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Ulm: Corona-Krise in Ulm: Klassik funktioniert auch im Autokino

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Corona-Krise in Ulm: Klassik funktioniert auch im Autokino

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    Der renommierte Pianist Alexander Krichel hat schon einmal im Stadthaus gespielt und will es am 26. Februar wieder tun. Das hat für ihn einen besonderen Grund.
    Der renommierte Pianist Alexander Krichel hat schon einmal im Stadthaus gespielt und will es am 26. Februar wieder tun. Das hat für ihn einen besonderen Grund. Foto: Dagmar Hub

    Der international renommierte Pianist Alexander Krichel gibt ein Benefiz-Konzert in Ulm. Er wird zwar pandemiebedingt nur online zu hören sein - aber er kommt in den Stadthaus-Saal, wo er Beethovens "Appassionata"-Klaviersonate und Modest Mussorgskys "Bilder einer Ausstellung" spielen wird. Kann die Emotionalität der Stücke angesichts der Umstände bei den Zuhörern ankommen? Das hofft der Pianist, denn die Authentizität des Ortes und die Gleichzeitigkeit von Konzertereignis und Hörerlebnis ist ja gegeben. Das Publikum ist ja direkt dabei, wenn es auch nicht im Saal sitzen kann. Im Gespräch mit unserer Redaktion erzählt der Künstler, warum er unbedingt ein Versprechen einlösen will und wie Klassik sogar im Autokino funktioniert.

    Am 8. März 2020, kurz vor dem ersten Lockdown, war das Stadthaus bei Krichels Auftritt voll besetzt gewesen. Der 32-Jährige hatte dabei auf der Stadthaus-Bühne versprochen, im Februar 2021 wieder nach Ulm zu kommen, um mit einem Konzert die Anlage eines Besinnungsgartens am Ulmer Hospiz weiter zu unterstützen. Was bewegt einen Konzertpianisten, der außerhalb der Pandemiezeit weltweit konzertiert und der in Hamburg lebt, dem Publikum in der Region Ulm/Neu-Ulm ein derartiges Versprechen zu geben - und es auch in dieser schwierigen Zeit, wenn Anreise und Unterkunft komplizierter sind und kein Zuhörer im Saal applaudieren wird, zu halten? Seine Zuneigung zu Ulm hat mehrere Gründe, erklärt Alexander Krichel: Für die Hospizarbeit setzt sich der Pianist auch in seiner Heimatstadt Hamburg ein. "Sie ist mir ein Herzensanliegen", erklärt er.

    Benefizkonzert in Ulm für sterbenskranke Menschen

    Er nehme gerade derzeit Aussagen von Menschen wahr, die über einen Schwerkranken sagen, dass es für die Familie am besten wäre, er stürbe. "Das darf nicht sein. Das darf nicht geredet werden", sagt Krichel. Die Abwertung des Lebens schwer Erkrankter tut ihm persönlich weh. "Das sind Menschen, das sind Seelen", sagt er schlicht. "Sterbenskranke Menschen dürfen nicht abgeschoben werden. Es ist zwar der letzte Weg, der zu gehen ist, aber man muss ihn als Mensch gehen können." Deshalb unterstützt er die Initiative des Lionsclubs Ulm/Neu-Ulm/Alb-Donau, dem Hospiz einen Besinnungsgarten zu ermöglichen, in dem sterbenskranke Menschen und ihre Angehörigen in Würde zur Ruhe kommen und eine stärkende Atmosphäre erleben können. Zudem: "Bei den Machern und Unterstützern in Ulm spüre ich so eine unfassbare Energie. Dass ich so gerne nach Ulm komme, hat mit den Personen zu tun, die hinter dieser Sache stehen."

    Ulm: Konzerte funktionieren auch im Autokino

    Frühzeitig will Alexander Kirchel anreisen, damit alle eventuellen technischen Schwierigkeiten vor Konzertbeginn gelöst werden können. Die Zuhörer sollen ein möglichst authentisches Erlebnis haben, auch digital. "Es geht mir um die Botschaft, die das Publikum reflektiert", erklärt der Pianist. Er nehme wahr, dass differenzierter Diskurs derzeit zurücktritt hinter vorschnelle Aussagen, mit denen sich Menschen an das anpassen, was sie meinen gut oder nicht gut finden zu müssen. "Aber das ist nicht authentisch. Meine Rolle als Künstler ist es, den Menschen zu helfen, sich selbst zu finden." Dafür interpretiert er Werke der Klassik, besonders gern solche, in denen viel Leidenschaft steckt - und das notfalls auch im Autokino: In einem solchen in Iserlohn gab Alexander Kirchel im Herbst das weltweit erste Klassik-Autokinokonzert - mit der Botschaft, dass tiefgehende Musik auch die Situation "Autokino" überlebt. Entscheidend ist für ihn, dass sich der Funke aufs Publikum überträgt. Wenn Konzerte nicht im Konzertsaal möglich sind, müsse es andere Wege geben.

    Pianist Alexander Krichel: Menschen aus aller Welt können zuhören

    Modest Mussorgskys Klavierzyklus "Bilder einer Ausstellung" hat sich Alexander Krichel zur Unterstützung der Hospizarbeit ganz bewusst ausgewählt, neben Beethovens leidenschaftlicher "Appassionata". Die "Bilder" werden zwar als Musterbeispiel für Programmmusik angesehen, weil das Werk wie der Gang durch eine Ausstellung wirkt und Gemälde und Zeichnungen in Tönen zu beschreiben scheint. Alexander Krichel sieht aber erheblich mehr darin: Er spürt "eine Reise nach innen, einen Kampf. Das vorletzte Bild, das apokalyptisch die Hütte der schrecklichen Hexe Baba-Jaga beschreibt, wirkt wie ein grauenhaftes Ende. Aber dann löst das strahlende 'Tor von Kiew' den Kampf auf in etwas Helles, Transzendentales hinein, das sagt: 'Ich bin zuhause angekommen.'"

    Er spiele deshalb live im Stadthaus, sagt der Pianist, damit beim Zuhören nicht der Eindruck entsteht: "Ich lasse mich von einer Konserve trösten." Und auch wenn das Erlebnis eines Konzertbesuchs nicht zu ersetzen ist, einen Vorteil gibt es: Menschen aus aller Welt können dem Ulmer Konzert zuhören.

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