch nicht nur ihr, sondern auch dem Spiel. So ist er fasziniert von Lisas Großmutter, der „Pique Dame“ genannten, dämonisch wirkenden Gräfin, die das düstere Geheimnis der drei Karten hütet, das Reichtum und Glück verheißen soll. Man ahnt es: Die Sache geht nicht gut aus. Dazu kommt, dass „Pique Dame“ keine klassische romantische Oper ist, sondern neben den verheißungsvoll-dunklen Tönen, für die Tschaikowski heute gemeinhin geschätzt wird, sondern vor allem bei einigen eingeschobenen Liedern stilistisch auf das 18. Jahrhundert, besonders auf Mozart, verweist. Was auch der Handlung geschuldet ist: „Pique Dame“ spielt zu dieser Zeit, selbst Katharina die Große kommt vor.

    Regisseur Igor Folwill und sein Ausstattungsteam – Britta Lammers (Bühne) und Angela C. Schuett (Kostüme) – führen diese Mixtur aus barockem Prunk und schwarzer Romantik à la E.T.A. Hoffmann fort. Drei große dunkle Spiegelschränke – die gleichzeitig aus Versailles und „Alice im Wunderland“ zu kommen scheinen – bilden das wichtigste Mobiliar, dazu ein paar Standuhren, die wohl an das Verrinnen der Zeit gemahnen sollen. Ästhetisch ansprechend, aber nicht besonders originell, wie die gesamte Inszenierung, die zwischen „Liebe oder Tod“-Pathos, Lust am Prunk und Hokuspokus gefangen bleibt.

    Besser als die doch recht konventionelle Lesart des Regieteams gefällt die Musik: Kapellmeister Joongbae Jee und das Philharmonische interpretieren Tschaikowskis Komposition mit dunklem Glühen und bisweilen feierlichem Akzent. Chor und Extrachor liefern dazu eine starke, die Solisten eine ordentliche Leistung, auch wenn die Gefühls- und Klangchemie zwischen dem Hans-Günther Dotzauer (Hermann), der wegen eines Fahrradunfalls zu Beginn der Schlussproben mit einem Gipsarm spielte, und Edith Lorans (Lisa) nicht unbedingt explosiv ist. In den Nebenrollen hinterlassen vor allem der sensible und doch kraftvolle Kwang-Keun Lee (Fürst) und die dämonische I Chiao Shih (Gräfin) Eindruck. Bei letzterer hat die Maske ganze Arbeit geleistet und eine angsteinflößende Halb-Mumie aus der Mezzosopranistin gemacht: Bei ihren leider raren Auftritten erschauert das Publikum tatsächlich.

    Zum Ende hin steigert die Ulmer „Pique Dame“ die Intensität und macht so einige Längen vor allem in der ersten Hälfte wett. Das Publikum zeigte sich freundlich – und spendete ordentlichen bis guten Applaus für das gesamte Ensemble und extra Helden-Beifall für den tapferen Gipsträger Hans-Günther Dotzauer.

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