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Pfuhl: Diese Geheimnisse verstecken sich hinter der Pfuhler Kirchenmauer

Pfuhl

Diese Geheimnisse verstecken sich hinter der Pfuhler Kirchenmauer

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    St. Ulrich wurde mehrfach umgebaut und vor etwa 20 Jahren saniert.
    St. Ulrich wurde mehrfach umgebaut und vor etwa 20 Jahren saniert. Foto: Dagmer Hub

    Welche Geschichten verbergen sich hinter den Mauern der Kirchen in unserer Region? Verblüffendes, Skurriles, Abenteuerliches – wir gehen diesen Spuren in unserer neuen Serie „Kirchengeschichten“ nach. Der erste Besuch führt zu St. Ulrich in Pfuhl.

    Der Name des Neu-Ulmer Ortsteiles Pfuhl beschreibt die Landschaft, in der die Ansiedlung vermutlich in alamannisch-fränkischer Zeit entstand: eine feuchte Stelle, eine Ansammlung von stehendem Wasser in der Nähe der Donau.

    Eher trocken und bewohnbar muss aber jene etwas höher liegende Stelle gewesen sein, an der vor wohl mehr als 1000 Jahren ein Burghof mit eigener Kirche bestand; diese hatte zugleich die Funktion einer Ortskirche für die Menschen, die außer der Adelsfamilie an dieser Stelle um die Burg und die Kirche herum ansässig waren. Sie waren mit der Ulmer Königspfalz eng verbunden.

    St. Ulrich in Pfuhl wurde mehrfach umgebaut

    St. Ulrich in Pfuhl, mehrfach umgebaut und vor etwa 20 Jahren sorgfältig saniert, ist seit mindestens einem Jahrtausend Ort des Glaubens. Darauf deutet auch der Namensgeber der Kirche hin: Bischof Ulrich von Augsburg wurde im 10. Jahrhundert heiliggesprochen.

    Der Kirchenvorstand Robert Haase lebte just zur Zeit der Sanierung von St. Ulrich nicht in Pfuhl; er hat sich aber intensiv mit der Kirche beschäftigt. Denn damals musste Geschichte umgeschrieben werden, war doch das bisher älteste bekannte Datum der Dorfkirche eine Signatur im stark beschädigten Weltgerichtsbild der Kirche, die von 1394 stammt.

    In der nördlichen Kirchenwand aber, das war bekannt, befanden sich in einer Breite von vier Metern behauene Fundamentsteine, die nicht aus dem 14. Jahrhundert stammen konnten, ja älter sein mussten. Und was war mit dem Giebelansatz an der Westseite auf dem Kirchendachboden, der so gar nicht in die Ausmaße von St. Ulrich passt?

    Historische Fundstücke aus der Kirche St. Ulrich in Pfuhl zeugen von einer langen Geschichte.
    Historische Fundstücke aus der Kirche St. Ulrich in Pfuhl zeugen von einer langen Geschichte.

    Bei der Sanierung der Kirche ab 2001 hatte es manche Überraschung gegeben, weiß Robert Haase: Als man den Bodenbelag öffnete, ergaben sich unmittelbare Einblicke in die Vergangenheit: In der Nähe der heutigen Kanzel fand sich eine auffällig abgetretene Struktur aus Ziegeln – die Fundamente eines mittelalterlichen Predigtstuhles.

    Gegenüber der Nordseite wurden Fundamente des Turmes der romanischen Kirche entdeckt: Der Kirchturm von St. Ulrich wurde offenbar mit dem Umbau von der romanischen zur gotischen Kirche verlegt. Alle Mauerfundamente dieser ersten Steinkirche wurden gefunden, auch ihr – in der Nähe des heutigen Eingangs gelegener – Zugang. Eine der größten Überraschungen: Im gemauerten Altarblock wurde die Altarplatte der frühromanischen ersten Kirche freigelegt – und darunter ein Kästchen aus Zinkblech.

    Ein für Historiker noch lesbarer, in gotischer Schrift mit Tusche auf Pergament geschriebener Hinweis besagte, dass in dem Kästchen Reliquien des Bischofs Nikolaus und des heiligen Theoderich seien. Da es mehrere Heilige mit Namen Theoderich gibt, ist ungeklärt, auf wen sich dies bezieht. Das Kästchen mit den Reliquien und die romanische Altarplatte aber wurden in den heutigen Altar wieder eingebaut.

    Faszinierende Entdeckung in Pfuhl: Weltgerichtsfresko wird in der Ulrichskirche wieder sichtbar

    Eine der faszinierendsten Entdeckungen der Sanierung passierte, als das aus dem 14. Jahrhundert stammende Weltgerichtsfresko der Ulrichskirche bei seiner Reinigung wieder klar sichtbar wurde. Die theologische Aussage des Freskos, das der des Lesens unkundige Kirchenbesucher des Mittelalters vor Augen hatte, erklärt ihm ein Leben nach dem Tod anders als es Weltgerichtsdarstellungen sonst tun.

    Üblich war am Eingang zum Chorraum eine Darstellung, in der Christus am Ende der Welt die Frommen zu seiner Rechten segnet und ihnen den Weg in den Himmel weist, während seine linke Hand die verurteilten Sünder in die Verdammnis schickt. In Pfuhl aber stellte ein unbekannter Künstler das vor mehr als 600 Jahren anders dar: Christus als Weltenrichter hat zwei Schwerter, die er mit der rechten und der linken Hand ergreifen könnte – und beide Hände sind zu segnender Geste erhoben.

    „Das Weltgerichtsbild ist die größte Kostbarkeit von St. Ulrich“, erklärt Haase. „Es muss den Kirchenbesuchern des Mittelalters einen Einblick in das gegeben haben, was sie nach dem Tod erwartet.“ Aber nicht nur das: Auch künstlerisch ist die Arbeit hochwertig, sie dürfte von einem internationalen Künstler jener Zeit gestaltet sein. Aus der gleichen Zeit, der Gotik, stammt der bunte Taufstein der Kirche, von dem ein ebenso bunter Aufsatz im Dachboden erhalten ist.

    Was im Bildersturm, der im eng mit Ulm verbundenen Pfuhl infolge der Annahme des evangelischen Glaubens ebenfalls stattfand, mit dem gotischen Altar der Kirche geschah, ist unbekannt. Möglicherweise liegen auch Reste des Altars in zwei luftdichten Kisten auf dem Dachboden der Kirche, vermutet Haase. St. Ulrich aber ist trotz aller Forschung vor zwei Jahrzehnten noch für Überraschungen gut: Bei der Öffnung der alten Friedhofsmauer von St. Ulrich hin zum neuen Gemeindehaus wurden jüngst Fundamente einer Vorgänger-Ummauerung des Friedhofs freigelegt. Deren Alter ist noch nicht bestimmt.

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