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Senden: Halbnackter Mann in Senden: Polizei ist mit Einsatz "nicht glücklich"

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Halbnackter Mann in Senden: Polizei ist mit Einsatz "nicht glücklich"

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    Das Polizeirevier Senden liegt unmittelbar neben der Einsatzort.
    Das Polizeirevier Senden liegt unmittelbar neben der Einsatzort. Foto: Alexander Kaya

    Nach zum Teil heftiger Kritik am Vorgehen der Polizei im Fall des halbnackten Mannes, der in Senden einen Kanaldeckel auf ein Auto warf, gesteht die Polizei ein, dass "auch eine schnellere Bereinigung der Lage denkbar gewesen" wäre. Man sei mit dem Verlauf des Einsatzes "nicht glücklich", so Holger Stabik, Sprecher des für den Landkreis Neu-Ulm zuständigen Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West. Detailfragen bleiben offen.

    Der 47-Jährige, der bislang polizeilich nicht in Erscheinung getreten war, hatte sich am Mittwochmittag gegen 12.30 Uhr nur mit Unterhose und Socken bekleidet auf die Straße gelegt. Nach Angaben der Polizei soll er zuvor wohl Betäubungsmittel eingenommen und anschließend eine Psychose erlitten haben. Er wurde nach seiner Festnahme ins Bezirkskrankenhaus in Günzburg gebracht.

    Was vor allem im Netz auf Kritik stieß: Zwei Beamte des Polizeireviers Senden rannten zum Einsatzort, konnten den Mann aber nicht beruhigen. "Unmittelbar" hätten sie Unterstützung angefordert, berichtet Stabik. Als der 47-Jährige einen Kanaldeckel auf ein Auto schleuderte, ergriffen offensichtlich Passanten die Initiative und überwältigten den Mann. Dieses Bild vermitteln zumindest Videoaufnahmen, die kurz nach dem Vorfall im Netz die Runde machten. Die Polizei schildert den Vorgang so: "Nach Zuspitzung der Lage durch den geworfenen Kanaldeckel entschlossen sich die Beamten zum Zugriff. Als ein Passant in diesem Moment auf den Mann zuging und von der Seite zu greifen versuchte, erfolgte nahezu zeitgleich der polizeiliche Zugriff." Der Gulli-Wurf aber hätte schlimmer enden können. Warum griff die Polizei also nicht schon früher ein?

    So erklärt die Polizei das Vorgehen beim Halbnackten in Senden

    Die Einsatzkräfte seien grundsätzlich so geschult, dass sie erst deeskalierend kommunizieren, bevor Zwang zum Einsatz kommt und sie handgreiflich werden müssen, erklärt Stabik. Das gelte insbesondere bei - wie offensichtlich auch im vorliegenden Fall - psychisch auffälligen Personen.

    An der Kreuzung Kemptener Straße/Hauptstraße lag der Mann auf dem Asphalt, ehe die Polizei eintraf.
    An der Kreuzung Kemptener Straße/Hauptstraße lag der Mann auf dem Asphalt, ehe die Polizei eintraf. Foto: Wolfinger

    Für Außenstehende, gesteht Polizeisprecher Stabik ein, könne das womöglich zu passiv wirken. Jedoch sieht es der rechtliche Rahmen auch nicht vor, einen Menschen, nur weil er auf der Straße sitzt, unter Gewaltanwendung zu überwältigen. Zudem sei ein Ziel immer, dass niemand verletzt werde - weder die Einsatzkräfte noch der Gegenüber. Denn was hätte es gebracht, fragt Stabik, wenn die beiden Polizisten versucht hätten, den 47-Jährige mit durchaus gestandener Statur sofort, aber alleine unter Kontrolle zu bringen?

    Gullideckel-Wurf kam "wohl relativ schnell und überraschend"

    Vom Zeitpunkt des Eintreffens an hätten die Beamten daher versucht, kommunikativ deeskalierend auf die Person einzuwirken. Was im Detail gesprochen wurde, konnte Stabik nicht sagen. Auch auf den Videos ist das nicht klar zu verstehen. Dass der Mann dann einen Kanaldeckel warf, kam laut Stabik "wohl relativ schnell und überraschend". Im Nachhinein aber kommt die Polizei zu dem Entschluss: "Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben und den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Eigensicherung wäre sicherlich auch eine schnellere Bereinigung der Lage denkbar gewesen."

    Man werde den Fall unter die Lupe nehmen und intern nachbereiten, sagt Stabik. Dazu müssten bestimmte Details überprüft und geklärt werden. Offen bleiben unter anderem folgende Fragen:

    • Warum traf in Anbetracht dessen, dass sich das Polizeirevier in unmittelbarer Nähe zum Einsatzort befindet, nicht sofort Verstärkung ein?
    • Was passierte zu der Zeit im Polizeirevier?
    • Inwiefern fand unter den Passanten und der Polizei eine Abstimmung vor der Überwältigung statt?

    Zu 100 Prozent zufrieden, sagt Stabik, sei man bei der Polizei mit dem Ablauf des Einsatzes nicht. Letztendlich aber wurde niemand verletzt und der Mann konnte nach weniger als fünf Minuten nach Eingang der Mitteilung bei der Polizei festgenommen werden.

    Video vom Einsatz wurde nach Anzeige aus dem Netz genommen

    Überprüfen und klären will die Polizei weiterhin, ob das Filmen des Einsatzes rechtliche Konsequenzen haben könnte. Es kämen Vergehen nach dem Kunsturhebergesetz und dem Strafgesetzbuch in Frage. "Daneben wird das Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit nach der Datenschutzgrundverordnung geprüft", erklärte Polizeisprecher Holger Stabik.

    Das Geschehen wurde nach bisherigen Ermittlungen von drei Menschen aus Autos und einem Gebäude heraus aufgenommen. Danach landeten die Videos im Internet. Die Polizei sucht nun die Urheber dieser Aufnahmen. Ein Video wurde nach Angaben der Polizei aufgrund einer Anzeigenerstattung wieder aus dem Netz entfernt.

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