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Probleme mit den Würmern und Sorgen um die Spatzen

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Probleme mit den Würmern und Sorgen um die Spatzen

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    Nicht der Schiedsrichter, sondern der Schneider ist am Telefon.
    Nicht der Schiedsrichter, sondern der Schneider ist am Telefon.

    Früher arbeitete Franz Schneider in einem Dreier-Team, das die Arena in der Friedrichsau in Ordnung hielt. Otto Wöhrle und Klaus Dobrenz hießen seine Mitstreiter, nachdem er sich aus der Landwirtschaft zurückgezogen und bei der Stadt Ulm als Stadionwart angeheuert hatte. Später, als die Spatzen aus der Bundesliga abgestiegen und ein Jahr danach erstmals in Insolvenz geraten waren, waren sie noch zwei. Gerade ist Günter Klug der zweite Mann. Hinter

    Die Stadionordnung regelt vor allem das Hausrecht

    In der Stadionordnung ist klar definiert: "Der Stadionwart übt das Hausrecht aus. Seinen Anordnungen, die sich auf Erhaltung dieser Stadionordnung beziehen, ist Folge zu leisten. Er kann Personen, die dagegen verstoßen, die Ruhe und Ordnung stören, tätlich werden, andere beleidigen oder belästigen, den weiteren Aufenthalt in dem Gebäude und dem dazugehörenden Gelände untersagen und, unter Umständen, ihre zwangsweise Entfernung veranlassen."

    Wenn das alles wäre, was Franz Schneider zu erledigen hat, könnte er eine ruhige Kugel schieben. "Immerhin musste ich in den über 31 Jahren, die ich hier bin, noch keinen rauswerfen lassen", sagt der 56-Jährige, der wohl die Gelassenheit gepachtet hat. Denn wie oft gab es Ärger mit auswärtigen Fans. Aber Schneider sagt: "Ich habe mit dem Ordnungsdienst wenig zu tun. Und einmal, als beim Zweitligaspiel gegen Fürth im Gästeblock Chaoten waren und ich zum Aufsperren der Gittertüren rüber sollte, habe ich gesagt, das mach' ich nicht. Die haben mit Äpfeln und Birnen geworfen." Heute sind stets Polizisten und Security-Leute vor Ort und es wird auch nicht nur mit Äpfeln und Birnen geworfen. Dazu weiß der Herr des "Hauses" von Schmierereien, abgerissenen Klodeckeln, eingetreten Türen und eingeworfenen Scheiben ein Lied zu singen. Das muss er dann alles wieder richten. Aber er hat ja "eine gute Werkstatt mit allen wichtigen Geräten."

    Franz Schneider ist gelassen - und bescheiden. Sonst wäre er mit seinem "Büro", einer seit vielen Jahren nicht mehr erneuerten Kombination aus Arbeitsraum und Küche mit Dusche und WC gleich nebenan, wohl kaum zufrieden. Aber hier spürt man die Geschichte. Die vom Ulmer Fußball. Bunte Wimpel von Bundesligisten, angegilbte Zeitungsausschnitte und Spatzenposter aus den guten alten Zweit- und Erstligazeiten versprühen lautlos Nostalgie. Und ein Foto des deutschen Frauenfußball-Nationalteams, das hier 2001 Europameister wurde. "Das war neben den deutschen Leichtathletik-Meisterschaften für mich ein weiterer Höhepunkt."

    Auch die Leichtathletik hat es dem Stadionwart, der als junger Fußballer für seinen Heimatverein SV Thalfingen in der A-Klasse und dann für den TSV Pfuhl in der zweiten Amateurliga stürmte, schon lange angetan. Dabei muss Schneider bei den Veranstaltungen kräftig helfen. Aber es geht da halt gesittet zu. Wobei der Stadionwart beteuert, mit niemandem je echte Probleme gehabt zu haben. Bei Unstimmigkeiten sorgt er mit seiner umgänglichen Art schnell für Frieden. So war es auch damals, als 1860 München zum Bundesligaspiel kam. Schneider erzählt: "Es war im Februar. Der Kanal war verstopft und die Spieler konnten die Toilette nicht benutzen. Da habe ich zu Trainer Werner Lorant gesagt, jetzt müsst Ihr halt den Kübel nehmen." Da waren die Münchner platt. Schneider hat zig Spieler und viele Trainer erlebt, aber keiner war sein echter Liebling: "Zu den Fußballern hatte ich früher kaum Kontakt. Klar, Tomas Bodog und David Zdrilic, das waren feine Kerle. Und natürlich Trainer Ralf Rangnick." An andere Trainer wie Jörg Berger, Fritz Fuchs,

    Franz Schneider muss "sein" Stadion in Schuss halten, Tribünen, Ränge, Kabinen und auch den Rasen. "Das geht. Nur im Herbst gibt es beim Mähen Probleme mit den Würmern. Die sorgen für tausend Häufchen und da klebt dann alles fest." Der Stadionwart muss oft hart ran. Schnee schippen kostet Kraft wie auch das Erklimmen der 35 und 50 Meter hohen Flutlichtmasten, wenn etwas nicht in Ordnung ist. "Das macht mir nichts. Ich war schon x-mal oben. Bei einem Sturm ist zum Beispiel einmal die Leiter eines Mastes 200 Meter weit bis zum Hockeyplatz geflogen, die musste ich dann wieder befestigen."

    Im Winter sind Reparaturen und Streicharbeiten fällig

    Wer glaubt, jetzt in der fußball- und leichtathletikfreien Zeit könne SSV-Mitglied Schneider Däumchen drehen, irrt gewaltig. "Jetzt müssen vor allem Reparaturen und Streicharbeiten erledigt werden", erläutert er. Er macht das gerne, er mag seinen Job und hat nicht zuletzt deswegen "einige Überstunden auf der hohen Kante." Eine geregelte Arbeitszeit kennt er nicht, was für ihn auch von Vorteil ist: "Ich kann mir den Tag einteilen, bin mein eigener Herr." Die Zukunft sieht er nach der zweiten Spatzeninsolvenz aber nicht sehr rosig: "Die Situation tut weh. Da kommen jetzt vielleicht keine Zuschauer mehr. Das ist trostlos. Hoffentlich klappt es zumindest mit der Oberliga. Sonst ist der Fußball hier für lange Zeit am Ende."

    Für Franz Schneider wäre das eine grässliche Vorstellung, denn "die Arbeit macht einfach mehr Spaß, wenn hier im Stadion etwas los ist." Da nimmt er auch gerne in Kauf, dass er dann noch mehr beschäftigt ist. So oder so: Das Stadion soll schmuck bleiben - mit oder ohne (höherklassigen) Fußball.

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