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Senden/ Landkreis Neu-Ulm: Handwerk im Landkreis: Kleine Schneidereien haben es schwer

Senden/ Landkreis Neu-Ulm

Handwerk im Landkreis: Kleine Schneidereien haben es schwer

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    Bettina Schließer-Stadtmüller hat seit 25 Jahren eine Schneiderei in Senden. Die 49-Jährige ist zudem seit zwei Jahren Obermeisterin der Maßschneider-Innung Günzburg-Krumbach-Neu-Ulm.
    Bettina Schließer-Stadtmüller hat seit 25 Jahren eine Schneiderei in Senden. Die 49-Jährige ist zudem seit zwei Jahren Obermeisterin der Maßschneider-Innung Günzburg-Krumbach-Neu-Ulm. Foto: Alexander Kaya

    In dem Geschäft von Bettina Schließer-Stadtmüller hängt ein kleines hölzernes Schild, auf dem geschrieben steht: „Dinge, die eine Schneiderin nicht sagt: Endlich wieder Reißverschlüsse einnähen.“ In der Tat könnte das nach 25 Jahren etwas eintönig werden. So lange gibt es den Laden in Senden bereits. Glücklicherweise geht es bei „Mode nach Maß“ in aller Regel aber deutlich bunter zu. Denn jedes von Hand genähte Kleidungsstück der 49-Jährigen ist ein Unikat. Für die Zukunft ihres Berufes sieht sie allerdings vor allem eines, nämlich schwarz.

    Zusammen mit einer Teilzeitkraft stemmt Schließer-Stadtmüller aktuell den Kundenandrang in ihrer beschaulichen Maßschneiderei. „Wir waren auch schon mal zu fünft, aber die Zeiten sind lange vorbei“, sagt sie. Ab und an habe sie mal einen Praktikanten da. Dafür reiche der kleine Raum, in dem sich Nähmaschinen, Scheren, Garn und Nadeln tummeln, gerade so. „Früher war das ganz schön eng hier“, erinnert sie sich. Ihren Meisterbrief erhielt sie im Mai 1994 – zwei Monate später eröffnete sie ihren Laden.

    "Mode nach Maß" in Senden feiert 25-jähriges Bestehen

    Seitdem habe sich einiges verändert, sagt Schließer-Stadtmüller: „Die alten Handwerkstechniken können wir heute nicht mehr finanzieren, das zahlen unsere Kunden nicht mehr.“ Stattdessen müsse viel effektiver gearbeitet werden – ohne qualitative Einbußen, versteht sich. Da kommen die Maschinen ins Spiel. „Ein gutes Maschinenknopfloch ist aber auch gut“, sagt die Schneiderin, „oft sogar besser, als wenn ich das in größter Eile von Hand erledige.“ Etwa 300 Kleidungsstücke nähe sie pro Jahr.

    Dabei reicht das Angebot von einfachen Röcken für 120 Euro über Anzüge für 1400 Euro bis hin zu extravaganten Braut- und Ballkleidern, bei denen es preislich nach oben keine Grenze gibt. „Die Leute denken oft, das ist sehr teuer. Aber man muss auch sehen, welche Arbeit da drinsteckt.“ Für einen durchschnittlichen Anzug etwa arbeite sie rund 60 Stunden. Vor allem jüngere Kunden kämen aber auch oft mit einem Bild aus dem Internet zu ihr und sagen: So ein Kleid will ich auch haben, erzählt Schließer-Stadtmüller. Auch Ausgefallenes steht hin und wieder auf dem Programm. So hat die Schneiderin schon Kostüme für eine Werbekampagne der Firma Funny-Frisch genäht. Generell sei ihr Klientel aber bodenständig und um die 50 Jahre aufwärts. Schließer-Stadtmüller hat dafür eine einfache Erklärung: „Den jungen Leuten fehlt meist einfach das Geld für maßgeschneiderte Kleidung.“ Bei ihnen sei deshalb Massenware angesagt – ein Problem für die kleinen Schneider-Betriebe, sagt die Sendenerin.

    Landkreis Neu-Ulm: Schneiderin sieht schwarz für ihren Beruf

    Seit 2017 ist sie Obermeisterin der Maßschneider-Innung Günzburg-Krumbach-Neu-Ulm. In der Innung sind Schließer-Stadtmüller zufolge derzeit neun Schneider, von denen allerdings bereits vier über 70 Jahre als seien und bald ausscheiden würden. Hinzu kommt: „Es gibt kaum Nachwuchs“, sagt die 49-Jährige. Und zieht ein drastisches Fazit: „Ich denke, dass mein Beruf in den nächsten Jahren aussterben wird.“

    Die offiziellen Zahlen der Handwerkskammer (HKW) für Schwaben lassen dagegen einen anderen Trend erkennen. Für Handwerker besteht lediglich eine Pflichtmitgliedschaft in der zuständigen Kammer – die Mitgliedschaft bei einer Innung, wie sie Schließer-Stadtmüller leitet, hingegen ist freiwillig. Diese bilden lediglich einen Zusammenschluss der einzelnen Handwerksberufe, um spezifische Belange vertreten und gemeinsame Interessen fördern zu können.

    Handwerkskammer sieht Entwicklung positiv

    Laut HWK sind allein im Kreis Neu-Ulm aktuell 36 Maßschneider-Betriebe eingetragen. In den vergangen zehn Jahren gibt es demnach sogar eine positive Entwicklung: Damals seien es gerade einmal 16 Schneider gewesen. In Sachen Ausbildung sieht das Ganze etwas weniger gut aus: Azubis gebe es aktuell überhaupt keine im Landkreis. In ganz Schwaben seien es gerade einmal 17, Tendenz rückläufig. Vor zehn Jahren gab es noch 35 Lehrlinge. Susanne Sylvester von der HWK erklärt diesen Rückgang zum einen mit dem demografischen Wandel und zum anderen mit dem Fachkräftemangel. „Wir gehen nicht davon aus, dass der Beruf aussterben wird“, sagt sie allerdings. Sie erwarte hingegen eine Verlagerung hin zu großen Unternehmen, kleine Schneider-Betriebe müssten sich wohl spezialisieren.

    Für Bettina Schließer-Stadtmüller ist klar: „Meine Kinder werden keine Schneider. Die sollen machen, was ihnen Spaß macht.“ Die Zeiten, in denen ein Laden von Generation zu Generation weitergegeben wird, seien längst vorbei: „Ich persönlich könnte mir aber nicht vorstellen, etwas anderes zu machen. Dafür mache ich es einfach zu gerne.“

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