Genau genommen sitzen exakt drei Frauen zu wenig im Ulmer Gemeinderat – obwohl die Geschlechterverteilung des Gremiums einzigartig ist. Der Anteil in der Bevölkerung beläuft sich auf 52 Prozent, das entspräche 21 Sitzen. Derzeit sind in der Stadt 18 der 40 Räte Frauen. „Damit ist Ulm bundesweit Spitze“, sagt Diana Bayer, Leiterin des Frauenbüros. Trotzdem kämpft ein überparteiliches Frauenbündnis für das Ziel „Mehr Frauen in den Gemeinderat“. Bis zur nächsten Kommunalwahl vergehen noch rund eineinhalb Jahre. Doch die Parteien beginnen im Frühjahr mit der Suche nach Kandidaten.
Unter diesen sollen so viele Frauen wie möglich sein. Schon 2014 und 2009 warb das Ulmer Bündnis für das Ziel. Bayer sagt: „Es ist kein Selbstläufer.“ Das liegt schon daran, dass sich Frauen weniger bereitwillig als Männer in Ämter wählen lassen, obwohl sie hinter den Kulissen mindestens ebenso engagiert seien. Die Beobachtung hat Gisela Kochs gemacht, die für die Freien Wähler im Gemeinderat sitzt. Kochs setzt sich mit ihren Ratskolleginnen Dagmar Engels (SPD), Karin Graf (CDU) und Sigrid Räkel-Rehner (Grüne) für das Bündnis ein.
Frauen in der Politik haben einen anderen Blick auf die Themen
Die Frauen arbeiten nicht nur vor der Wahl zusammen. Seit der Gemeinderat weiblicher ist, hat sich der Kontakt zwischen den Fraktionen verbessert. „Das hat mir meine Fraktion bestätigt“, berichtet Engels. Einige Entscheidungen des Gremiums führen die vier Frauen auf eine weibliche Sicht auf Themen zurück: etwa die bessere Beleuchtung am Donauweg und von anderen Angsträumen – also Gegenden, in denen Passanten das Gefühl bekommen, dass Übergriffe drohen. „Ich habe erlebt, dass nicht nur Sportstätten im Vordergrund stehen, sondern auch die Schulen und der Breitensport“, berichtet Räkel-Rehner mit Blick auf die Entwicklungsplanung im Sport.
Frauenbüro-Leiterin Bayer hat die verschiedenen Lebenserfahrungen im Blick, die im Gremium zum Tragen kommen. Eines wollen die Frauen im Gemeinderat auf keinen Fall: „Ich weigere mich, mich auf Kinderbetreuung und Pflege reduzieren zu lassen“, betont Graf. Sie sieht andere wichtige Bereiche. Frauen hielten sich unter der Woche tagsüber häufiger in der Stadt auf als Männer, weil sie seltener in Vollzeit arbeiten. Deswegen sei ihr Blick auf den Alltag besonders wichtig.
Dass Ulm bei der Sitzverteilung nach Geschlechtern schon jetzt an der Spitze steht, genügt den Frauen nicht. Denn erstens zeige der Blick auf die jüngste Bundestagswahl, dass sich das schnell ändern kann: Der Frauenanteil sank von 37 auf 31 Prozent. Und zweitens sind aus Sicht der Initiatorinnen auch die 18 Rätinnen zu wenig. 21 Frauen im Gremium müssen es aus der Sicht der Stadtpolitikerinnen aber nicht zwingen sein. „Pari-pari wäre wichtig“, findet Karin Graf.
Veranstaltungen des Bündnisses „Mehr Frauen in der Politik“
Die Organisatorinnen des Bündnisses wollen zunächst Frauen ansprechen. Alles andere ergebe sich, wenn Kontakte zustande gekommen seien. Deshalb haben sie ein Programm aus politischen und kulturellen Veranstaltungen zusammengestellt. Den Auftakt bildet ein Kabarett-Auftritt an diesem Freitag, 24. November. Das Duo Frauengold will die Politik auf die Schippe und die Rolle der Frau in der Gesellschaft unter die Lupe nehmen. Der Eintritt ist frei, auch Männer dürfen kommen. Anders ist das bei einem Ausflug am 9. Juni 2018. Dann wollen sich die Frauen unter der Leitung von Dagmar Engels auf der Insel Herrenchiemsee auf die Spuren des Grundgesetzes begeben und dabei wieder die Rolle der Frau besonders in den Blick nehmen.
Dazwischen wird es politischer. Am 25. Januar berichten Gemeinderätinnen aller Fraktionen aus ihrer Arbeit und beantworten Fragen und am 15. Mai spricht Muhterem Aras, Präsidentin des baden-württembergischen Landtags, im Stadthaus. Weitere Veranstaltungen können folgen, das Frauenbündnis tüftelt noch am Kalender.