Politikverdrossenheit? Dagegen hat der 2017 gegründete Ulmer Verein „Bürgerimpulse“ ein Konzept: Er lädt - parteipolitisch unabhängig - regelmäßig namhafte Interessenten zu Vorträgen ein, damit Bürger faktenbasiert ihren Horizont erweitern können. Mit der zusätzlichen Hoffnung, sagt der stellvertretende Vorstand Nicolas Marschall, dass sich aus den Vortragsabenden heraus Gruppierungen finden, die dauerhaft an einem bestimmten Projekt arbeiten und beispielsweise Themenpapiere erstellen, sodass der Abend nachwirkt. Beim Thema Europa war es so, erklärt Marschall; im Moment steht die Frage einer „Modellstadt Mobilität“ auf der Agenda. Ein Impuls des Vereins über einen von allen Bürgern über eine Umlage finanzierten öffentlichen Nahverkehr löste eine kontroverse Diskussion aus. Schirmherr des Vereins „Bürgerimpulse“ ist Ulms OB Gunter Czisch.
Bekannte Referenten und Themen, die die Öffentlichkeit interessieren und in den Medien gerade viel diskutiert werden – das ist das Konzept des Vereins. Der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert war unter anderen schon zum Vortrag bei den „Bürgerimpulsen“, der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, Bassam Tibi, emeritierter Professor für internationale Beziehungen und Kritiker islamischer Zuwanderung, der frühere Verfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier und der Hamburger Professor Thomas Straubhaar, der über bedingungsloses Grundeinkommen referierte.
Terroristen, Scriptkiddies oder erfahrene Hacker: Akteure bei Cyberangriffen sind vielfältig
Die nächsten Vortragsabende werden Günter Kirste, Vorstand der Deutschen Stiftung Organspende, und danach Ex-Vizekanzler Franz Müntefering und Gregor Gysi, letzter Vorsitzender der SED-PDS, bestreiten. Das Spektrum der Gäste der „Bürgerimpulse“ ist bewusst breit gehalten, um ein möglichst vielfältiges und direktes Informationsangebot ohne Fake News offerieren zu können.
Bis zum letzten Platz gefüllt war ein Vortragsabend der „Bürgerimpulse“ in den Räumen der Ulmer Volksbank: Generalleutnant Ludwig Leinhos, seit 2017 erster Inspekteur des Cyber- und Informationsraums der Bundeswehr, berichtete über gesamtstaatliche Cyber-Sicherheit – ein Thema, zu dem es im Anschluss an den Vortrag zahlreiche Publikumsfragen gab. Im Weißbuch des Bundesministeriums für Verteidigung, das alle zehn Jahre erscheint, tauchte Cyberkriminalität 2006 praktisch noch nicht auf – zehn Jahre später zog sich der Begriff schon als roter Faden durch das nachfolgende Weißbuch. Vom Ausspionieren privater E-Mails bis hin zum Hackerangriff auf den Bundestag – Cybereingriffe in die technischen Strukturen und die Informationspraxis eines Landes geschehen täglich, so Leinhos, und sie kommen aus verschiedensten Bereichen. Die Akteure sind Terroristen, sie sind sogenannte „Scriptkiddies“ (Jugendliche, die in fremde Computersysteme eindringen), es sind Hacker, die erheblich mehr Grundkenntnisse haben als die Scriptkiddies, es sind Spione, Kriminelle, andere Staaten - und oft genug auch Täter im Inneren selbst.
Schäden durch Hacker können auch Gefahr für Leib und Leben der Bürger bedeuten
Die ausgelösten Schäden können nicht nur wirtschaftlich dramatisch sein, sondern auch Gefahr für Leib und Leben der Bürger bedeuten, da jedes zivile Flugzeug eine IT-Plattform ist. Sie können Wahlen beeinflussen und die Ordnung von Gesellschaften destabilisieren. Leinhos schilderte, dass die Bundeswehr zur Erforschung der Cyberkriminalität auch sogenannte „White Hat Hacker“ einsetzt, die Testmethoden für die eigene Cybersicherheit des Bundes entwickeln, um Schwachstellen in der Infrastruktur zu finden. Der Generalleutnant beklagte, dass der Abbau der Bundeswehr in den vergangenen 30 Jahren auch zu einem Fachkräftemangel auf dem Gebiet der Cybersicherheit führte. „Wir haben zu wenig, leider auch zu wenig Qualität“, sagte Leinhos. Inzwischen aber ist Cybersicherheit sogar an der Universität der Bundeswehr ein Studiengang, in dem 15 Professoren lehren.
Die Fragen der Zuhörer reichten von solchen nach einer Bedrohung durch Nordkorea oder China bis hin zu ganz konkreten Nachfragen, welche Notfallprogramme es gebe, sollte ein Hacker einen lang anhaltenden Stromausfall am Universitätsklinikum Ulm verursachen.
Das könnte Sie auch interessieren:
- Gänstorbrücke: Ab Freitag ist die Schranke zu
- Die Sedelhöfe in Ulm: Ein "cooler Standort" mit den "Five Guys"
- Kommunalwahl: Treiben Plakatdiebe in Senden ihr Unwesen?