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Ulm: Auf Flügeln der Fantasie: So fühlt es sich an, auf den Berblinger-Turm zu klettern

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Auf Flügeln der Fantasie: So fühlt es sich an, auf den Berblinger-Turm zu klettern

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    Wie hat sich Albrecht Ludwig Berblinger gefühlt bei seinem Flugversuch im Jahr 1811? Der neue Turm am Ulmer Donauufer lässt es erahnen.
    Wie hat sich Albrecht Ludwig Berblinger gefühlt bei seinem Flugversuch im Jahr 1811? Der neue Turm am Ulmer Donauufer lässt es erahnen. Foto: Alexander Kaya

    Bis jetzt kann man den neuen Berblinger-Turm an der Adlerbastei nur aus der Ferne sehen, noch ist er abgesperrt. Am 25. Juni wird er eingeweiht. Dann dürfen die ersten Besucher die 88 Stufen bis zur Plattform hochsteigen und sich mit allen Sinnen in den Schneider von Ulm hineinversetzen, der taggenau vor 209 Jahren von dieser Stelle aus seinen Flugversuch wagen musste. Wie es sich anfühlt dort oben? Ein journalistischer Selbstversuch vorab war erlaubt.

    Der fragende Blick von unten, dem um 10 Grad geneigten, dicken Stahlpfeiler entlang, an dem die Stufen des Turmes montiert sind, geht durch ein rot-weißes Gittergewirr bis zum Himmel – und das nicht einfach nur rund um den Mittelpfeiler, sondern man entdeckt zwei schwungvolle seitliche Spitzen. Diese 88 Stufen, immer abwechselnd in Rot und Weiß, wirken so leicht und fragil, dass man sich fragt, ob man während des Aufstiegs Herzklopfen bekommen wird.

    Mit Höhenangst sollte man den Berblinger-Turm nicht besteigen

    Und dann geht es also los: Wer Höhenangst hat, sollte sich nicht unbedingt auf die Gitterstufen wagen. Ein seitliches Geländer erklärt dem Kopf zwar, dass da Sicherheit ist – aber der Blick geht quasi ungebremst und frei in jede Richtung – nach oben in die nicht mehr besteigbaren „Flügel“ hinein, nach unten durch die Treppen hindurch auf weitere rot-weiße Gitter und den Boden und bei jeder Windung der Wendeltreppe höher über die Stadt und die Landschaft. Die optische Wirkung ist stark, die akustische – die Hörspiele zum Aufstieg – wird erst nach der Eröffnung zu erleben sein. Aber da ist eben so viel mehr an Sinneswahrnehmungen als nur das Sehen: Es sind vor allem der Gleichgewichtssinn und die Körperempfindung, die während des Aufstiegs gleichsam alle „Fühler“ ausstrecken wegen der ungewohnten Erfahrung. Ja, der Turm schwankt; sobald sich ein anderer Mensch irgendwo auf dem Turm bewegt, spürt man: Der Boden, auf dem man steht, ist nicht unverrückbar fest.

    Der Wind streicht über den Körper hinweg, da ist keine schützende Wand, hinter der man sich verstecken könnte. Schaut man direkt nach unten, ist dort der Ufersaum der Donau. Ob Berblinger sich so ähnlich gefühlt haben mag, am 30. Mai 1811, als er auf einem Holzgerüst auf der Adlerbastei den angekündigten Flugversuch vor König Friedrich I. abbrach, und am 31. Mai, als er noch einmal auf das Gerüst in eine Höhe von 20 Metern stieg und letztlich – angerempelt – vom Podest springen musste? Natürlich, der Blick in die Landschaft ist schön, der stärkste Eindruck auf dem Turm aber ist der einer fast schwindelerregenden Ausgeliefertheit an die Kräfte der Natur. Die Fantasie hat Freiheit: Was wäre eigentlich geschehen, wenn Berblinger am anderen

    Die Gefühlswelt des Berblingers spürt man auf dem Turm

    Der Blick geht nach oben, hinein in das Gewirr der letzten Flügelelemente oberhalb der Plattform. Nein, die Füße stehen fest auf Metall. Das Rot-Weiß oberhalb ist nicht der Taumel des abstürzenden Fluggeräts. Nein, es ist 2020 und nicht 1811 und man ist nicht Berblinger. Der Turm ist aus Stahl und nicht aus Holz und die „Flügel“ über dem Kopf sind ebenfalls aus

    Der Abstieg: Noch einmal vertraut man sich dem leichten Schwanken an, diesmal geht der Blick nach unten durch die Gittertreppen. Der Boden kommt näher, der feste Erdboden. Geschafft! Das Erlebnis wirkt nach – und gibt der Fantasie Flügel.

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