Ein Ulmer Gastronom sitzt seit einer Razzia von Zoll und Polizei in Untersuchungshaft. Mit ihm auch eine Mitarbeiterin. Es bestehe Fluchtgefahr. Ihnen wird vorgeworfen, Sozialleistungen - unter anderem Corona-Soforthilfen - im großen Stil hinterzogen zu haben. In den Gassen der Ulmer Innenstadt sind seine womöglich illegalen Machenschaften wohl schon länger ein Thema. Doch auch den Behörden gilt er als zwielichtig.
Es ist kurz vor 9 Uhr. Vor der Tür und im Eingangsbereich einer Pizzeria drängen sich mehrere Zollbeamte in schwarzer Uniform. Nur einige Hundert Meter entfernt ein ähnliches Aufgebot: Auch hier stehen Zollbeamte vor der Eingangstür eines italienischen Restaurants. In der sonst noch ruhigen Ulmer Innenstadt waren um die 30 Kräfte von Zoll und Polizei unterwegs. Rund um den Münsterplatz und in Ulms Neuer Mitte parkten die Fahrzeuge der Beamten.
Ermittlungen gegen den Ulmer Gastronom laufen seit Monaten
Dass hinter diesem Aufgebot ein seit Monaten laufendes Ermittlungsverfahren gegen einen Ulmer Gastronomen steckt, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu erahnen. Etwa 24 Stunden später geben das Hauptzollamt Ulm zusammen mit der Staatsanwaltschaft und der Ulmer Polizei mehr zu den Hintergründen des Einsatzes bekannt: Geschäfts- und Privaträume eines Ulmer Gastronomen seien durchsucht worden. Es habe Fluchtgefahr sowie Wiederholungs- und Verdunkelungsgefahr bestanden. "Wir mussten da jetzt Maßnahmen ergreifen. Wir mussten verhindern, dass noch mehr Subventionen erbeutet werden und die Verantwortlichen verschwinden. Der Aufschlag jetzt war wichtig", sagt Hagen Kohlmann vom Ulmer Zoll.
Denn die Ermittlungen der Zoll-Abteilung Finanzkontrolle Schwarzarbeit und der Kriminalpolizei laufen bereits seit mehreren Monaten. Der Einsatz am Donnerstag "ist nicht vom Himmel gefallen", sagt Kohlmann. Seit geraumer Zeit würden Informationen eingehen. So sei der Gastronom schon vorher "in Erscheinung getreten". Man habe ihn sehr genau beobachtet. Wohl auch deshalb ist die Liste der Vorwürfe entsprechend umfangreich: Es geht um Subventionsbetrug, Kurzarbeitergeldbetrug, Sozialbeitragshinterziehung und Insolvenzverschleppung.
Dabei soll der Mann, auf dessen Namen laut Zoll aktuell zwei Betriebe in Ulm laufen, sich auch eines sogenannten Strohmannes bedient haben, um seine eigene Verantwortlichkeit zu verschleiern. "Da wurde mit allen Hebeln gearbeitet", sagt Kohlmann und spricht gar von einem "organisierten" Vorgehen. "Da hat jemand versucht, alles herauszuholen, was geht."
Zwielichtiger Ruf des Gastronomen: "Geschäfte an der Haustür"
Dazu passt ins Bild, was in der Nachbarschaft der Betriebe des Ulmer Gastronomen unter vorgehaltener Hand erzählt wird. "Er hat schon lange den Ruf, dass er mal das eine oder andere Geschäft an der Haustür macht", sagt eine, die lieber anonym bleiben will.
Der Schaden durch zu Unrecht bezogene Corona-Soforthilfen und Kurzarbeitergeld soll sich auf rund 115.000 Euro belaufen. Der Schaden gegenüber den Sozialkassen wird auf rund 50.000 Euro beziffert. "Das ist schon viel", so Kohlmann. Die Summen aber seien nur "überschlagen". Es könne sogar sein, dass das noch nicht das Ende ist. Bei den Durchsuchungen seien zahlreiche Geschäftsunterlagen beschlagnahmt worden, die die Beamten jetzt sichten und ordnen müssen. Zudem wurden schon mehrere Zeugen vernommen. "Es sind viele Namen im Spiel, unterschiedliche Verhältnisse. Wir wissen noch nicht, was da gelogen ist und was nicht", so Kohlmann.
Subventionsbetrug: "Vereinzelt schwarze Schafe gibt es überall"
Ihm sei durchaus bewusst, dass Fälle wie dieser in der aktuellen Situation, wo die Gastronomie geschlossen haben muss, und die Wirte auf staatliche Hilfen angewiesen sind, brisant sind. "Die allermeisten Unternehmer arbeiten sauber und haben auch kein Interesse, dass etwas schief geht", sagt er. "Aber wie überall, gibt es vereinzelt schwarze Schafe." Umso wichtiger sei es, diese Betrüger, die in der aktuellen Phase staatliche Unterstützungen missbrauchen, dingfest zu machen. "Sonst ist das dem Bürger nicht mehr zu vermitteln." Um verstärkt kontrollieren zu können, sei deshalb auch eine Task Force gegründet worden, um mit Partnerbehörden wie dem Finanzamt, der Steuerfahndung und der Polizei im "Dauerkontakt" zu sein.
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