15 Rückmeldungen hat die Stadt Ulm bekommen, fast alle enthalten Beschwerden: Dass die Heilmeyersteige einen neuen Namen bekommt, finden Anwohner der Straße am Eselsberg lästig und falsch. Sie verweisen auf den Aufwand und die Kosten für Stadt und Bürger: Neue Ausweise, neue Straßenschilder, neue Visitenkarten und vieles mehr. Und sie kritisieren: Jahrzehntelang habe es doch keinen gestört, dass die Heilmeyersteige nach einem Mann benannt ist, der sich als Gründungsrektor der Universität Ulm um die Stadt verdient gemacht hat – der aber auch dem Nazi-Regime nahestand.
Auch unter den Stadträten, die schon im vergangenen Sommer entschieden haben, dass die Straße umbenannt werden soll, gibt es Kritiker. Für FDP-Mann Erik Wischmann ist der Schritt unverhältnismäßig, nicht wichtig genug und auch überhaupt nicht notwendig. Ein neues Schild sei nicht der richtige Weg, um sich mit der NS-Vergangenheit auseinanderzusetzen, kritisierte er in der Gemeinderatssitzung am Mittwochabend. Und dann seien da noch die praktischen Probleme: Die neu benannte Straße werde erst einmal in keiner digitalen Datenbank zu finden sein. Das werde etwa bei Lieferungen durch Paketdienste zu Problemen führen, prognostizierte Wischmann. Er stimmte gegen eine Umbenennung – genauso wie sein Fraktionskollege Ralf Milde, wie Helga Malischewski, Karl Faßnacht (beide FWG), Barbara Münch, Karin Graf (beide CDU) und Markus Mössle (AfD). CDU-Fraktionschef Thomas Kienle stimmte zwar für die Umbenennung, fand aber den neuen Namen zu wenig kreativ: Aus der Heilmeyersteige wird die Eselsbergsteige.
Gemeinderat beschließt: Heilmeyersteige wird zur Eselsbergsteige
Am Ende waren einige Räte gegen die Umbenennung und den neuen Namen, andere gegen die Umbenennung und für den neuen Namen – und Kienle für die Umbenennung, aber gegen den neuen Namen. Die große Mehrheit sprach sich sowohl für die Umbenennung, als auch für den neuen Namen aus. Der bisherige Pate, Uni-Gründungsrektor Ludwig Heilmeyer, kann nicht als Vorbild gelten – zu diesem Schluss ist eine Arbeitsgruppe aus Stadträten gekommen. Historiker wie der Ulmer Professor Florian Steger werfen ihm seine unkritische Haltung zum Nationalsozialismus und sein Verhalten in der Nachkriegszeit vor. Der Mediziner hat unter anderem viermal erfolglos beantragt, in die NSDAP aufgenommen zu werden, und nach dem Zweiten Weltkrieg unter seinem eigenen Namen ein Lehrbuch neu herausgebracht, dessen ursprünglicher Autor als Jude von den Nazis ermordet worden war. 1978 ehrte die Stadt den neun Jahre davor verstorbenen Professor mit der Patenschaft für die Heilmeyersteige. Im vergangenen Juli entschieden die Stadträte nach langen und teils hitzigen Diskussionen, dass die Straße einen anderen Namen bekommen soll.
Aber wie? Eine Zuschrift brachte Friedrich Heinrich Varnholt als neuen Paten ins Gespräch, der für die liberalen Parteien FVP und DDP im baden-württembergischen Landtag saß und lang im Ulmer Gemeinderat aktiv war. Andere Vorschläge: Weststeige, Kreissteige, Ringsteige, Lange Steige. Doch nur eine Anregung berücksichtigte die Stadtverwaltung: Der neue Straßenname solle kurz oder abkürzbar sein und nicht mehr als 15 Zeichen haben, heißt es in einem Schreiben. Sonst könne es Probleme mit Formularvordrucken geben.
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Der neue Name, Eselsbergsteige, hat genau 15 Zeichen. Der Vorschlag sei schon etwas pragmatisch, räumte Kulturbürgermeisterin Iris Mann. Aber man habe keinen neuen menschlichen Paten auswählen wollen, und alte Flurnamen hätten in Ulm gute Tradition.
Die Beschwerden der Anwohner weist die Stadtverwaltung zurück: Aufwand und Kosten für Privatleute seien vernachlässigbar, weil die Stadt fast alle Gebühren erlasse, die durch die Umbenennung anfallen würden. Wie die Kosten aber ausfallen werden, hat die Stadt aber nicht angegeben – was Erik Wischmann kritisierte.
Auch ein anderer Gegner der Umbenennung meldete sich in der Sitzung zu Wort: Markus Mössle griff die Entscheidung mit Häme an. Der AfD-Stadtrat schlug vor, die Straße solle Eselei-Steige oder Windfahnensteige heiße. Dabei spielte er auf einen Ausspruch an, der Albert Einstein zugeschrieben wird. Dieser soll den Namen spöttisch für jene Straße vorgeschlagen haben, die erst nach ihm, in der NS-Zeit nach Adolf Hitler und anschließend wieder nach ihm benannt worden war. Die Umbenennung der Eselsbergsteige, sagte Mössle, stelle eine „fragwürdige Methode der Geschichtsbereinigung“ dar. Heilmeyer habe die Würdigung verdient, so der Stadtrat.
Es gehe nicht vordergründig um Heilmeyers Nähe zum NS-Regime
Michael Joukov-Schwelling (Grüne) hielt dem entgegen, dass es nicht vordergründig um Heilmeyers Nähe zum NS-Regime gehe. Sondern um die Frage, ob der Mann nach heutigen Maßstäben als Vorbild dienen könne. Das könne er nicht – trotz seiner Verdienste um die Stadt. Und deswegen müsse die Heilmeyersteige einen neuen Namen bekommen. Den soll sie nach der Entscheidung vom Mittwoch ab dem Dezember tragen, wenn auch der Fahrplan von Bus und Straßenbahn umgestellt wird.
Die Debatte und der Weg zur Entscheidung sollen in einer Ausstellung beleuchtet werden, die im Bürgerzentrum Eselsberg in der Virchowstraße zu sehen sein wird.
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