Viele Fälle von Missbrauch, Gewalt und Vernachlässigung haben das Thema Kinderschutz in den vergangenen Jahren stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Häufig werden erste Anzeichen von Misshandlungen beim Arzt oder im Krankenhaus entdeckt. Was aber können und sollen die Mediziner tun, die ja im Spannungsfeld stehen zwischen ärztlicher Schweigepflicht und der Verantwortung, den Kindern zu helfen? Das neu gegründete Kompetenzzentrum
Das Bundeskinderschutzgesetz von 2012 bietet Ärzten bessere Möglichkeiten, misshandelten oder vernachlässigten Kindern zu helfen, ohne ihre Schweigepflicht zu verletzen. Allerdings wissen das viele Mediziner gar nicht. „Durch die Arbeit des Kompetenzzentrums können wir nun auch dafür sorgen, dass die Ärzte und Mitarbeiter medizinischer Einrichtungen ihre Möglichkeiten und Aufgaben im Kinderschutz besser kennen und umsetzen“, sagt Professor Jörg M. Fegert, Sprecher des Kompetenzzentrums und Ärztlicher Direktor der Ulmer Universitätsklinik für Kinder und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie. „Wir wollen das Thema Kinderschutz fest in der Aus-, Fort- und Weiterbildung im gesamten medizinischen Bereich verankern.“
Fester Standort könnte später folgen
Auch eine stärkere Vernetzung zwischen Rechtswissenschaften und Medizin ist geplant. Zusammen mit Ulm sind die Universitätskliniken Heidelberg und Freiburg im Boot. Hinzu kommen weitere Kooperationspartner aus den Bereichen Kinderschutz und Jugendhilfe im Land. Das fächerübergreifende und überregionale Kompetenzentrum ist das erste dieser Art in Deutschland. Bisher ist es eine Art virtuelles Netzwerk verschiedener Einrichtungen, doch wenn es nach Professor Fegert geht, könnte später auch einen festen Standort mit einem eigenen Gebäude bekommen.
„Misshandlungen von Kindern finden überall statt, in Familien, Heimen oder Vereinen“, sagte die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) bei der Eröffnungsveranstaltung mit zahlreichen Wissenschaftlern und Ärzten in Ulm. „Es gibt keinen per se sicheren Ort.“ Gerade deshalb komme es darauf an, genauer hinzuschauen, präventive Strukturen aufzubauen und einen intensiven Austausch zu ermöglichen. „Es gibt einen großen Forschungs- und Weiterbildungsbedarf“, so Bauer. „Unterschiedliche Hilfssysteme müssen ineinandergreifen. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit muss verbessert werden.“
„Die Gesellschaft nimmt heute das Thema ernster als noch vor dreieinhalb Jahren“, sagte Johannes-Wilhelm Rörig, der unabhängige Beauftragte der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs. Damals hatte die