Autofahren in der Ulmer Innenstadt ist seit Langem kein Vergnügen mehr. Überlastete Straßen und seltene Parkplätze machen den Autofahrern das Leben schwer. Viele Verkehrsteilnehmer steigen deshalb auf das Fahrrad um. Gleichzeitig erlebt der Drahtesel seit der Coronakrise als individuelles Fortbewegungsmittel einen neuen Boom.
Natasa Subotin von der Klimainitiative Fridays for Future beobachtet, dass die Kontaktbeschränkungen die persönliche Mobilität der Menschen deutlich verändert haben. „Seit dem Lockdown sind immer mehr Menschen auf dem Rad und zu Fuß unterwegs“, sagt die Aktivistin. Doch für diese spürbaren Veränderungen der Verkehrsmittelwahl sei die Aufteilung der Straßen und Wege nicht ausgelegt. Busse und Bahnen seien derweil wegen der Coronaabstandsregelung noch lange nicht mit voller Auslastung besetzt. „Menschen, die zum Schutz ihre Gesundheit auf das Rad umsteigen, brauchen sichere und leicht erkennbare Wege“, fordert sie.
Ulm: Gemeinsamer Forderungskatalog von ADFC, Greenpeace und Fridays for Future
Unterstützung erfährt Subotin von Greenpeace und vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC). Gemeinsam überreichten die Aktivisten einen Forderungskatalog an Baubürgermeister Tim von Winning. Nach Vorbildern wie Brüssel, Mailand oder Berlin soll der Platz auf der Straße auch in Ulm neu verteilt werden. So sollen in der Innenstadt Teile der Herrenkellergasse, Dreikönigsgasse, Schuhhausgasse und Paradiesgasse für Kraftfahrzeuge ganz gesperrt werden. Grundsätzlich fordern die Initiatoren ein rad- und fußgängerfreundlicheres Straßennetz für Ulm. Schutzstreifen, Grünpfeile, Unterführungen oder eigene Straßen für Radfahrer sollen den Verkehr für Radler sicherer machen. Durch Verlegungen der Parkplätze von den Fußwegen auf die Fahrbahn könne schnell und einfach Abhilfe geschaffen werden.
Eine der einfacheren Lösungen seien sogenannte Pop-up-Radwege. Dabei soll die rechte Spur einer mehrspurigen Straße mit Pylonen abgetrennt und für Radfahrer freigegeben werden. Als Beispiel nennt Katrin Voß-Lubert vom ADFC die Olgastraße als eine der Hauptachsen für Radfahrer. Von Winning, selbst passionierter Radler, zeigte sich dem Vorschlag gegenüber aufgeschlossen: Seit etwa zehn Jahren sei die Olgastraße ein Thema in der Stadtplanung. Der Vorschlag ließe sich vermutlich schnell und für alle Beteiligten vertretbar umsetzen, sagte der Baubürgermeister. Gleichzeitig warb er auch für ein gegenseitiges Verständnis aller Verkehrsteilnehmer. „Wenn es um den Platz auf der Straße geht, kommt es schnell zu einem Kulturkampf.“ Er setze auf einen Dialog zwischen Radlern, Autofahrern und Fußgängern.
Ulm: Vorschläge für Olgastraße und Neue Mitte
Schwierig ist laut von Winning dagegen eine Veränderung der Ampelschaltung zugunsten von Radfahrern und Fußgängern, wie sie etwa für den Knotenpunkt am Bismarckring vorgeschlagen wurde. Die Signalintervalle an großen Kreuzungen seien ein sehr komplexes System und eine Wissenschaft für sich, das von Spezialisten mit Kosten von bis zu 30000 Euro erarbeitet werden müsse, erklärte von Winning. Einig waren sich alle Beteiligten über die gefährliche Situation für Radfahrer auf dem Schutzstreifen der Neuen Straße. Hier würden Autofahrer die Radler oft mit einem nicht ausreichenden Abstand überholen. „Bei der Planung vor 15 Jahren ist hier etwas schief gelaufen“, räumte von Winning ein. Damals sei man davon ausgegangen, dass sich der Radverkehr über andere Wege leiten ließe.
Auch wenn der Baubürgermeister beim Treffen mit den Radfahraktivsten keine konkreten Versprechungen machen wollte, bedankte er sich für die eingebrachten Vorschläge: „Ich freue mich über diese Ideen und Gedanken der Radfahrerlobby, weil sich gewöhnlich die Autofahrer mehr zu Wort melden.“
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