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Ulm: Ein Blick ins virtuelle Herz

Ulm

Ein Blick ins virtuelle Herz

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    Ahmad Alili (rechts) taucht mit VR-Brille und Controller ins menschliche Herz ein, der Bildschirm im Hintergrund zeigt, was der Medizinstudent gerade sieht. Tutorin Eva Enghofer erklärt das Programm, Kommilitone Marin Zaimi (im Hintergrund) sieht interessiert zu.
    Ahmad Alili (rechts) taucht mit VR-Brille und Controller ins menschliche Herz ein, der Bildschirm im Hintergrund zeigt, was der Medizinstudent gerade sieht. Tutorin Eva Enghofer erklärt das Programm, Kommilitone Marin Zaimi (im Hintergrund) sieht interessiert zu. Foto: Andreas Brücken

    Ahmad Alili tritt einen Schritt nach vorne, näher auf das Herz zu. Er bewegt seine rechte Hand mit dem Controller leicht nach oben, um das Organ zu bewegen. Dann macht er noch einen Schritt – und taucht darin ein. Der Monitor hinter seinem Rücken zeigt, was Alili sieht. Der Medizinstudent trägt eine VR-Brille, mit ihr wandert er durch die Herzkammern.

    VR steht für virtuelle Realität. Wer eine solche Brille trägt, sieht eine künstliche Welt, in der er sich bewegen kann. Die Welt, in der Ahmad Alili sich bewegt, ist ein Teil des menschlichen Körpers. „Es ist echt aufregend und nicht wie in einem Bild“, sagt der Student danach. „Am Anfang war es ein bisschen gewöhnungsbedürftig. Aber für das Verständnis ist es gut.“ Alili studiert im dritten Semester Medizin an der Uni Ulm, genau wie Marin Zaimi. Die beiden haben die Einblicke im neuen VR-Labor des Uniklinikums am Montagnachmittag zum ersten Mal ausprobiert. Seit diesem Tag ist das Labor offiziell eröffnet – auch wenn einige Studenten die moderne Technik schon vorher testen konnten.

    Die Uni Ulm nimmt mit ihrem VR-Labor eine Vorreiterrolle ein

    Dr. Wolfgang Öchsner spricht von einer Vorreiterrolle, die das Ulmer Uniklinikum mit dem Labor in Deutschland einnehme. „Ich bin stolz, dass die Fakultät solche Gelegenheiten bietet“, sagt er. Der Herz-Narkosearzt Öchsner hat die Entstehung des Labors vorangetrieben und ein zweidimensionales Modell entwickelt, das als Grundlage für das virtuelle Herz dient. Die virtuellen Organe sind als Ergänzung zur Lehre gedacht, sie sollen ein Bindeglied zwischen der Theorie und der Praxis bilden. Gerade komplexe Situationen sollen durch die Methode besser dargestellt werden.

    „Ich habe mich wie verrückt auf diesen Tag gefreut“, sagt Öchsner. Der Mediziner beschreibt einen Vorteil, den die Technik bei der Lehre bringt: Um Studenten das Herz von innen zu zeigen, präsentiere man Ultraschallaufnahmen. Doch die können das Organ nur von hinten darstellen. Auf diesen Bildern zu erkennen und zu erklären, welcher Teil des Herzens an welcher Stelle zu finden ist, sei schwierig. „Mit Händen und Füßen haben wir uns bemüht und trotzdem haben wir immer wieder in verständnislose Gesichter geschaut“, sagt Öchsner und denkt dabei nicht nur an Studenten, sondern auch erfahrenere Kollegen, die davor nicht auf diese Weise gearbeitet haben. Mithilfe der VR-Brillen sollen Studenten das Organ realistischer als mit den üblichen Modellen und verständlicher als mit den Ultraschallaufnahmen kennenlernen können.

    Mit virtueller Realität Organe erforschen

    Die VR-Technik könne helfen, die Hand-Auge-Koordination zu trainieren. Bei endoskopischen Eingriffen sehen Ärzte auf Monitoren, was sie mit den Händen tun. So ähnlich ist das auch bei den Einblicken mit den VR-Brillen. Wer sie trägt, richtet den Blick nach vorne auf das Organ, während eine Hand den Controller steuert und das Herz heranzieht, vergrößert oder dreht.

    Im neuen Labor befinden sich drei Boxen, die an drei Seiten von knapp schulterhohen Wänden umschlossen sind. Wer eine der Simulationen ausprobiert, bewegt sich in diesem etwa zwei mal zwei Meter großen Bereich. Bislang gibt es dort zwei virtuelle Organe: das Herz und den Darm, bei dem über einen Kopfhörer sogar Darmgeräusche zu hören sind. Weitere Simulationen könnten folgen.

    „Ich bin kein Technik-Freak, ich habe nicht einmal ein Smartphone. Aber ich fände es verrückt, diese Möglichkeit nicht zu nutzen“, sagt Herz-Anästhesist Öchsner. Er hat das Material für eine weitere Nutzungsmöglichkeit des Labors geliefert: ein 360-Grad-Video aus einem Operationssaal, in dem gerade eine Herz-OP stattfindet.

    Ein 360-Grad-Video gibt Einblicke in schwer zugängliche Räume

    Auch dieses Video soll Studenten einen Einblick ermöglichen – in einen Bereich, der schwer zugänglich ist. Eine Firma hat die Aufnahmen gedreht, Öchsner selbst hat zusätzlich Details gefilmt, damit Betrachter des Videos Bildausschnitte so weit vergrößern können, dass sie sogar Texte auf den Computerbildschirmen lesen können. Weitere 360-Grad-Videos, zum Beispiel aus dem Inneren eines Rettungshubschraubers, sind denkbar.

    Wie gut sich die virtuelle Umgebung als Lernplattform eignet, das testet derzeit Dr. Alexander Hann. Der Magen-Darm-Arzt unternimmt eine Studie, in der der Lernerfolg von zwei Studentengruppen verglichen wird. Die eine Gruppe besucht ein Seminar, die andere lernt ausschließlich mithilfe der virtuellen Realität. Hann will herausfinden, wer sich die Inhalte besser einprägen kann.

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