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Ulm: Das Museum Ulm beleuchtet das Rätsel der Steinzeitscheiben

Ulm

Das Museum Ulm beleuchtet das Rätsel der Steinzeitscheiben

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    Rund sind sie, hübsch verziert und mit zwei Löchern versehen: Das Museum Ulm geht mit einer Ausstellung dem Rätsel um die Steinzeitscheiben aus dem Blautal nach – doch vorerst bleibt das Haus noch geschlossen.
    Rund sind sie, hübsch verziert und mit zwei Löchern versehen: Das Museum Ulm geht mit einer Ausstellung dem Rätsel um die Steinzeitscheiben aus dem Blautal nach – doch vorerst bleibt das Haus noch geschlossen. Foto: Veronika Lintner

    Diese Scheiben sind ein Rätsel. Wie kleine Knöpfe sehen sie aus. Sie sind aus Kalkstein gefertigt, hübsch verziert und steinalt. Zwei fein gebohrte Löcher klaffen in ihrer Mitte. Was hat es damit auf sich? Gefunden wurden diese Stücke aus der Steinzeit in den 50er-Jahren, bei einer spektakulären Ausgrabung im Blautal. Nun wären sie im Museum Ulm zu sehen gewesen – eigentlich.

    Doch das Haus bleibt wegen des Coronavirus vorerst geschlossen, wie alle anderen Museen, Galerien, Kunststätten. Ein kleiner Trost: Ein Katalog zur Ausstellung bietet jetzt eine Vorschau auf knapp 80 Seiten, mit Fotos, Skizzen und wissenschaftlichen Beiträgen. „Schwarz auf Weiß – Das Rätsel der Steinzeitscheiben aus dem Blautal“ heißt das Buch, das das Museum herausgegeben hat. Systematisch, nachvollziehbar und aus vielen Perspektiven nähert sich der Katalog der Geschichte der Steine. Das Rätsel bleibt dabei ein Rätsel – und gibt doch viel preis über das Leben in einem Steinzeit-Dorf.

    Die Steinzeitscheiben aus Ehrenstein geben Rätsel auf

    Der Katalog nähert sich in zwölf Kapitel fast schon detektivisch den offenen Fragen. Alles beginnt mit dem ersten Fund. Die Fotos aus jenen Tagen sind schwarz-weiß. Sie zeigen den Forscher Oscar Paret, der bei Ehrenstein am Blaukanal prähistorische Stücke ans Licht bringt und unter die Lupe nimmt. Bagger hatten zuvor den Boden ausgeschaufelt, um für ein Kalkwerk einen Damm aufzuschütten. Was die groben Maschinen hervorbrachten, sind feine Spuren eines Steinzeitdorfes. Eine Pfahlbautensiedlung aus dem Neolithikum. Ein Sensationsfund.

    Bei Ehrenstein kamen die Reste einer Zivilisation ans Licht. 1952 begannen die archäologischen Grabungen, 1960 wurde weitergeforscht. Aus der Erde lösten Wissenschaftler feinsäuberlich Reste von Hütten aus Holz, Stücke von Herden und Öfen, Strukturen von Straßen und Räumen – das Alter des Dorfs schätzten sie zuerst auf 4000 Jahr, tatsächlich sind es rund 6000 Jahre. Die Funde sind sensationell gut erhalten, sie waren lange vom Sauerstoff abgeschnitten, der Verfall verlief schleichend. Nach Jahrzehnten, in denen Forscher, Hobbyarchäologen und auch eine Schulklasse geforscht und gebuddelt haben, wurde die Siedlung 2011 in die Liste des UNESCO-Welterbes von „Prähistorischen Pfahlbauten um die Alpen“ aufgenommen.

    Das Dorf von Ehrenstein gehört zum UNESCO-Welterbe

    Eine Karte im Katalog zeigt das Netz dieser historischen Pfahlbautendörfer, in Bayern und Baden-Württemberg sind es 18 Stück. Ein Luftbild mit Skizze umreißt das Gebiet der Ehrenstein-Siedlung. Greifbar wird der Forschergeist vor allem in Berichten von der Entdeckung des Dorfes: Gummistiefelwetter, widrigen Bedingungen, Archäologen zwischen Baustellen- und Straßenlärm und Pumpen, die das Grundwasser vom Fundort absaugen mussten. Die Landschaft rundherum sieht man auf bunten, krisseligen Fotos, im Hintergrund der Szene ahnt man die Silhouette des Ulmer Münsters.

    Eine 6000 Jahre alte Siedlung zu entdecken, allein das wäre spektakulär genug. Aber der spannendste Fund sind wohl die Scheiben aus Kalkstein. Das mediale Interesse war damals groß, „groteske Riesenknöpfe“ nannte sie der Weserkurier. Als einen „Glücksfall“ bezeichnet heute der Redakteur des Katalogs, Kurt Wehrberger, diesen Fund. Vom Bodensee bis zum Neckarraum wurden wohl ähnliche Stücke gefunden – aber die Form und Verzierung bleibt einzigartig. Waren die Steine in Gebrauch, zu etwas nutze – oder aber Teil des Brauchtums? Hingen sie als Schmuck an Kleidung, als Gürtelverschluss – oder trugen sie mythisch-religiöse Bedeutung in sich, als gezackte Sterne oder Sonnensymbole mit Strahlen? Alles scheint denkbar.

    Das Buch zur Ausstellung im Museum Ulm erzählt Steinzeitgeschichte

    Eines scheint festzustehen: Das Dorf war eine isolierte Gemeinschaft. Etwa 50 Häuser zählte die Siedlung, die mehrmals niederbrannte und wieder aufgebaut wurde. Nur für kurze Zeit, wohl nicht länger als 100 Jahre, pflegten dort die Menschen die Kunst, solche Knöpfe zu fertigen. Forscher schätzen, dass in dieser knappen Zeit etwa 1000 Scheiben entstanden – von groben, unvollendeten Stücken bis zu kleinen Meisterwerken. Mit Illustrationen erklärt der Katalog, wie der Steinzeitmensch von Ehrenstein wohl die Scheiben mühsam gefeilt, geschliffen, gebohrt und verziert hat. Die Rillen im weißen Stein wurden am Ende mit schwarzer Farbe verschönert – schwarz auf weiß. Die Qualität des Katalogs liegt in den vielschichtigen Beiträgen, die Wehrberger zusammengetragen hat. Es geht um Umwelt und Handel in der Steinzeit, um Archäologie gestern und heute. Es kann einige Zeit dauern, bis die Stücke auch im Museum zu begutachten sind. Die Ausstellung läuft laut Plan bis zum 31. Januar 2021. Wann sie öffnet, bleibt offen.

    Das Buch zur Ausstellung ist im Online-Shop des Museums Ulm für 14,80 Euro erhältlich.

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