Das nennt man Blitzkarriere: Mit ihrer ersten Buchveröffentlichung überhaupt gewinnt die junge Ulmerin Mia Oberländer den renommierten Comicbuch-Preis 2021 der Berthold-Leibinger-Stiftung, der mit 20000 Euro dotiert ist. Das eröffnet der jetzt in Hamburg lebenden Künstlerin Möglichkeiten, auf der Karriereleiter weiterzuklettern. Einziger kleiner Wermutstropfen: Das Buch „Anna“, in dem Mia Oberländer teils witzig, teils tiefgründig zeichnet und beschreibt, mit welchen Problemen und Vorurteilen die junge Frau zu kämpfen hat, weil sie wie ihre Mutter sehr groß ist, wird nicht vor Anfang 2022 auf den Markt kommen. Die Preisverleihung hingegen ist für Mai kommenden Jahres im Stuttgarter Literaturhaus geplant.
Trotz Mobbing selbstbewusst durchs Leben
Die in Söflingen geborene Preisträgerin nennt ihre prämierte Arbeit einen grafischen Essay. Er soll lehren, dass diejenigen, die wegen Äußerlichkeiten gehänselt oder gar gemobbt werden, mutig und selbstbewusst durch die Welt gehen können. Das in einem Comic darzustellen, zeugt davon, dass die 25-jährige Mia Oberländer selbst mutig und selbstbewusst ist, denn sie verfügt ja noch nicht über so viel Lebenserfahrung. Aber die Erfahrungen, die sie schon gesammelt hat, und ihre täglichen Beobachtungen haben sie zu ihrer Bachelorarbeit inspiriert, die dann zum über 200 Seiten starken Buch „Anna“ geworden ist. Zwischenmenschlichkeit und die dabei auftretenden Gefühle sind allgemein das übergeordnete Thema, dem sich Mia Oberländer am liebsten widmet.
Sie kam schon als Kind zum Zeichnen. In einem Urlaub in der Toskana war sie fasziniert von den Bildern eines Spiegel-Berichts über japanische Mangas und sie malte diese gut ab. Der Anfang war gemacht. „In der Schule habe ich dann schon Comics gezeichnet und zusammen mit einer Freundin ein kleines Heft angefertigt, das wir an die Mitschüler verteilten.“ Doch dann verliefen die nächsten Schritte nicht wie von selbst. „Ich wollte eigentlich Kinderbücher illustrieren“, erzählt die Ulmerin, die ihr Abitur am Humboldt-Gymnasium machte und heute auch in der Leitung des Hamburger Comic-Festivals mitarbeitet. „Aber das gelang mir nicht nach Wunsch. Die Illustrationen waren nicht so kindgerecht.“
Die Zeichnerin hatte es erst nicht leicht
Mia Oberländer, die gerade bei Anke Feuchtenberger ihren Masterabschluss in Illustration an der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) macht, absolvierte nach dem Abi im spanischen Valencia ein einjähriges Praktikum in einer Marketing-Agentur und begann 2017, sich intensiv mit Comics zu beschäftigen. „Ich bewarb mich an der Kunsthochschule Kassel, die einen Comicstudiengang anbot. Aber sie wollte mich nicht haben, was wehtat. Stattdessen habe ich dort Kunstgeschichte und Spanisch studiert. Als ich mich dann noch einmal fürs Comicstudium bewarb, sagte man mir, ich solle nach Hamburg gehen. Und dort wurde ich angenommen.“
Die Söflingerin ist in Ulm öfter zu Besuch bei ihren Eltern– wenn sie Zeit dazu hat. Und die dürfte nun wegen des Preises noch knapper werden. „Während der Corona-Pandemie lesen die Leute jetzt mehr“, sagt Mia Oberländer, „und die Comics sind ein guter Kompromiss. Sie anzuschauen, bringt mehr Abwechslung für die Augen und ist nicht so anstrengend wie in einen Bildschirm zu schauen. Und wenn sie spannend illustriert sind, führen sie zu einem visuellen Eintauchen in Geschichten.“
Die Auszeichnung für die Zeichnerin kam überraschend
Sie war völlig überrascht, als sie von ihrem Preis erfuhr: „Im Juni habe ich mich beworben. Ich wusste gar nicht, wann die Preisverleihung bekannt gegeben wird. Ich hatte meine Bewerbung sogar schon vergessen und dann kam die Nachricht, dass ich gewonnen habe. Da war ich total überwältigt. In Zeitschriften zum Beispiel wurden von mir schon ein paar Auftragsillustrationen veröffentlicht, aber ich habe noch nie ein Buch gemacht. Viele Leute sind nun gespannt darauf.“
Mit dem relativ weit in der Zukunft liegenden Erscheinungsdatum hat Mia Oberländer kein großes Problem: „Das wichtigste Comic-Festival steigt 2022 in Erlangen und dann ist mein Buch auf dem Markt. Es gibt halt einen langen Vorlauf.“ Wenn die Corona-Pandemie vorüber ist, will die 25-Jährige bald das eine oder andere Comic-Festival besuchen und Lesungen veranstalten. Dabei ist sie dann nicht mehr irgendwer.
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