Mehr als 100 Millionen Euro muss die Stadt Ulm für den Ersatzneubau zweier weiterer kaputter Brücken ausgeben - oder auf Fördergeld von Bund und Land hoffen. Noch dazu geht es um zwei ganz zentrale Bauwerke: die Wallstraßenbrücke über die Bahngleise nahe Ikea und die Brücke über das Blaubeurer Tor. Gerhard Fraidel, Ingenieur bei der städtischen Koordinierungsstelle Großprojekte, sieht trotz der gewaltigen Aufgabe mit gewaltigen Kosten eine gute Nachricht.
Denn anders als bei anderen Brücken-Problemkindern hat die Stadt vergleichsweise viel Zeit: 15 bis 20 Jahre, deutlich mehr als bei der Gänstorbrücke, die mit einer halbseitigen Sperrung samt Betonwänden, Höhenbeschränkung, Ampel und Schranke gesichert wird. Deutlich mehr auch als bei der Adenauerbrücke, über deren künftige Größe in Ulm und Neu-Ulm viel gestritten wurde. Damit die beiden B10-Brücken möglichst lange erhalten bleiben, sind kurzfristig einige Arbeiten nötig: Die Fahrspuren werden verändert, und an den beschädigten Zufahrtsarmen werden Betonklötze mit zusätzlichen Spanngliedern als Verstärkungen angebracht. Am Pfingstwochenende stehen weitere Untersuchungen zum Zustand und zur möglichen Restlebenszeit der Brücke an - vorausgesetzt, das Wetter spielt mit. Damit alles klappt, muss es trocken sein.
B10: Wallstraßenbrücke und Brücke über das Blaubeurer Tor sind marode
Auf lange Sicht ist ein Ersatzneubau der beiden Brücken, die von außen wie ein Bauwerk wirken, wohl am wirtschaftlichsten. Der Neubau der Wallstraßenbrücke, die dann rund 80 Jahre lang halten soll, würde wohl rund 82,2 Millionen Euro kosten. Für die Brücke über das Blaubeurer Tor, die genauso lang benutzbar sein soll, fielen voraussichtlich etwa 21,5 Millionen Euro an. Das ist das erste Ergebnis einer Betrachtung durch die Stadtverwaltung. "Für mich ist es schwer eingängig, dass man diese Brücken nicht sanieren kann", hatte Baubürgermeister Tim von Winning Anfang Mai im Bauausschuss des Ulmer Gemeinderats eingeräumt. Aber nach dem Zweiten Weltkrieg seien Brücken so gebaut worden, dass sie heute nicht sanierbar seien. Etwa, weil die Technik damals noch nicht so ausgereift gewesen sei wie heute. Aber auch, weil man damals von einer völlig anderen Zahl an Fahrzeugen ausgegangen war. Brückenexperte Fraidel rechnet vor, dass sich die Verkehrsbelastung seit der Fertigstellung der beiden Brücken im Jahr 1969 verzwanzigfacht hat.
Ein Neubau wäre aufwendig. Die Brücken bestehen zwar aus je zwei Bauwerken, die getrennt voneinander saniert werden können. Allerdings könnten Autofahrer nicht zu den Fachmärkten in der Blaubeurer Straße abfahren und auch nicht über die Ludwig-Erhard-Brücke in die Innenstadt gelangen. Wer von der A8 in Richtung Süden fährt, müsste am Hindenburgring wenden und zurückfahren. Wer von Richtung Neu-Ulm aus nach Norden fährt, müsste jenseits der Bahngleise umkehren. "Das können wir unserem Verkehrssystem nicht zumuten", kommentiert von Winning. Die umständliche Routenführung würde die Stadt gerne vermeiden, zum Beispiel mithilfe einer zusätzlichen Zu- und Abfahrt für die Zeit der Bauarbeiten.
Ulm: Neubau der Brücken noch keine beschlossene Sache
Noch ist aber nicht einmal entschieden, ob die beiden Brücken neu gebaut werden. Der Bauausschuss hat fürs Erste nur die lebenserhaltenden Sofortmaßnahmen für die Bauwerke auf den Weg gebracht. Über alles Weitere soll noch entschieden werden, die Planungen dürften mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Ein Tunnel, der an Stelle der B10 durch die ganze Stadt läuft, scheint dagegen unrealistisch - die Ulmer CDU liebäugelt seit Längerem mit dieser Variante. Doch nach ersten Schätzungen der Stadt würde dies rund 400 Millionen Euro kosten. Und Experten warnen, dass dies auch ökologisch schädlich wäre, weil beispielsweise das Grundwassernetz durchtrennt würde. Ingenieur Fraidel hat aber für die Wallstraßenbrücke noch eine weitere gute Nachricht im Gepäck: Bis zu 60 Prozent der Baukosten könnten durch Bund und Land übernommen werden, berichtet er.
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