Eher zufällig ist Familie König hier gelandet. Nach einer Woche Italienurlaub war das Paar mit den zwei Kindern am Montagvormittag auf dem Heimweg Richtung Stuttgart, als es im Vorbeifahren auf das große Schild mit der Aufschrift „Corona-Teststation“ an der Ausfahrt Kemmental aufmerksam wurde. Bereits seit Freitagmorgen kann man sich an der A8 in Fahrtrichtung Stuttgart auf Covid-19 testen lassen.
Wenig los war am Montagvormittag an der Teststation
Die Familie hatte ohnehin vor, sich freiwillig checken zu lassen: „Unsere Kleinen sind oft bei der Oma“, sagt die junge Mutter aus Stuttgart. „Da wollen wir einfach sicher gehen, dass wir niemanden anstecken.“ Dass sie dafür gar nicht mehr zum Arzt müssen, freut die Familie. „Es ist ja auch echt nicht viel los hier“, meint der Vater der beiden Kinder.
Tatsächlich müssen Reiserückkehrer am Montag gegen 10.30 Uhr höchstens drei Minuten warten, bis sie zum kostenlosen Abstrich vorfahren dürfen. Die meisten können sich sogar direkt in eine der drei Spuren einordnen. So auch der schwarze Mercedes mit Ulmer Kennzeichen. Der Fahrer darin kam schon vor einigen Tagen aus dem Kroatienurlaub zurück und hat sich bereits testen lassen. Das Ergebnis war negativ. „Jetzt will mein Arbeitgeber einen zweiten Nachweis“, sagt der Ulmer. Denn in Kroatien hätte kaum jemand die Corona-Maßnahmen eingehalten.
Aus dem gleichen Urlaubsgebiet kommt ein Rentner aus Laichingen, der ein paar Tage in Istrien verbrachte. „Nach der zwölfstündigen Heimfahrt am Sonntag hatte ich allerdings keine Lust mehr, mich hier anzustellen.“ Deswegen sei er am Montagmorgen noch einmal zur Teststation gefahren. An diesem Vormittag sind es vor allem die Autos mit Ulmer Kennzeichen, die sich in den Reihen einfinden. Und darunter sind nicht nur Urlaubsrückkehrer.
Nicht jeder sollte sich an der Autobahn testen lassen
Bernd Kühlmuß ist Kreisverbandsarzt des Deutschen Roten Kreuzes Ulm (DRK) und fachlicher Berater des Einsatzstabs, er koordiniert die Abläufe an der Teststation an der A8. „Wir können nicht prüfen, ob die Personen tatsächlich im Ausland waren oder doch nur am Wochenende im Allgäu. Das liegt auch nicht in unserer Verantwortung“, sagt der Kreisverbandsarzt. Allerdings sei es nicht sinnvoll, wenn sich jeder an der Autobahn testen lässt. „Wir befürchten eine Verknappung der Ressourcen und das Testen kostet viel Geld.“
„Hier geht es halt schneller, als einen Termin beim Hausarzt zu machen“, ist eine häufige Antwort der Personen aus dem Alb-Donau-Kreis, die sich am Montag freiwillig testen lassen. Viele sind auf der Heimreise von Italien oder Österreich: Länder, die zwar nicht als Risikogebiete eingestuft sind, aber gern von deutschen Urlaubern besucht werden. „Wir wollen eigentlich eher unsere Arbeitskollegen beruhigen“, gibt ein Ehepaar zu, das bis vor zwei Tagen noch mit den Mountainbikes am Gardasee unterwegs war. Da beide ab kommender Woche wieder arbeiten gehen, wollen sie den freiwilligen Abstrich machen. Auch wenn die Ulmer denken, dass der Test negativ sein wird.
Das Rote Kreuz und die Bundeswehr kümmern sich um Abstrich und Registrierung
Die DRK-Mitarbeiter sind für den Abstrich und die Registrierung zuständig. Dabei helfen auch Freiwillige der Bundeswehr. Auch Studenten oder Laborassistenten konnten sich freiwillig melden. Aufgeteilt in zwei Schichten sind jeweils 19 Personen von 6 bis 14 Uhr und von 14 bis 22 Uhr im Dienst. Weitere sechs Mitarbeiter einer Security-Firma sind dafür zuständig, den Verkehr einzuweisen und den Fragebogen durch das offene Fenster zu reichen.
Laut DRK wurden am Samstag und Sonntag insgesamt knapp 3000 Freiwillige getestet. „Samstag war Bettenwechseltag in den Urlaubsunterkünften und der kritischste Tag hier“, berichtet Kühlmuß. Vor allem bei großem Ansturm gebe es ein organisatorisches Problem: „Der Abstrich geht ungefähr sechs Mal schneller als die Registrierung. Ein Auto mit vier Personen ist in der Regel nach einer Minute abgestrichen.“ Ein Stau bildet sich also vor allem bei der Erfassung der Daten, die auch in Baden-Württemberg händisch in den Computer eingetippt werden – auch nach dem Testdebakel in Bayern. „Wir würden uns den Arbeitsplatz an der Teststation schon anders wünschen“, sagt der ärztliche Leiter. Zum Beispiel mit mehr Registrierungsplätzen.
In der Planungsphase war nicht klar, wer die Leitung übernehmen soll
Das Sozialministerium Baden-Württemberg hat das Autobahn-Test-Konzept erstellt und beim Roten Kreuz angefragt, ob es den Einsatz übernimmt. Doch das lehnte den Auftrag zuerst ab. „Die Rahmenbedingungen haben nicht gestimmt“, sagt der Fachberater. Es sei nicht transparent gewesen, wer die Leitung übernimmt. „Es wurde gesagt, welche Helfer dabei sind, aber wer zum Beispiel den Dienstplan erstellt, war unklar.“ Letztendlich sollte das DRK die Leitung übernehmen.
Die Mitarbeiter sind teilweise Ehrenamtliche, zum Teil mussten geringfügig Beschäftigte eingestellt werden. „Wir arbeiten mit dem Rettungsdienst zusammen, die sind das Abstrichnehmen gewohnt“, erklärt Kühlmuß. Vor dem Abstrich wird noch einmal alles genau erklärt. Bei Kindern nimmt sich ein Arzt besonders viel Zeit. Zumindest am Montag scheint alles einwandfrei zu laufen. Dennoch fragt sich Kühlmuß, wie es nach dem 13. September weitergehen soll, dies sei der letzte geplante Tag des Testzentrums.
Ein 65-jähriger Rentner aus der Nähe von Aachen ist auf jeden Fall froh, dass es im Moment das Testzentrum an der A8 gibt: „Ich komme von Südtirol und will mit meinem Wohnmobil weiter an die Küste Hollands fahren.“ Auf keinen Fall möchte er das Virus vom einen in das andere Land einschleppen, sagt er. Und reiht sich in die kurze Schlange ein.
Ein Video von der Teststation gibt es hier:
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