Startseite
Icon Pfeil nach unten
Neu-Ulm
Icon Pfeil nach unten

Ulm: „Chaotische Zustände“ auf Ulmer Intensivstation: Pfleger mit Hilferuf

Ulm

„Chaotische Zustände“ auf Ulmer Intensivstation: Pfleger mit Hilferuf

    • |
    Eine Pflegerin versorgt auf einer Intensivstation einen an Covid-19 erkrankten Patienten.
    Eine Pflegerin versorgt auf einer Intensivstation einen an Covid-19 erkrankten Patienten. Foto: Ole Spata, dpa (Symbolfoto)

    Sie klagen die Klinikleitung an und werfen ihr Versäumnisse vor, die nun schwere Konsequenzen hätten. Die Klinik selbst wollte sich zunächst auf Nachfrage nicht zu den Vorwürfen äußern.

    Die geschilderten Szenen klingen unglaublich. Weil wegen der extrem hohen Arbeitsbelastung auf der Corona-Intensivstation der Ulmer Uniklinik keine Zeit sei, ausreichend zu trinken, seien Pfleger bereits kollabiert. Dabei sollten sie es eigentlich sein, die sich um Kranke kümmern, um Menschen, die mit dem Tod ringen. Und nicht selbst leiden.

    „Corona-Front“ auf dem Ulmer Eselsberg

    Der Leidensdruck des Pflegepersonals an der „Corona-Front“ auf dem Ulmer Eselsberg ist aber so groß, dass einige Beschäftigte nun einen Hilferuf abgesetzt haben. Drei Pfleger nahmen Kontakt mit der Gewerkschaft Verdi auf, trafen sich mit dem Ulmer Gewerkschaftssekretär Jannik Widon und ließen Dampf ab.

    Keine Zeit zum Essen in der Uniklinik Ulm für Mitarbeiter

    Dieser berichtet unserer Redaktion nicht nur davon, dass während der acht- oder sogar zwölf-Stunden-Schichten auf der Intensivstation für die Pflegerinnen und Pfleger manchmal kaum Zeit bliebe, ausreichend Nahrung aufzunehmen (von längeren Pausen ganz zu schweigen). Er spricht auch von „fehlendem Material“ – und großer Verärgerung über die Klinikleitung.

    Für die Pandemie und die vielen schweren Covid-19-Fälle, die derzeit auch an der Uniklinik behandelt werden, sei der Klinikleitung natürlich kein Vorwurf zu machen. Allerdings, so Widon, habe es diese aus Sicht der Pfleger versäumt, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen, um für die aktuelle dritte Welle gerüstet zu sein, so gut es eben geht.

    Möglich sei dies beispielsweise gewesen, als es im vergangenen Sommer „noch nicht so angespannt“ war. Doch: Es sei kein Konzept entwickelt worden. Die Pfleger müssten dies nun ausbaden. Zum Beispiel müssten sie sich auf dem Gang umziehen. Eine Schleuse für diese Zwecke war ursprünglich in einem Patientenzimmer untergebracht, das sei nun aber belegt.

    Laut den Pflegern herrschen derzeit „chaotische Zustände“ auf der Station. Ein Problem: zu wenig Personal. Folge: Pflegerinnen und Pfleger müssten sich aktuell um jeweils zwei Patienten kümmern, die invasiv beatmet werden (ECMO-Patienten). Eigentlich sei hier eine Eins-zu-Eins-Betreuung vorgesehen. Im Schnitt seien pro Schicht aktuell 20 Pflegekräfte auf der Corona-Intensivstation im Einsatz.

    Kein Verständnis hat das Pflegepersonal für die grundsätzliche Personalplanung der Leitung. Die Fluktuation sei enorm. Statt auf ein 20-köpfiges Kernteam, bestehend aus Fach- und Hilfskräften, zu setzen – so lautet eine Forderung der Pfleger –, müssten regelmäßig neue Kräfte eingearbeitet werden. Die dann nach vier Wochen aber oft schon wieder weg seien. Das zehre und fresse Ressourcen.

    Ulm: Von der Klinikleitung in der Corona-Krise „im Stich gelassen“?

    Die Pfleger auf der Corona-Intensivstation fühlten sich von der Klinikleitung „im Stich gelassen“, sagt Jannik Widon. So habe sich die zuständige Pflegedirektorin in der Pandemie bislang lediglich „zwei Mal“ vor Ort auf der Station blicken lassen. Frustrierend auch, dass in der „Corona-Taskforce“ der Klinik kein echter Vertreter der Pflegerinnen und Pfleger sitze.

    Was die Pfleger fordern: „Man muss ihnen zuhören“, sagt Verdi-Mann Widon. Ums Geld gehe es nicht. Die tariflich geregelte Entlohnung für Pfleger an Unikliniken in Baden-Württemberg sei bundesweit mit die höchste. Verantwortlich für die Unikliniken ist letzten Endes das Land.

    Die Aufsicht hat Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne). Mit rund 6000 Beschäftigten ist die Uniklinik größter Arbeitgeber Ulms. Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor ist Professor Udo X. Kaisers.

    Intensivstation in Ulm fehlen zwölf Stellen

    Es gehe um personelle Entlastung, sagt Jannik Widon, und fügt an, dass es diese angesichts bestehender Tarifverträge eigentlich bereits geben müsste an der Uniklinik. Faktisch sei dies aber nicht der Fall. Rechnet er nach, kommt Widon auf „zusätzlich zwölf“ Stellen, die unterm Strich auf der Intensivstation schon zur Verfügung stehen müssten. Warum dieses Personal aber fehle, sei ihm schleierhaft.

    Am Donnerstag will die Gewerkschaft mit einer Presseerklärung in die Offensive gehen. In dieser sollen mehrere Punkte benannt sein, über die die Pflegerinnen und Pfleger mit der Klinikleitung sprechen möchten.

    Am Mittwochvormittag konfrontierte unsere Redaktion die Klinik mit den Vorwürfen und den neuesten Entwicklungen. Eine Stellungnahme wurde für den Lauf des Tages in Aussicht gestellt, am Abend hieß es dann allerdings, man warte mit einer solchen bis zur offiziellen Pressemitteilung der Gewerkschaft am Donnerstag ab.

    Auch interessant:

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden