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Ulm: Als Türme und Lauben goldene Dächer trugen

Ulm

Als Türme und Lauben goldene Dächer trugen

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    Ein besonderer Luxus, den sich die Stadt Ulm leistete: Die Turm-Dachziegel in Grün-Blau zeigen deutlich glänzende Goldspuren.
    Ein besonderer Luxus, den sich die Stadt Ulm leistete: Die Turm-Dachziegel in Grün-Blau zeigen deutlich glänzende Goldspuren. Foto: Dagmar Hub

    Innsbruck hat sein Goldenes Dachl, das zwar nur aus feuervergoldetem Kupfer ist, und Prag wird die „Goldene Stadt“ genannt, weil seine zahlreichen Sandsteintürme in der Sonne aus der Ferne golden schimmern. Städte zeigten im späteren Mittelalter gern ihren Glanz und ihre Macht schon von Weitem. Doch Ulm, von dem man um 1500 sagte, sein Geld regiere die Welt, hatte am Ende des Mittelalters etwas ganz Besonderes, von dem der Leonberger Bauhistoriker Ulrich Knapp sagt, Vergleichbares sei ihm überhaupt nur in der Budapester Burg bekannt:

    Ziegel vom Dach der Laube des Schwörhauses

    Im Ulmer Museum sind Ziegel eingelagert, unter deren transparenter Glasur Blattgoldplättchen sie heute noch golden leuchten lassen. Woher sie stammen? Knapp vermutet, dass die Ende des 19. Jahrhunderts in einem Dachraum des Rathauses entdeckten Ziegel vom Dach der Laube des Schwörhauses stammen. Wahrscheinlich wäre dann, dass sie bereits das Dach von dessen 1612 abgebrochenem Vorgängerbau, dem „Schwörhäusle“, das an den hohen mittelalterlichen Wehrturm „Luginsland“ angebaut war, glänzen ließen.

    Dazu: Tag des offenen Denkmals: Ulm verkündet die Botschaft der Steine

    Auch wenn diese Ziegel die einzigen sind, deren Gold heute noch auf den ersten Blick sichtbar ist: Stadtarchivdirektor Michael Wettengel weiß von den Dachziegeln mehrerer Türme, in deren Glasur Gold verarbeitet war – darunter das Türmchen auf dem Rathaus und die Dächer von Gänsturm, Metzgerturm und Gremlinger Turm, den der erste Ulmer Stadtchronist Felix Fabri im 15. Jahrhundert beschrieb.

    Der runde Gremlinger Turm hatte 1446 dem Ausbau der Ulmer Stadtbefestigung weichen müssen. Vom auch „Grüner Turm“ genannten Bauwerk, dessen Reste bei den archäologischen Grabungen an den Sedelhöfen entdeckt wurden, untersuchte der Ulmer Augenarzt Hans-Walter Roth Ziegelreste mikroskopisch und spektrografisch. Sein Ergebnis: Der Glasur der Ziegel waren in der obersten Schicht feinste Mengen an Blattgold beigemischt, was die Ziegel in normalem Tageslicht in einem bläulichen Grün erscheinen, bei direkter Sonneneinstrahlung aber golden leuchten ließ. „So etwas konnten sich in dieser Zeit nur wenige Städte leisten“, sagt Roth. Seine spektrografischen Mikroaufnahmen zeigen deutlich glänzende Goldspuren im Grün-Blau der Glasur. Es ist also davon auszugehen, dass es zwei verschiedene Techniken gab, Dachziegeln einen Goldglanz zu geben: durch das direkte Auflegen von Blattgold unter eine transparente Glasur, und – als weniger kostspielige Variante – durch das Einmischen von feinen Goldpartikelchen in die Glasur.

    Wer aber stellte solche Ziegel her, die nur auf kleine Dachflächen repräsentativer Bauten kamen? Wer hatte das Recht, sie zu brennen? Das sind im Falle Ulms auch für den Bauhistoriker Ulrich Knapp ungeklärte Fragen, denn die goldenen Ziegel, die wohl auf der Laube des Schwörhäusles ihren Ort gehabt haben mögen, sind kleine Flachziegel, im Format ganz anders als die üblichen naturroten Dachziegel jener Zeit. Ziegler, sagt Knapp, durften besondere – wie bunt glasierte – Ziegel oft nicht herstellen, sondern sie waren eher Auftragsarbeiten an Hafner – Handwerker, die Töpfereiwaren und farbig glasierte Kacheln für Öfen herstellten. Im Fall der Stadt Ravensburg ist sogar ein Rechtsstreit darüber bekannt.

    Wo die Scherben der Dachziegel vom Grünen Turm mit ihren feinen Goldresten heute sind, weiß Hans-Walter Roth: Sie wurden mit anderem Bauschutt beim Gleisbau auf der Schwäbischen Alb verwendet. Nicht jeder könne sich den Luxus solch besonderen Baumaterials leisten, sagt Roth lachend – und schränkt ein, dass sich der reine Goldpreis der staubkleinen Partikelchen im Bereich von einigen Euro belaufen dürfte. Im Ulmer Museum dagegen lagern jene Ziegel, deren Blattgoldauflage noch klar zu erkennen ist.

    Der Bauhistoriker Ulrich Knapp hält in der Nacht des offenen Denkmals am morgigen Samstag, 7. September, um 20 Uhr einen Vortrag im Saal des Steinhauses in der Neuen Straße. Thema von Knapps Vortrag sind die farbig verglasten Dachziegel im Ulmer Stadtgebiet.

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