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Schule: Wenn Mäuse mit Elefanten lernen

Schule

Wenn Mäuse mit Elefanten lernen

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    Ihre Arbeitsblätter holen sich die Kinder in der Kombiklasse selbst (rechts) – wenn eine Frage auftaucht, steht Klassenleiterin Christine Kröner (links) aber sofort mit Rat und Tat zur Seite.
    Ihre Arbeitsblätter holen sich die Kinder in der Kombiklasse selbst (rechts) – wenn eine Frage auftaucht, steht Klassenleiterin Christine Kröner (links) aber sofort mit Rat und Tat zur Seite. Foto: Fotos: Schuster

    Burlafingen Die Arbeitsblätter liegen auf dem Boden, daneben ein Plüschelefant und eine Plüschmaus. Janina, Aalischa und Alex laufen quer durchs Zimmer. Klingt so gar nicht nach Schulunterricht – ist es aber. Und zwar in der sogenannten Kombiklasse an der Burlafinger Grundschule, in der Erst- und Zweitklässler gemeinsam lernen. Oder genauer gesagt: neun Mäuse und 14 Elefanten. „Immer von Erst- oder Zweitklässlern zu reden, wäre viel zu anstrengend“, sagt Klassenleiterin Christine Kröner. Deshalb heißen die Kleinen

    An den jeweiligen Stapeln bedienen sich die Kinder selbst. Zurück auf ihren Plätzen ordnen Aalischa und Janina dann einzelne Satzteile zu sinnvollen Sätzen. Die Erstklässlerin Lea und ihre Tischnachbarin bilden indessen aus wild durcheinander gewürfelten Buchstaben richtige Wörter. „Wenn die Mäuse damit fertig sind, dürfen sie sich bei den Aufgaben der Elefanten bedienen“, ruft Christine Kröner ins Klassenzimmer.

    Kinder, die schneller sind, dürfen in der Kombiklasse auch schneller lernen. Zwei Mäuse machen jetzt schon bei den Elefanten mit, erzählt die Pädagogin stolz. Vor allem in Mathematik, wo die Kleinen nur bis 20 rechnen, die Großen aber schon bis 100. Wenn die beiden auch in Deutsch solche Fortschritte machen, können sie nächstes Jahr – sofern die Eltern einverstanden sind – direkt in die dritte Klasse wechseln. „Es wäre ja schade, wenn ein Kind auf der Stelle tritt.“

    Unterricht für verschiedene Jahrgangsstufen? Halb so wild

    Christine Kröner ist zugleich Rektorin an der Grundschule in Burlafingen und hat sich zu Beginn dieses Schuljahres auf das Experiment Kombiklasse eingelassen. Eine Klasse zu unterrichten, in der die einen gerade erst das Alphabet lernen, während die anderen schon ganze Sätze schreiben können, erscheint nicht einfach. Sei aber halb so wild, sagt Kröner nun, ein halbes Jahr später.

    In der fünften Stunde steht Deutsch auf dem Stundenplan. Dass man Brief mit „ie“ schreibt, könne man beim Sprechen nicht hören, erklärt die Lehrerin – und ordnet es den „Merkwörtern“ zu. „Die Mäuse müssen sich das aber eigentlich noch nicht merken“, fügt sie hinzu. Aber schaden könne es trotzdem nicht. Das Wort singen hingegen schreibt man wie man es spricht. Das sei einfach, für die Elefanten also ein Kinderspiel. Doch Erstklässlerin Lea protestiert. „Dann markier es dir, wenn es dir schwierig erscheint“, sagt Kröner.

    Natürlich sei es am Anfang eine Herausforderung gewesen, den Unterricht für alle passend zu gestalten. „In Heimat- und Sachkunde haben die Kleinen dann einfach was zum Ausschneiden und Kleben bekommen, während die Großen was aufschreiben mussten“, erzählt sie. Bei Diktaten mussten die Erstklässler nur einen Lückentext ausfüllen, während die Zweitklässler jedes einzelne Wort zu Papier brachten. „Das hatte zur Folge, dass die Kleinen sofort fertig waren und sich langweilten“, erinnert sich Kröner. Neue Unterrichtsformen erfordern eben neue Ideen. „Alle im Gleichschritt – das geht hier nicht mehr.“

    Nur eine Stunde pro Tag – im sogenannten Differenzierungsunterricht, wenn Kröner von einem zweiten Lehrer unterstützt wird – werden die beiden Klassen getrennt. Dann lernen die Mäuse zum Beispiel einen neuen Buchstaben, während die Elefanten das Einmaleins pauken. Proben hingegen schreiben die Erst- und Zweitklässler mittlerweile gemeinsam. Dann fragt Kröner zwar den gleichen Stoff ab, allerdings anhand unterschiedlicher Aufgaben. Da sei schon Kreativität gefragt. Denn einzige Vorgabe ist der Lehrplan, in dem die Lernziele für die jeweilige Klasse festgelegt sind. „Wie ich die erreiche und wie ich den Wissensstand abfrage, ist meine Sache.“

    Inzwischen ist die Schulleiterin aber vollends vom Modell Kombiklasse überzeugt. Nicht zuletzt, weil die Kinder viel selbstständiger arbeiten als in einer herkömmlichen Klasse. „Jeder macht selber sein Zeug, das ist doch toll“, findet Christine Kröner. Sogar kurz vor Mittag sind die Schüler noch fleißig – und das ganz ohne Frontalunterricht. Und weil sie nicht ständig vorne an ihrem Pult oder an der Tafel steht, sondern meist irgendwo im Klassenzimmer umherwuselt, bekommt die Lehrerin auch viel besser mit, was die Stärken eines Kindes sind oder wer noch Hilfe braucht.

    Auch die Eltern seien mittlerweile von dem Konzept begeistert – wenngleich anfangs doch eine gewisse Skepsis herrschte. Das gibt auch Schulamtsleiter Erwin Schlecker zu. „Aber jetzt ist es eher so, dass die Leute fragen, kann mein Kind auch noch in die Kombiklasse“, sagt Schlecker. Schließlich stecke hinter den jahrgangsübergreifenden Klassen kein Sparversuch, sondern ein klares pädagogisches Modell, wonach Kinder gemeinsam und voneinander lernen können. Wobei Schlecker nicht abstreitet, dass ein praktischer Nebeneffekt der Kombiklassen sei, dass die Schülerzahlen überall im Landkreis einigermaßen vergleichbar bleiben. Und etwa nicht in kleinen Grundschulen auf dem Land Mini-Klassen gebildet werden müssen, für die der Bedarf an Lehrerstunden gar nicht zu decken wäre.

    Auch in den Augen von Christine Kröner ist das Modell Kombiklasse längst mehr als ein Zahlenspiel: „Das ist pädagogisch höchst sinnvoll“, sagt sie voller Überzeugung.

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