Tom Jones, der „Tiger“, hatte sich für einen Auftritt in Ulm angekündigt. Sting sollte endlich im Wiley spielen – im vergangenen Jahr hatte er seinen geplanten Auftritt in Neu-Ulm noch absagen müssen. Kool & The Gang sollten Funk und Soul nach Wiblingen bringen und Popstar Mark Forster würde am Ulmer Münsterplatz singen. Es sind große Namen – aber sie sind nun allesamt und mit einem Schlag aus dem Konzertkalender der Region gestrichen worden. Großveranstaltungen sind wegen des Coronavirus bis zum 31. August verboten – so lautet der bundesweit geltende Beschluss. Fast alle Pläne für den Kultursommer sind damit geplatzt.
Konzertveranstalter Carlheinz Gern muss neu planen
„Wir hatten uns schon moralisch darauf vorbereitet“, sagt Carlheinz Gern. Er ist Chef des Radiosenders Donau3fm und Veranstalter vieler Großevents in der Region – dazu gehören Konzerte im Wiley und die Starauftritte am Schwörwochenende. Die Welle der Absagen stellt Gern und sein Team vor ganz neue Herausforderungen. Sie müssen einen ganzen Sommer umplanen. „Wir arbeiten mit Hochdruck“, sagt Gern. Er stehe in Kontakt mit den Managern der Künstler, mit Ordnungsämtern und Kulturbeauftragten, mit den Oberbürgermeistern von Neu-Ulm und Ulm. Gemeinsam bemühe man sich, Nachholtermine für 2021 zu arrangieren. Verschiebungen in den Herbst 2020? Laut Gern undenkbar. Die Chance, Stars so kurzfristig für neue Termine zu gewinnen, ist gering. Die Gefahr, dass das Virus auch die neuen Pläne durchkreuzt, scheint zu groß.
Gern erklärt: „Wir hoffen, dass wir das geplante Programm eins zu eins auf das nächste Jahr übertragen können.“ Nur einen Haken gibt es aus seiner Sicht: Zwei Radiosender der Region, Donau3Fm und Radio7, teilen sich das Anrecht auf die großen Schwör-Events am Münsterplatz. Als Veranstalter wechseln sich die Sender ab, von Jahr zu Jahr. „Unsere Auffassung ist, dass es sich beim Grund der Absage um höhere Gewalt handelt“, sagt Gern. Deshalb wolle Donau3fm 2021 Gastgeber zu sein.
Für das Konzert von Mark Forster wurden 12500 Tickets verkauft
Gern will nichts beschönigen: „Das ist für uns erst einmal eine Katastrophe.“ Aber er baut auf gesetzliche Kompromisse, die derzeit verhandelt werden. „Es gibt demnach zwei Optionen: Die Konzertkarten behalten ihre Gültigkeit. Wer aber sein Ticket zurückgeben will, könnte anstatt einer Rückerstattung einen Gutschein für eine Veranstaltung erhalten.“ Der Radio-Chef spricht von einer potenziell dramatischen Lage: „Wenn sich alle nun ihr Geld rückerstatten lassen würden, müssten wohl 95 Prozent aller Veranstalter bald Insolvenz anmelden.“ Allein für das Konzert von Mark Forster habe man 12500 Karten verkauft. Und dass ein geplantes Konzert des Popgiganten Sting abermals ins Wasser fällt, sei schmerzlich. „Es nutzt aber nichts, jetzt in eine tiefe Depression zu verfallen.“
Rolf Weinmann, Chef der Konzertagentur Provinztour, kann dem Veranstaltungsverbot etwas abgewinnen: „Die ganze Branche ist froh, dass eine Entscheidung gefallen ist. Das gibt Rechtssicherheit.“ Und die Option, Tickets in Gutscheine zu verwandeln, könne sein Geschäft über ein paar Monate hinwegretten.
Die Sommerkonzerte in Wiblingen können nicht stattfinden
Zu den Ereignissen, die Provinztour organisiert, gehören die Sommerkonzerte im Wiblinger Klosterhof. Das illustre Staraufgebot, das mit dem Virus ins Wasser fällt: Sarah Connor, Tom Jones und Kool & The Gang. Finden sich alternative Termine für Konzerte dieser Größe, bringt das ein wenig Entlastung – aber jedes Umplanen kommt den Veranstalter teuer zu stehen. Weinmann wird konkret: Verschiebt er eine Hallenveranstaltung, koste das 8000 bis 10000 Euro. Bei großen Konzerten unter freiem Himmel belaufe sich der Verlust auf bis zu 20000 Euro. An jeder Verschiebung hängt ein Rattenschwanz an Folgeproblemen, von der Transportlogistik bis zu den Bühnenarbeitern.
„21 Open-Air-Konzerte müssen wir nun verlegen“, sagt der Agenturchef. Der neue Zeitrahmen, den Provinztour dafür ins Auge fasst, reicht von September 2020 bis Spätsommer 2021. Das Kulturprogramm 2021 könnte eng werden. Und sind die Stars dann nicht schon anderweitig gebucht? Einer der geplatzten Termine stand schon infrage, bevor das Virus die Kulturwelt lahmlegte: Xavier Naidoo sollte im Juli in Wiblingen auftreten – dabei steht der Soul- und Popsänger scharf in der Kritik. Immer wieder fällt er mit antisemitischen und rassistischen Anspielungen auf, im Netz trägt er zur Verbreitung von Verschwörungstheorien bei. Weinmann äußert sich mit Vorsicht. Man stehe in Kontakt mit dem Management des Sängers, aber auch mit Ämtern und den Trägern des Veranstaltungsorts – dass eine Auftrittsgenehmigung erteilt wird, sei in Naidoos Fall nicht selbstverständlich. „Seine Fans scheinen ihm zwar viel zu verzeihen, der Ticketverkauf lief exzellent, es wurden 4000 Karten verkauft“, sagt Weinmann. Naidoo sei auch ein begnadeter Musiker. „Schade aber, dass er sich selbst so demontiert. Ich hoffe, dass er sich endlich nur auf seine Musik konzentriert.“
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