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Ulm: Existenzangst bei Kaufhof in Ulm

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Existenzangst bei Kaufhof in Ulm

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    Das größte Geschäft weit und breit: Auf 15000 Quadratmeter betreibt Kaufhof Galeria in Ulm ein Warenhaus. Verdi fordert für die Beschäftigten in Ulm primär die Rückkehr zum Tarifvertrag.
    Das größte Geschäft weit und breit: Auf 15000 Quadratmeter betreibt Kaufhof Galeria in Ulm ein Warenhaus. Verdi fordert für die Beschäftigten in Ulm primär die Rückkehr zum Tarifvertrag. Foto: Oliver Helmstädter

    Galeria Kaufhof in der Ulmer Hirschstraße am Freitagmorgen: Gähnende Leere. Aber die wenigen Kunden übertreffen zahlenmäßig die Mitarbeiter. Und Filialleiter Kevin Manski kassiert persönlich an der Hauptkasse. Das Gros der insgesamt 148 Beschäftigten ist im Streik. Die Betriebsratsvorsitzende Claudia Bender schätzt, dass 75 Prozent der Belegschaft die Arbeit niedergelegt hat – aus Protest gegen einen Sparkurs, der nach Überzeugung von Bender existenzgefährdend ist. Sowohl für die Mitarbeiter als auch den Standort an sich. „Wir sind alle wütend und frustriert“, sagt sie. Im Zuge eines „Restrukturierungsprogramms“ der Eigentümer sei jüngst auf einer Mitarbeiterversammlung verkündet worden, dass 24 der 148 Beschäftigten ihre Stelle verlieren werden. Bis Ende des Monats könnten sich noch Freiwillige melden, denen das Aus noch mit einer Abfindung versüßt werde. Ab 15. Juli sollen dann die betriebsbedingten Kündigungen verschickt werden. Hinzukomme eine Spaltung der verbleibenden Belegschaft.

    Mit weniger Mitarbeitern werde der Service bei Kaufhof schlechter

    In jenem Restrukturierungsprogramm sei die Rede von der Bildung von verschiedenen „Teams“ - von Kasse bis Wareneingang. Davon sollen einzelne Gruppen „abgruppiert“ - also schlechter bezahlt werden. Diese Spaltung sei Gift. Grundsätzlich habe auch Bender erkannt, dass der gesamte stationäre Handel vor Herausforderungen stehe. Doch nach dem Zusammenschluss von Galeria Kaufhof, Karstadt Warenhaus, Karstadt Sports durch die jeweiligen Eigentümer Signa Retail und Hudson’s Bay Company seien keinerlei Konzepte vorgelegt worden, wie man das Magnet der Ulmer Innenstadt wieder attraktiveren könne. Mit weniger Mitarbeitern werde der Service schlechter, was wiederum mehr Kunden zu den Konkurrenten - nicht zuletzt im Internet - treibe.

    Kaufhof betreibe „katastrophales Missmanagement“

    Von „katastrophalem Missmanagement“ spricht Rainer Dacke, der Handels-Fachbereichssekretär bei der Gewerkschaft Verdi, der selbst einst bei Karstadt in die Lehre ging. Anhand dieses skandalösen Verhaltens der Manager dränge sich der Verdacht auf, dass die Investoren gar kein Interesse daran hätten, die Warenhäuser zu erhalten. So habe er Informationen, dass innerhalb der verschachtelten Eigentümerkonstellation Kaufhof quasi an sich selbst immer höhere Mieten zahlen müsse. Dieses Spiel könnte sich fortsetzen, bis eine Art gesteuerte Pleite eintrete. Und plötzlich habe der Investor freien Zugriff auf attraktive Immobilien wie Galeria

    Dieser „Eingang zur Stadt“, so Dacke, lasse sich immer zu Geld machen. Der neue Eigentümer Signa Holding habe ganz offensichtlich kein Interesse daran, Galerie Kaufhof zu einer florierenden Warenhauskette umzubauen. Denn dann würde die österreichische Gruppe ihre Vorteile gegenüber Amazon und Co. stärken, anstatt sich kaputt zu sparen. Wie die Betriebsratschefin Bender sagt, stießen die Vorschläge aus der Belegschaft auf taube Ohren. Beispielsweise funktioniere das Warenmanagement nicht reibungslos. „Wir müssen aus leeren Regalen verkaufen.“ Wie ohnmächtig und voller Existenzängste fühle sich so die Belegschaft, unter der es viele alleinstehende Frauen und auch alleinerziehende Mütter gebe, die nun vor dem Ungewissen stehen.

    Filialleiter Kevin Manski, der an diesem Freitagmorgen höchstpersönlich den Dienst an der Kasse schiebt, darf dazu nichts sagen und verweist bei Nachfragen auf die Pressestelle in Köln.

    Auch die schweigt sich aus. Im Internet sind Worthülsen zu finden: Das Restrukturierungsprogramm umfasse neben gezielten Investitionen in Markenauftritt und Markenkooperationen, die Modernisierung der Filialen und die Verzahnung von On- und Offline-Geschäft auch die Optimierung der Kosten und Prozesse. Durch den Kostendruck seien die Überprüfung und Reduktion von Aufgaben und damit einhergehende Einsparungen auch auf der Personalseite seien daher unumgänglich. Beim Personalabbau setze das Unternehmen dabei auf sozial verträgliche Lösungen, insbesondere unter Berücksichtigung der natürlichen Fluktuation und der Übergangsregelung für den Ruhestand/Renteneintritt.

    Nach Einschätzung von Betriebsratschefin Bender habe der Standort Ulm im hauseigenen Ranking eine durchaus gute Position. Wenngleich durch die Baustellensituation in den vergangenen Jahren der Umsatz deutlich eingebrochen sei. Dieser Trend könne nun verstärkt werden, befürchtet Bender. Mit noch weniger Personal werde noch weniger verkauft. Das Personal wird seit Jahren weniger: Beim Amtsantritt von Manski-Vorgängerin Doris Lindhorst im Sommer 2012 kümmerten sich noch 190 Mitarbeiter um die Kunden auf der 15 000 Quadratmeter großen Verkaufsfläche.

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