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Prozess: Gericht: Es war Mord aus Verzweiflung

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Gericht: Es war Mord aus Verzweiflung

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    Im Mordprozess gegen einen Mann aus Munderkingen (Alb-Donau-Kreis), der seinen sechsjährigen Sohn auf besonders heimtückische Weise getötet hat, ist am Montagnachmittag das Urteil des Ulmer Schwurgerichts gefallen: lebenslange Haft.

    Wie mehrfach berichtet, hatte der 43-jährige Industriemechaniker am 10. Juli vorigen Jahres sein geliebtes Kind umgebracht. Zunächst hatte er den Buben ins Bett gebracht und dann gewartet, bis er eingeschlafen war. Dann dichtete er alle erdenklichen Öffnungen im Raum ab und entfernte die Batterie aus dem Rauchmelder. Anschließend rollte er seinen Holzkohlengrill in das gemeinsame Schlafzimmer, der noch vom Würstelgrillen mit dem Sohn am Abend glimmte. Als sich das tödlich wirkende Kohlenmonoxid-Gas ausbreitete, legte er sich neben seinen Sohn, um mit ihm zu sterben. Im Gegensatz zu dem sechsjährigen Buben überlebte er, wenn auch knapp, den erweiterten Suizid und konnte nach der Entdeckung drei Tage später gerettet werden.

    Die Staatsanwaltschaft hatte schon zu Beginn des Prozesses am 21. Juni das mögliche Motiv in der Anklageschrift benannt: Rache an seiner Ex-Frau, die ihm das heiß geliebte Kind nehmen wollte. Dafür plädierte der Staatsanwalt nach der Beweisaufnahme nicht nur für Mord, sondern auch für die Anerkennung der besonderen Schwere der Schuld. Das hätte zur Folge gehabt, dass in diesem Fall der Automatismus außer Kraft gesetzt worden wäre, nach dem die Haftstrafe wegen

    In seiner Urteilsbegründung betonte der Vorsitzende, dass Rache nicht der einzige Grund der Tat gewesen sei, und schloss sich den Argumenten der Verteidigung an. Es sei die schiere Verzweiflung und vermeintliche Ausweglosigkeit gewesen, die den Angeklagten zu diesem Mord getrieben habe, der zwar heimtückisch, aber nicht aus niedrigen Beweggründen geschehen sei. Die extrem belastenden Lebensumstände des Mannes, das hatte der psychiatrische Gutachter im Verlauf des Prozesses betont, hätten zu „Schwarzmalerei mit Blick auf die Perspektive für das weitere Zusammensein mit seinem Sohn geführt“.

    Und in der Tat begann die Belastung für den Mann bereits Monate, nachdem sein Sohn geboren war, als seine mittlerweile geschiedene Ehefrau das Haus in Munderkingen für ihn überraschend verließ und zu ihren Eltern zog. Doch man einigte sich auf ein gemeinsames Sorge-recht. Der Sohn wohnte beim Vater in Munderkingen, und der Kontakt zur Mutter wurde regelmäßig gepflegt. Beide Elternteile liebten das Kind, aber für den Vater wurde es zum einzigen Mittelpunkt seines Lebens. Ein Nachbar sagte bei der Polizei, dass der Angeklagte seinen Sohn abgöttisch geliebt habe.

    Die Katastrophe aus Sicht des Angeklagten nahm ihren Anfang, als seine Ex-Frau einen anderen Mann kennenlernte und zu ihm zog. Die Fahrtdistanz war länger, aber man einigte sich darauf, dass die Mutter ihren Sohn am Wochenende zu Gast hat. Der Bub war, wie aus einer Gerichtsaussage des neuen Lebensgefährten deutlich wurde, hin und her gerissen bei seiner Zuneigung zur Mutter plus neuem Lebenspartner und zum Vater. Als voriges Jahr der Schulanfang anstand, rief die Mutter das Familiengericht in Ulm an, das einen Gutachter beauftragte. Dabei kam heraus, dass Mutter wie Vater in gleicher Weise geeignet seien für die Erziehung des Kindes. Wenige Tage vor der Tat entschied das Gericht, der Bub solle künftig bei der Mutter leben. Obwohl für den Angeklagten eine Welt zusammenbrach, willigte er „gegen die innere Überzeugung“, wie der Gutachter befand, in den Beschluss ein, zumal er ein Umgangsrecht erhielt. Doch der 43-Jährige befürchtete das Schlimmste. Allein ohne seinen Sohn zu sein, konnte er sich nicht vorstellen und er schrieb mehrere Abschiedsbriefe, in denen er der Ex-Frau die Qualifikation als Mutter absprach, wofür es laut Schwurgericht aber keinerlei Gründe gab. Aus Fantasien wurde Realität und aus einem Plan wurde tragische Wirklichkeit. Ein erweiterter Suizid, den nur er als Pflegefall überlebte. Heute kann er sich an Details von damals aufgrund der Folgeschäden der überlebten Vergiftung immer noch nicht erinnern, wenn er auch die Tat als solche nicht bestreitet. Eine Hoffnung hat ihm das Schwurgericht verbleiben lassen: Dass er nach 15 Jahren das Gefängnis verlassen kann.

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