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Roggenburg: Wenn die Liebe das Festival-Programm trägt

Roggenburg

Wenn die Liebe das Festival-Programm trägt

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    Die Sopranistin Catalina Bertucchi und der Diademus-Intendant Benno Schachtner sind ein Paar und erwarten in Bälde ihr zweites Kind. Das erlaubt in Corona-Zeiten die notwendige Nähe bei den Duetten.
    Die Sopranistin Catalina Bertucchi und der Diademus-Intendant Benno Schachtner sind ein Paar und erwarten in Bälde ihr zweites Kind. Das erlaubt in Corona-Zeiten die notwendige Nähe bei den Duetten. Foto: Dagmar Hub

    Es ist alles eine Frage der Perspektive, davon ist Benno Schachtner überzeugt. Eigentlich schien es kaum möglich, das Diademus-Festival für Alte Musik in Roggenburg in diesem von der Corona-Pandemie geprägten Jahr auf die Bühne zu bringen. Können die Musiker anreisen? Und lohnt es alle Mühen, wenn so viel weniger Zuschauer kommen können als sonst?

    150 Besucher sind vom Diademus-Auftakt begeistert

    Ja, das tut es, das zeigte die große Begeisterung der etwa 150 Konzertbesucher, die Karten für den Auftakt im Roggenburger Prälatenhof unter und zwischen den Apfelbäumen hatten. Intendant Benno Schachtner gelang es, mit einem überzeugenden Hygienekonzept einen brillanten Auftakt des Diademus-Festivals hinzulegen – auch wenn ein kurzer Regenschauer die Musiker zum Abbruch zwang und Musiker wie Zuschauer zum Schutz der wertvollen alten Instrumente in die Klosterkirche umziehen mussten. Dort war zwar die Akustik besser, aber blauer Himmel und Sonnenschein durch die Kirchenfenster vermittelten den Eindruck, das Wetter habe sich einen kurzen Scherz erlaubt.

    Das Diademus-Festival präsentiert zwei gegensätzliche Komponisten

    Fast erscheint es paradox, dass sich Schachtner – lange vor der Distanz erzwingenden Corona-Krise – als Motto des Festivals 2020 „Annäherungen“ gewählt hatte. Die Annäherung des Auftakts: Bach und Händel, zwei Männer, die im Leben viel gemeinsam hatten, vom Geburtsjahr über ihre überragenden musikalischen Gaben bis hin zum Umstand, dass sie zur Behandlung ihres gleichen Augenleidens dem gleichen Pfuscher aufsaßen. Und dennoch: Wie verschieden ihre Werke sind. Sie entstanden im Barock, zu einer Zeit, als die Menschen die Vergänglichkeit täglich vor Augen hatten, aber Händel bietet höfische Lust und Opernglanz, Bach dagegen tugendhaft-seliges Streben und Gottesverehrung. Ein ganzes Stück weit mag diese enorme Verschiedenheit auch auf die jeweiligen Arbeitgeber zurückgehen. Händel verstand es im höfischen London gut, sich zu präsentieren, der Leipziger Thomaskantor eckte öfter bei seinen Arbeitgebern an.

    Es fasziniere ihn, welch unterschiedliche Wirkung ein- und derselbe Ton erzeugen kann, sagt Countertenor Benno Schachtner, der zum Auftakt Bachs Kirchenkantate „Vergnügte Ruh’, beliebte Seelenlust“ sang und das Werk in seiner Moderation auch inhaltlich verstehbar machte. Schachtners Frau, die Sopranistin Catalina Bertucci, stellte dem Bachs weltliche und doch tugendhafte Arie „Sich üben im Lieben“ entgegen.

    Liebe trägt das Diademus-Programm in doppelter Hinsicht

    Überhaupt, die Liebe: Sie trug das Programm des Diademus-Auftakts in doppelter Hinsicht. Denn da die beiden Solisten des Konzerts ein Ehepaar sind, stellte die notwendige Nähe der Duette auch unter Corona-Bedingungen kein Problem dar. Um die Liebe zwischen Mann und Frau ging es dann besonders in den aufgeführten Händel-Werken, im Kammerduett „Tanti strali“ und in den Arien und Duetten aus der Händel-Oper „Giulio Cesare in Egitto“.

    Fürs Publikum war das Glück des Paares, das in Bälde sein zweites Kind erwartet, in jedem Ton und in jeder Geste spürbar: Benno Schachtner nutzte die Arie „Se in fiorito“ zu einer Liebeserklärung an seine Frau, indem er den Namen der bezaubernden Lidia gegen „Catalina“ austauschte. Überzeugender, authentischer und seelisch strahlender kann von der Liebe eigentlich nicht gesungen werden als es Catalina Bertucci und Benno Schachtner in diesen Duetten taten, und über das abschließende „Caro!Bella!“-Duett aus „Giulio Cesare“ war das Publikum so begeistert, dass das Ehepaar das Duett als Zugabe wiederholte. Benno Schachtner war vorgesehen für die Titelrolle des Julius Cäsar in einer Inszenierung der Händel-Oper am Theater Ulm für die jetzt beginnende Spielzeit, doch musste das Programm, aufgrund der Hygienevorschriften, gekippt werden.

    Begleitet wurde das Sänger-Ehepaar von den sechs Musikern der Diademus-Concertisten, die zwischen den gesungenen Partien Instrumentalwerke von Bach und Händel einander gegenüberstellten. Darunter waren das Larghetto aus Händels Violinsonate in g-Moll, großartig interpretiert von Nadja Zwiener, und weltlich-tänzerische Musik Bachs aus seiner C-Dur-Orchestersuite. Es ist alles eine Frage der Perspektive – und dessen, wie man mit Hindernissen umzugehen weiß. Dieser Auftakt gelang trotz der Hindernisse grandios. Weiter geht es am Freitag mit dem „Nachtaktiv“-Abend mit dem Klaviervirtuosen Jermaine Sprosse.

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