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Senden/Ulm: Warum das Sendener Holzkraftwerk still steht

Senden/Ulm

Warum das Sendener Holzkraftwerk still steht

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    Strom wird hier derzeit nicht produziert: Der neue Eigentümer und Betreiber dieser Anlage – seit dem 1. Januar 2018 die Firma Blue Energy Europe beziehungsweise deren eigens dafür gegründetes Tochterunternehmen Blue Energy Syngas – sucht ein neues Konzept.  	„Wir kriegen das Ding in den Griff.“
    Strom wird hier derzeit nicht produziert: Der neue Eigentümer und Betreiber dieser Anlage – seit dem 1. Januar 2018 die Firma Blue Energy Europe beziehungsweise deren eigens dafür gegründetes Tochterunternehmen Blue Energy Syngas – sucht ein neues Konzept. „Wir kriegen das Ding in den Griff.“ Foto: Alexander Kaya

    Einst galt das 33-Millionen-Euro-Kraftwerk in Senden als zukunftsweisendes Projekt der Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm (SWU). Jetzt steht es still. Wie die Firma Blue Energy Europe, die das Holzgas-Heizkraftwerk vor einem Jahr den SWU abkaufte, mitteilt, habe eine Reihe von Faktoren zu dieser Entscheidung geführt. Das Fass zum Überlaufen brachte nach Angaben von Blue-Energy-Gründer Jochen Sautter ein Leck im Kühlkreislauf sowie eine fehlende Teil-Genehmigung. „Wir nehmen uns nun die Zeit, uns über die Zukunft des Kraftwerks Gedanken zu machen“, sagt Sautter.

    Überraschend sei das vorübergehende Aus für ihn nicht: „Manchmal brauchen wir auch zwei bis drei neue Anläufe.“ Denn problematische Energieanlagen im Bereich erneuerbarer Energien auf den Erfolgsweg zu bringen, ist der Unternehmenszweck von Blue Energy. Und problematisch sei das Sendener Heizkraftwerk allemal. Auch – oder gerade – weil es als deutschlandweit erstes und bislang einziges Holzvergasungskraftwerk in einer praxisrelevanten Größe ein Vorreiter sei. Über den Kaufpreis wurde von beiden Seiten bei Vertragsabschluss Stillschweigen vereinbart. Sautter bestätigt nur, dass seine Firma weniger als die Investitionskosten über 33 Millionen Euro an die SWU überwiesen habe.

    Und das Geschäft soll sich lohnen: Verschiedene Studien seien nun angelaufen, die herausfinden sollen, wie das Kraftwerk in die Gewinnzone geführt werden kann. Ein Abriss komme nicht infrage: Das sei eine gigantische Ressourcenverschwendung. „Wir kriegen das Ding in den Griff“, sagt Sautter, der in seiner Firma 18 Mitarbeiter beschäftigt. Und „höchstwahrscheinlich“ werde weiterhin der Brennstoff Holz verfeuert. Denn Restholz aus den Wäldern der Region gilt als nachhaltige Energiequelle. Aller Probleme zum Trotz bleibe als wesentlicher Vorteil der Holzgastechnologie nach Expertenmeinung der deutlich höhere Gesamt-Wirkungsgrad gegenüber konventionellen Biomasse-Heizkraftwerken. Neben dem Kraftwerk in Senden versuchen die Ulmer derzeit, auch ein Biomasseheizkraftwerk an einer ehemaligen Papierfabrik im finnischen Myllykoski in die Zukunft zu führen.

    Noch im ersten Quartal soll die Entscheidung feststehen, wo in Senden genau der Hebel angesetzt wird. Mit Abstrichen laufe die Technik gut: Um ein Haar hätte die Anlage einen neuen Rekord aufgestellt: Bis Oktober lief das Heizkraftwerk 5500 Betriebsstunden, ein Rekord von 6500 Stunden am Netz schien Formsache. Bis dann im November Öl durch ein Loch in den getrennten Kühlkreislauf eintrat und die Anlage abgeschaltet wurde. Wie Sautter betont, sei die 2013 gegründete Firma Blue Energy Europe kein Forschungsunternehmen, sondern müsse auch auf Wirtschaftlichkeit achten. „Irgendwann“ müsse also auch das Kraftwerk in Senden Geld abwerfen. Das hätte das 2012 errichtete Holzgas-Heizkraftwerk eigentlich schon vor Jahren tun sollen.

    SWU-Kraftwerk mit Pleiten, Pech und Pannen

    Doch immer wieder pflasterten Pleiten, Pech und Pannen den Weg des innovativen Bauwerks. Zu spät kamen die defizitären SWU zur Erkenntnis, dass Forschung, Bau und Betrieb von innovativen Erzeugungsanlagen nicht zu den Stammaufgaben eines kommunalen Energieversorgers gehören. Schon 2015 und 2016 trübten „Wertberichtigungen“ über 7,1 und 11,9 Millionen Euro aufgrund mangelnder Wirtschaftlichkeit des Kraftwerks die Bilanzen der Stadtwerke. Das vermeintliche Vorzeigeprojekt trug dann dazu bei, dass der Vertrag von Ex-SWU-Geschäftsführer Matthias Berz 2015 vorzeitig aufgelöst wurde.

    Wie nun die Stadtwerke mitteilen, sei nach einer Übergangszeit die Tätigkeit der Stadtwerke in der Anlage seit Ende November beendet. Die 15 Stadtwerke-Mitarbeiter seien seither in anderen, gleichwertigen Funktionen innerhalb der SWU-Unternehmensgruppe eingesetzt, die Weiterbeschäftigung sei garantiert. Für die Fernwärmekunden in Senden ändert sich laut SWU nichts. Sie blieben ohne Einschränkung versorgt. Produziert werde die Fernwärme nun aus Erdgas im großen Neu-Ulmer Blockheizkraftwerk Bradleystraße. Über eine sechs Kilometer lange Leitung gelangt die Wärme nach Senden. Zusätzlich steht auf dem Gelände ein Container-Blockheizkraftwerk als Reserve bereit.

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