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Prozess: Verletzte auf Straße zurückgelassen: Fahrer verurteilt

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Verletzte auf Straße zurückgelassen: Fahrer verurteilt

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    Das Ulmer Landgericht hat einen Mann zu drei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt.
    Das Ulmer Landgericht hat einen Mann zu drei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Foto: Alexander Kaya (Symbolfoto)

    Wegen unterlassener Hilfeleistung ist ein 47-jähriger Autofahrer aus dem Alb-Donau-Kreis am Montagnachmittag nach dreitägiger Verhandlung unter anderem wegen versuchten Mordes von der zweiten Großen Strafkammer des Ulmer Landgerichts zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt worden. Der Mann war auf der B28 von nach Blaubeuren bei Seißen in einer steilen Kurve mit eine Motorradrollerfahrerin auf der Gegenfahrbahn kollidiert. Die Frau wurde durch den Crash an die Windschutzscheibe geworfen, sodass die Scheibe zerbrach. Rund 70 Meter fuhr der Fahrer mit der verletzten jungen Frau mit überhöhter Geschwindigkeit weiter, bis der Wagen sie auf die Straße abwarf. Der Fahrer fuhr einfach weiter und beging Unfallflucht. Der Grund: Der Mann mit 24 Vorstrafen wollte nicht wieder ins Gefängnis.

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    Der Unfall ereignete sich im Oktober 2017 und konnte nicht früher verhandelt werden, weil die überlasteten Strafkammern des Ulmer Landgerichts laut Gesetz zunächst die Fälle zu behandeln hatten, bei denen sich die Angeklagten in U-Haft befinden. Darauf wies der Vorsitzende der Strafkammer in der Urteilsbegründung ausdrücklich hin. Dem jetzt Verurteilten blieb eine Untersuchungshaft erspart, musste aber lange damit leben, wegen versuchten Mordes angeklagt zu sein, wo der Strafrahmen bis zu zwölf Jahren reicht. Der 47-Jährige kam mit einem blauen Auge davon – die Verurteilung liegt im unteren Drittel des üblichen Strafrahmens.

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    Die 19-jährige Rollerfahrerin hatte ein Riesenglück im Unglück, weil sie bei dem heftigen Zusammenprall bei 65 km/h (erlaubt sind an der Unfallstelle 50 km/h) mit Prellungen davonkam. Die Gefahr, in der Dunkelheit, es war 20 Uhr, von einem anderen Auto überfahren zu werden, war groß. Doch der erste entgegenkommende Fahrer erkannte die Verletzte mitten auf der Straße liegend, zog sie aus dem Gefahrenbereich und alarmierte Notarzt und Polizei.

    Am Roller entstand ein Totalschaden, die Besitzerin wurde mit ihren Wunden am ganzen Körper für acht Wochen krankgeschrieben. Noch heute hat sie traumatische Erinnerungen an das Geschehen. Der Vorsitzende Richter der Schwurgerichtskammer betonte am Montagnachmittag in seiner Urteilsbegründung, der Autofahrer hätte den Motorroller sehen müssen, auch wenn die 19-Jährige in der Dunkelheit mit Abblendlicht fuhr. Die Verteidigungsstrategie des Angeklagten, der 47-Jährige habe die Frau auf dem Roller nicht gesehen, nahm die Strafkammer nicht ernst. Vielmehr sei er wegen überhöhter Geschwindigkeit auf die Gegenfahrbahn geraten und habe die Kontrolle über das Fahrzeug verloren.

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    Auf der Weiterfahrt habe der Unfallverursacher immer wieder daran gedacht, zurückzukehren, um zu helfen, hatte er bei der Polizei ausgesagt. Aber die Versuchung, nicht entdeckt zu werden war wohl zunächst größer. Zwei Tage später meldete sich der Mann dann doch bei der Polizei, weil ihn Skrupel packten. Dort sagte er, er habe einen großen Knall vernommen. Möglicherweise habe er ein Reh verletzt. In der Beweisaufnahme und in der Aussage des Kfz- Sachverständigen wurde immer deutlicher, dass der Autofahrer die junge Frau auf dem Roller wahrgenommen haben musste. Der Unfall wäre vermeidbar gewesen, so der Verkehrsexperte, wenn der Fahrer auf der rechten Spur geblieben und mit maximal 50 Stundenkilometer, wie vorgeschrieben durch die enge Kurve gefahren wäre.

    Während der Verhandlung entschuldigte sich der Unfallfahrer bei seinem opfer. Die 19-Jährige war als Nebenklägerin am ersten Verhandlungstag aufgetreten.

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    Erschwerend kam für das Gericht hinzu, dass der 47-Jährige in der Vergangenheit bereits mehrmals wegen Verkehrsdelikten gestanden und wegen anderer Delikte Haftstrafen verbüßt hatte. Positiv bewertete die Kammer, dass der Mann sich der Polizei gestellt hatte und seit dem Unfall nicht mehr mit dem Gesetz in Konflikt gekommen war. Eine Rolle spielte in der Beweisaufnahme auch die Frage, ob der Autofahrer bei der Fahrt betrunken gewesen war. Eine 55-jährige Frau, die mit dem Angeklagten befreundet gewesen war, behauptete das als Zeugin. Doch dafür gab es laut Gericht keine verwertbaren Beweise. Der Angeklagte sagte aus, er habe an diesem Tag bei einem Festbesuch nur ein Radler getrunken.

    Der Oberstaatsanwalt hatte am Montagmorgen wegen versuchten Mordes eine Haftstrafe von sechs Jahren gefordert. Der Angeklagte habe versucht, einen Menschen durch Unterlassen zu töten, um eine Strafe zu verdecken, begründete der Anklagevertreter seinen Antrag.

    Der Verteidiger hatte eine Freiheitsstrafe von maximal zwei Jahren gefordert und stellte ins Ermessen des Gerichts, diese auf Bewährung auszusprechen.

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