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Rechtsstreit: Kraftwerk in der Iller: Gericht weist Klage gegen Bau ab

Rechtsstreit

Kraftwerk in der Iller: Gericht weist Klage gegen Bau ab

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    Um dieses Wehr in der Iller bei Dietenheim gibt es seit Jahren Streit: Der Münchner Unternehmer Mathias Fontin will ein Schachtkraftwerk einbauen, der Bund Naturschutz klagt dagegen.
    Um dieses Wehr in der Iller bei Dietenheim gibt es seit Jahren Streit: Der Münchner Unternehmer Mathias Fontin will ein Schachtkraftwerk einbauen, der Bund Naturschutz klagt dagegen.

    Der Bund Naturschutz hat vor dem Verwaltungsgericht in Sigmaringen eine Niederlage kassiert. Die Klage gegen den Bau eines Schachtkraftwerks in einem Wehr bei Dietenheim wurde abgewiesen. Die Entscheidung des Gerichts wurde am Donnerstagvormittag veröffentlicht, eine Begründung lieferten die Richter noch nicht mit. Das soll erst in den nächsten Wochen erfolgen, hieß es. Die Entscheidung war von vielen Menschen in der Region mit Spannung erwartet worden. Der Rechtsstreit dürfte damit aber noch nicht ausgestanden sein.

    Damit kann das umstrittene Kraftwerk in einem Wehr bei Dietenheim wohl gebaut werden. Es soll die erste von insgesamt acht Anlagen in jenem Bereich werden. Bauherr Mathias Fontin aus München äußerte sich erfreut über die Entscheidung: „Wir wollen mit dem Bau selbstverständlich loslegen.“ Zunächst werde man auf die Ausführungen des Gerichts warten. Die Sichtweise der Richter habe sich schon in dem mehrstündigen Verfahren am Mittwoch angedeutet. Dabei standen die zu erwartenden Folgen durch den Bau des Kraftwerks im Vordergrund. Projektbetreiber und Kläger tauschten sich im Gerichtssaal aus. Die Atmosphäre sei „nicht gehässig“ gewesen, sagt Fontin im Gespräch mit unserer Redaktion. Was ihn störe, sei jedoch, dass die Gegner grundsätzlich falsche Behauptungen über das Schachtkraftwerks aufstellten. Es werde den für das Ökosystem als wichtig erachteten Transport von Steinen am Boden des Flusses (das sogenannte Geschiebe) nicht blockieren. „Alles wird vollständig weitertransportiert.“

    Geht es nach dem Bund Naturschutz, sind die Wehre in der Iller grundsätzlich eine Gefahr für Natur – und sollten entfernt werden. Das erklärt Bernd Kurus-Nägele, der Kreisgeschäftsführer des Bund Naturschutzes so: In dem einige Kilometer flussabwärts liegenden Naturschutzgebiet Untere Illerauen würden seltene Tierarten wie Kammmolche leben. Wenn sich die Iller weiter vertiefe, weil Steine nicht ankommen, trockneten Tümpel aus, Lebensräume gingen verloren. Dies dürfte laut einer EU-Richtlinie nicht sein, die eine „Verschlechterung“ verbietet, sagt Kurus-Nägele. Es handelt sich dabei aber um einen schwammigen Begriff, wie sich in dem Verfahren in Sigmaringen zeigte. „Es gibt eben keinen Paragrafen, der genau sagt, was nicht erlaubt ist.“ Die Vorgabe sei daher Auslegungssache – die Richter hätten das aber nicht so bewertet. Auch die im Prozess kritisierten Verfahrensfehler bei der Genehmigung – zum Beispiel, dass die Folgen für dort lebende Zauneidechsen nicht untersucht wurden – seien offenbar nicht als gravierend betrachtet worden. „Wir sind sehr enttäuscht“, sagt Kurus-Nägele.

    Der Knackpunkt im Verfahren: Ein Abbau (oder Umbau) der bestehenden Wehre ist weder vorgesehen noch rechtlich verankert. Es handele sich um „eine Vision“, hieß es in der Verhandlung vonseiten des Gerichts. Die von Umweltschützern als unbefriedigend empfundene Situation habe sich über Jahrzehnte entwickelt. „Dafür können wir nichts“, resümiert Fontin. Im Genehmigungsverfahren sei die Auswirkung des Kraftwerks für die Natur genau untersucht worden.

    Kleinere Anlage wie das Schachtkraftwerk würden zum Erfolg der Energiewende beitragen, sagt Fontin nach der Gerichtsentscheidung. „Nur mit Wind und Sonne geht es halt nicht.“ Die an der TU München entwickelte Anlage könne geringe Wasserfallhöhen wirtschaftlich ausnutzen. Zudem lasse es Lebewesen und Steine durch und befinde sich noch dazu unter der Wasseroberfläche.

    Baurecht hatte Fontin bereits seit Ende 2016: Das Landratsamt des Alb-Donau-Kreises in Ulm hatte eine Genehmigung erteilt. Man habe allerdings den Ausgang der Klage im Hauptverfahren abwarten wollen. Wie berichtet, war eine Beschwerde der Kläger im Eilverfahren im vergangenen Jahr bereits abgewiesen worden. Nun ist das eigentliche Verfahren genauso ausgegangen.

    Frühestens könne der Bau des Schachtkraftwerks wohl im Herbst 2019 starten. Planungen zu Vergaben seien zu machen, außerdem dürfe aus Umweltschutzgründen nicht jederzeit gebaut werden, erklärt Fontin. Bei dem Schachtkraftwerk in Dietenheim handelt es sich um ein Modellprojekt. Sieben weitere Anlage sind allein in dem Bereich vorgesehen.

    Sie alle will der Bund Naturschutz verhindern. „Das wäre der Sargnagel für die Iller“, ist Kurus-Nägele überzeugt. Dass die Länder Bayern und Baden-Württemberg einerseits mit dem Renaturierungsprogramm „Agile Iller“ viele Millionen Euro in den Fluss stecken und nun anderseits das Kraftwerk genehmigt und eine nachteilige Situation festgesetzt werde, sei „schlichtweg absurd“. Kurus-Nägele spricht von „Steuergeldverschwendung“. Aufgeben wolle der Bund Naturschutz nicht, man werde Antrag auf Berufung einreichen. Sollte der Erfolg haben, geht die Sache in die zweite Instanz, an den Verwaltungsgerichtshof in Mannheim. Kurus-Nägele würde allerdings am liebsten gleich vor den Europäischen Gerichtshof ziehen, es sei europäisches Recht betroffen. „Aber das geht leider nicht.“ Der Widerstand könnte sich auch über den Fall in Dietenheim hinaus fortsetzen: „Es sind ja noch sieben andere Anlagen geplant, einige auf bayerischer Seite.“

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