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Ulm: Ausstellung im Museum Ulm: Wenn die Software zur Schöpferin wird

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Ausstellung im Museum Ulm: Wenn die Software zur Schöpferin wird

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    Die Käfer, die sie rief: Sabine Wieluch zwischen den von ihrem Bot „Bugs & Beetles“ generierten Insekten.
    Die Käfer, die sie rief: Sabine Wieluch zwischen den von ihrem Bot „Bugs & Beetles“ generierten Insekten. Foto: Alexander Kaya

    Das Museum Ulm braucht keinen Kammerjäger: Die Käfer, die in der neuen Ausstellung ausschwärmen, gibt es nur digital, auf Bildschirmen und als Projektion. Dafür in millionenfacher Ausführung: Die Form der Fühler und Beinchen, die Farbe der Flügel, alles kann man selbst bestimmen – oder einfach die Software entscheiden lassen, wie das Insekt aussieht. „Generative Art“ nennt man diese junge Form der Kunst, bei der der Künstler nicht mehr das Endprodukt erschafft, sondern nur die Regeln beziehungsweise den Code festlegt. Den Rest besorgt ein Programm.

    „Code/Kunst“ heißt die Präsentation von Sabine Wieluch alias Bleeptrack im Museum. Die gebürtige Weißenhornerin, die in Buch lebt, stellt im Museum aus, weil eine Fachjury, zu der auch Museumsleiterin Stefanie Dathe gehörte, sie mit Förderpreis Junge Ulmer Kunst in der Sparte Bildende Kunst ausgezeichnet hat. Was insofern bemerkenswert ist, als Wieluch eigentlich nicht aus der Kunst-, sondern aus der Hackerszene kommt. Derzeit arbeitet die Medieninformatikerin an der Uni Ulm an ihrer Dissertation in Neuroinformatik, es geht um maschinelles Lernen. Mensch und Maschine, Kreativität und Code – das sind die Themen im Leben der 27-Jährigen, die sich auch im Ulmer Verschwörhaus engagiert.

    Der Bot "Bugs & Beetles" erschafft alle sechs Stunden einen neuen Käfer auf Twitter

    Aber zurück zu den Käfern, die zum Projekt „Bugs & Beetles“ gehören. Diese bleiben nicht im Museum, ein Bot, also eine automatisch arbeitende Software, postet alle sechs Stunden ein neues Tierchen auf den Kurznachrichtendiensten Twitter und Mastodon. Ganz ähnlich funktioniert „Touritafel“, das anhand von Informationen aus Datenbanken touristische Hinweistafeln generiert, wie sie entlang von Autobahnen aufgereiht sind. Dabei entsteht unterhaltsamer Blödsinn wie „Pittenharter Riesen-Kunstherz“, „Walisische Tripelharfe Busenhausen“ oder „Schafmilchdorf Nöda“, mehr oder weniger passend grafisch illustriert.

    Die Blütenzeichnungen aus dem Computer von Bleeptrax sind verblüffend schön

    Bloßer Nonsens ist das allerdings nicht. Wieluchs Arbeit an der Grenze von Bildender Kunst und Informatik zeigt, wie nah Realität und algorithmisch generierte Welten einandern inzwischen kommen. Kulturpessimismus oder dystopische Szenarien sind der Schöpferin/Programmiererin aber fremd, ihr geht es darum, ästhetische Potenziale im Digitalen zu nutzen – und diese ins analoge Leben zu übertragen. Beispielsweise mithilfe von Stiftplottern, die computergenerierte Blütendarstellungen auf Papier übertragen, eine nach der anderen. Das Ergebnis ist verblüffend – verblüffend schön. Die Kunst sei dabei, erklärt Bleeptrack, der Software das richtige Maß an Freiheit zuzugestehen. Sind die Regeln zu streng, ähnelten sich die Ergebnisse zu sehr, sind sie zu lax, gehe der Zusammenhang verloren.

    „Code/Kunst“ ist eine Ausstellung mit Medienkunst – aber zu sehen sind Blumen, Blätter und Käfer. Natur und digitale Welt schließen sich für Wieluch nicht aus, das Haus, in dem sie lebt, steht direkt am Waldesrand. Dort habe sie aber auch einen guten Internet-Anschluss, sagt sie und lacht. (mgo)

    Die Ausstellung wird am Freitag, 8. November, um 17 Uhr im Museum Ulm eröffnet. Um 19 Uhr beginnt dann die Verleihung des Förderpreises Junge Ulmer Kunst im Stadthaus. „Code/Kunst“ läuft danach bis 23. Februar 2020.

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