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Tradition: Bindertanz: Der Letzte seiner Art beehrt Neu-Ulm

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Bindertanz: Der Letzte seiner Art beehrt Neu-Ulm

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    Karl Faßnacht in Aktion auf dem Fass: Der historische Tanz der ehemaligen Ulmer Küferinnung, der Bindertanz, ist bereits Jahrhunderte alt. Am Sonntag wurde er auf dem Neu-Ulmer Rathausplatz aufgeführt.
    Karl Faßnacht in Aktion auf dem Fass: Der historische Tanz der ehemaligen Ulmer Küferinnung, der Bindertanz, ist bereits Jahrhunderte alt. Am Sonntag wurde er auf dem Neu-Ulmer Rathausplatz aufgeführt.

    Ein Jahr ist es her, als das letzte Fass „Made in Ulm“ die Stadt verlassen hat. Und hilft vermutlich zur Stunde in einer Winzerei im Raum Stuttgart einem Trollinger, Lemberger oder Riesling, zur Reife zu gelangen. Karl Faßnacht war 30 Jahre Obermeister der Küferinnung

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    Am Wochenende kramt er die überdimensional gestalteten Zunft-Insignien wieder aus. Denn beim (Fass-) Bindertanz, der nur alle vier Jahre stattfindet, leben die Traditionen der Ulmer Küferinnung weiter. Am Sonntag kam der Neu-Ulmer Rathausplatz in den äußerst seltenen Genuss, Schauplatz einer Ur-Ulmer Tradition zu sein. „Das ist unser Geschenk zum Stadtjubiläum von

    Bindertanz ist einer nur zwei echt ulmischen Tänzen

    Nachdem sich die Innung auflöste, ist nun die Stadt Ulm der Hüter einer Tradition, die ihren Ursprung im Jahr 1551 hat. „Ich bin der Stadt sehr dankbar“, sagt der 67-jährige Faßnacht. Denn eine Tradition am Leben zu erhalten, die nur alle vier Jahre auflebt, sei beispielsweise in einem Verein eher problematisch. Noch hat die Stadt aber mit Faßnacht einen rüstigen echten Küfermeister an vorderster Front. Mit einem Glas Rotwein in der Hand steht Faßnacht auf einem Fass und ist Mittelpunkt eines von nur zwei echt ulmischen Tänzen. Der andere ist der Tanz der Fischer, der ebenfalls – im Wechsel mit dem Bindertanz – nur alle vier Jahre beim Fischerstechen aufgeführt wird.

    „Der Ulmer Bindertanz besteht aus acht Figuren und wird nach einem Musikstück (Valeses nobles Opus 77) von Franz Schubert getanzt“, notierte Obermeister Ernst Lohrmann 1980. Faßnacht hat das Schriftstück aufgehoben, die ganz alten sind heute im Museum oder Stadtarchiv. Die Küfergesellen haben den Reiftanz im Jahr 1745 für sich entdeckt und ihn von da an zur Ulmer Tradition werden lassen. Damals beantragten sie erstmals beim Rat, am Schwörtag vor den Häusern ihrer Kunden tanzen zu dürfen.

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    50 Personen waren am Sonntag beteiligt, als sich der Zug in Wiblingen am Klosterhof erstmals in Bewegung setzte. Zum Tanz marschieren die Binder in einer Prozession, geführt vom Fahnenträger mit der Zunftstandarte. Ihm folgen drei Binderbuben mit den Zunft-Insignien und der Fassroller. Das ist dieses Jahr Wilfried Buchelei, der ein 20 Kilo schweres 120-Liter-Fass auf der Kante vor sich her rollt. „Das könnten Sie nicht“, sagt Faßnacht. Es gehöre viel Übung dazu.

    Im März begann die Tanzgruppe mit den Proben. „Es ist ein sehr einfacher Tanz“, sagt der Ur-Söflinger Faßnacht. Doch nach vier Jahren Pause gehe das dann doch nicht von selbst. Zumal es auch immer wieder Neuzugänge gibt. „Nachwuchssorgen haben wir keine.“ Echtes Brauchtum wie der Bindertanz erlebe aus Sicht des letzten Obermeisters der Küferinnung wieder eine Renaissance. Faßnacht hat sogar die Qual der Wahl: 16 Tänzer führen die Gruppe an, doch 20 seien immer bei den Proben dabei.

    Nicht fehlen darf auch immer der Friseur, der sich um die Perücken kümmert. Das ist seit Jahren der Part von Christian Gnann, der schaut, dass die wattierten Rokoko-Locken auch richtig sitzen. Gefragt ist optimale Koordination mit dem schwarzen Hut. Denn die Perücken sind eigentlich nur eine Art Haarkranz, auf dem dann der Dreispitz, eine typische Kopfbedeckung des 17. Jahrhunderts, sitzt. Friseur Gnann muss die Teile dann nach Regen trocknen und in Form bringen. Und nach dem Schwörmontag einlagern, um sie vier Jahre später wieder aus dem Schrank zu ziehen.

    Auf den Kompost hingegen kommen dann die Buchsbaumzweige, mit denen die Holzbögen umwickelt sind, die die Tänzer tragen. Dieses Jahr war die Gestaltung der Girlande allerdings problematisch: Weil der gefürchtete Schädling Buchsbaumzünsler die grünen Zweige zu einem knappen Rohstoff machte.

    Der Zeitplan für die Schwörwoche

    Wer den Auftritt am Sonntag verpasst hat, der hat noch kommendes Wochenende die Gelegenheit, eine der ältesten Traditionen der ehemaligen Reichsstadt Ulm zu sehen. Und zwar am Sonntag, 21. Juli, ab 16 Uhr in der Ulmer Innenstadt. Den Anfang macht der Kornhausplatz, der Schlusspunkt wird um 18 Uhr am Marktplatz gesetzt. Am Schwörmontag tanzen die Binder im Rahmen der Schwörfeier auf dem Ulmer Weinhof. Die beginnt um 11 Uhr.

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