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Ulm: Aktion gegen den Kultur-Shutdown: Das Theater Ulm verhüllte seine Fenster

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Aktion gegen den Kultur-Shutdown: Das Theater Ulm verhüllte seine Fenster

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    Die Glasfenster und Türen des Theaters Ulm sind als sichtbares Zeichen gegen die Schließung der Bühnen plakatiert.
    Die Glasfenster und Türen des Theaters Ulm sind als sichtbares Zeichen gegen die Schließung der Bühnen plakatiert. Foto: Andreas Brücken

    Das Theater Ulm ist geschlossen – und die Glasfenster an der Fassade sind blickdicht verhüllt. Die Fensterscheiben hat das Theater an der Olgastraße mit Zetteln verklebt und wenn man etwas näher tritt, sieht man, dass es die Spielpläne für den November sind, die hier den Blick ins Innere versperren. Es sind Pläne, durch die der Kultur-Shutdown einen Strich gemacht hat. Nichts geht mehr. Auf Displays, zwischen den Plakaten, leuchten Schlagwörter auf: „Kunst verboten“, „Zwangsweise verboten“. Mit dieser Aktion will das Theater sein Unverständnis und seinen Unmut über das Veranstaltungsverbot ausdrücken. Eine sichtbare Protestaktion gegen die bundesweite Schließung der Theater im November.

    Das Theater Ulm will nicht nur als Einrichtung zur Freizeitgestaltung gelten

    In einem offiziellen Statement spricht die Theaterspitze, rund um Intendant Kay Metzger, von einer „Irritation über den ’Kulturbegriff’ in den Verlautbarungen der Bundes- und Landespolitik“. Der Stein des Anstoßes: Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sowohl Bordelle wie auch Theater als „Einrichtungen“ zur „Freizeitgestaltung“ eingestuft. Das hatte sie am 28. Oktober so formuliert, nach Beratungen mit den Ministerpräsidenten der Länder. Unter „Freizeit“ fallen im Beschluss-Papier sehr unterschiedliche Sparten: Theater, Konzerthäuser, Messen, Kinos, Freizeitparks, Spielhallen, Wettannahmestellen – und „Prostitutionsstätten, Bordelle und ähnliche Einrichtungen“. Die Kanzlerin begründete den breiten Kultur-Shutdown mit drastisch steigenden Infektionszahlen – während zu viele Ansteckungsketten und Verbreitungswege ungeklärt bleiben. Aber nach allen Bemühungen um coronagerechte Bühnen-Aufführungen in diesem Jahr scheint das Theater Ulm die grobe Kategorisierung „Freizeit“ nicht nachvollziehen zu können.

    „Im Frühjahr hat man schon gespürt, was uns fehlt“, sagt Johanna Kienzerle, Vorsitzende des Fördervereins „Theaterfreunde Ulm“. Im Frühling erlebte die Kultur den ersten Shutdown. Jeweils 99 Zuschauer konnten im Sommer noch das „Zwischenspiel“ am Theater Ulm erleben, und mit einer Kapazität von 200 Gästen startete das Ensemble in den Herbst. Jetzt herrscht wieder Krisenstillstand. „Ich hatte mir gewünscht, dass die Politik die Lage diesmal differenzierter betrachtet“, erklärt Kienzerle. Deshalb wendet sich ihr Verein nun auch mit einem Brief an den Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann.

    Wäre es möglich, trotz steigender Fallzahlen, die Theater offen zu lassen?
    Wäre es möglich, trotz steigender Fallzahlen, die Theater offen zu lassen? Foto: Andreas Brücken

    Müssen Theater in der Corona-Zeit geschlossen werden?

    „Das Theaterpublikum verhält sich diszipliniert und umsichtig“, heißt es in dem Schreiben. „Uns ist nicht bekannt, dass von derartigen Kulturveranstaltungen ein Infektionsgeschehen ausgegangen ist.“ Ein Theaterbesuch sei, was die Risiken betrifft, kaum mit Besuchen von Klubs oder Discos zu vergleichen. Der Brief endet mit der Bitte, eine rechtliche Lösung für die Zeit ab Dezember zu finden, mit Spielbetrieb.

    Eines möchte Kienzerle betonen: „Wir sind auf keinen Fall Masken-Verweigerer oder Corona-Leugner. Maske und Abstand, das ist wichtig und vollkommen in Ordnung.“ Sie bemühe sich selbst auch um Rücksichtnahme und „Social Distancing“. „Aber diese undifferenzierte Schließung macht mir ein komisches Gefühl.“ Im Podium und im Großen Haus des Theaters sei Abstand möglich, sagt Kienzerle. Sie befürchtet zudem, dass sich die angespannte Corona-Debatte in Deutschland weiter zuspitze, wenn die Regeln nicht nachvollziehbar seien.

    Die Theaterfreunde wollen das Theater Ulm in der Krise unterstützen

    Kienzerle glaubt nicht, dass die einzelne Meinung ihres Vereins Eindruck hinterlässt bei der Politik – aber sie hoffe, dass die Summe aller kritischen Stimmen etwas bewegen könne. Sie vermisse den direkten Zugang zur Kultur: „An meiner Pinnwand hängt noch die Karten für den ’Barbier von Sevilla’“ – eine der verschobenen Opernpremieren. Zur Unterstützung haben die Theaterfreunde nun einen Jahreskalender für 2021 entworfen, mit Motiven vom Theater – bald soll er zum Verkauf stehen, für den guten Zweck.

    Ulms Theater geht indessen auch in den digitalen Streik: Als Beitrag zur bundesweiten Kampagne „Ohne Kunst und Kultur wird’s still“ will das Haus im November keine Theaterangebote im Internet bereitstellen. Das war im Frühjahr anders: Ab März hatte das Ensemble mit Videos und Aktionen seine Social-Media-Kanäle bedient. Hinter blickdichten Fenstern geht der Probenbetrieb aber weiter – mit Abstands- und Hygieneregeln und „Kurzarbeit von Teilen der Belegschaft“. Das Theater hofft laut seinem Statement, dem Publikum im Dezember „wieder einen anregenden und sicheren Theaterbesuch“ zu ermöglichen.

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