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Neu-Ulm / Ulm: Per Mausklick durch die Kirche: Tag des offenen Denkmals verläuft digital

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Per Mausklick durch die Kirche: Tag des offenen Denkmals verläuft digital

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    Das Kloster Roggenburg lässt sich am Tag des offenen Denkmals auch im Netz erkunden: Im 360-Grad-Blick können Besucher auf der Kloster-Homepage viele Winkel der Kirche und der Bauten rundherum betrachten.
    Das Kloster Roggenburg lässt sich am Tag des offenen Denkmals auch im Netz erkunden: Im 360-Grad-Blick können Besucher auf der Kloster-Homepage viele Winkel der Kirche und der Bauten rundherum betrachten. Foto: Andreas Brücken

    Manchmal spürt man den digitalen Fortschritt auch in den Muskeln und Knochen: Wer das Deckengemälde in der Klosterkirche von Roggenburg bestaunen will, muss sich nicht mehr den Nacken verrenken. Nicht mit verdrehten Augen gen Himmel starren, um Franz Martin Kuens Fresken zu beäugen. Ein paar Klickbewegungen mit dem Finger genügen. Auf der Kloster-Homepage können Besucher im digitalen 360-Grad-Panorama durch die virtuelle Kirche wandeln, sich rundherum drehen, nach unten und oben, mit dem virtuellen Kopf im Nacken, bis fast zum Überschlag. Beeindruckend. Dieser 360-Grad-Rundgang ist ein Beispiel dafür, wie die Digitalisierung in den Gotteshäusern Einzug hält – wenn die Gemeinden wollen. Der bundesweite Tag des offenen Denkmals 2020 am 13. September findet diesmal fast ausschließlich digital statt – aus Corona-Gründen. Doch wie viel Netz-Know-how nutzen die Kirchen in unserer Region?

    Viele Kirchen im Kreis Neu-Ulm nehmen Teil am Tag des offenen Denkmals

    Bayerns Ministerium für Kunst und Wissenschaft erklärt, dass sich etwa 130 Denkmäler in Bayern an diesem Sonntag präsentieren. Auch kleinere Gemeinden werben für den 13. September und machen ihre Kirchen online begehbar, zum Beispiel St. Jakob in Burlafingen und St. Ulrich in Pfuhl – in bescheidenerem Format als das Kloster Roggenburg, aber informativ mit klickbaren Infos, Audio- und Videoclips. Den nächsten Schritt in die Digitalität wagt die Ulmer Kirche St. Michael zu den Wengen, kurz

    Oliver Schütz ist Theologe, Historiker und Leiter der Katholischen Erwachsenenbildung Ulm-Alb-Donau. Er findet die Lage „schon kurios“: Der Tag des Denkmals sollte offen sein, aber so viele Türen hat die Corona-Pandemie verschlossen. Normalerweise sei der Tag dafür gedacht, Verborgenes zu entdecken. Besucher erkunden Ecken, die sie zuvor nie sehen durften. Die Wengenkirche will das trotzdem versuchen – auf Youtube: „Da zeige ich, was man in der Kirche sowieso nicht sehen würde“, sagt Schütz. Genauer gesagt: Er wird per Livestream zwei Kunstwerke erklären, die im Laufe der Geschichte aus St. Michael verschwunden sind.

    Oliver Schütz blickt am Tag des offenen Denkmals auf  die historische Pracht der Ulmer Wengenkirche.
    Oliver Schütz blickt am Tag des offenen Denkmals auf die historische Pracht der Ulmer Wengenkirche. Foto: keb Ulm-Alb-Donau

    Youtube-Livestreams beleuchten die Vergangenheit der Ulmer Wengenkirche

    „Die Wengen-Mönche haben die Kirchendecke in der Zeit des Barock spektakulär ausmalen lassen. Doch 1944 wurde sie im Krieg zerstört“, erklärt Schütz. Glück im Unglück: Ein paar alte Dias haben die Pracht kurz vor dem Einsturz noch festgehalten. So bietet Schütz eine Zeitreise mit historischen Bildern, aber eben keinen klassischen Lichtbildvortrag. Multimedial will er ins Detail zoomen, zum Beispiel auf den Erzengel Michael mit seinem Schwert und andere Feinheiten. „Ich kann die Zuschauer bis unter die Decke führen. Das erlebt man sonst auch nicht.“

    Über die Wengenkirche gibt es an diesem Tag gleich zwei Vorträge, die auf Youtube gestreamt werden.
    Über die Wengenkirche gibt es an diesem Tag gleich zwei Vorträge, die auf Youtube gestreamt werden. Foto: keb Ulm-Alb-Donau

    Um einen Pest-Altar aus der Wengenkirche dreht sich der zweite Vortrag. 1802 fiel das württembergische Kloster Bayern anheim und wurde aufgelöst. Viele Schätze trugen sie fort aus den Gemäuern – auch den gotischen Altar, der den schwarzen Tod und das Leben mit der Seuche illustriert. Der Altar ist heute im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg zu sehen. Und in Schütz’ Youtube-Vortrag berühren sich alle Themen – der Tag des offenen Denkmals, digitales „Social Distancing“, die Kunst und die Virologie. „An das Werk knüpfen sich Fragen: Woher kommt die Seuche? Wie verbreitet sie sich?“ Der Vortrag „Schutz vor Pest und Seuchen“ findet am Sonntag um 14 Uhr statt, im Stream auf dem Youtube-Kanal der KEB Ulm. „Engelskonzert und Höllensturz“ beleuchtet ab 11 Uhr die zerstörten Deckengemälde. Die Videos seien aber auch später noch abrufbar, sagt Schütz.

    Für den Tag des offenen Denkmals 2020 wagen sich Kulturstätten ins Internet

    „Wir haben uns fit gemacht“, sagt der Historiker. Die Dias habe er mit seinem Team sorgsam eingescannt, digitalisiert, sich mit Medien befasst und die richtige Plattform gewählt. „Man muss Zeit investieren. Und es bleibt die Frage: Nehmen die Leute das auch an?“ Manch einer lächelt über ein Kirchenvideo auf einer Plattform, die von blutjungen Influencern regiert wird. Kirchen gelten auch nicht als anfällig für Moden. Aber da rege sich etwas, sagt Schütz. „Viele Gemeinden in der Region haben in der Corona-Zeit Social-Media-Kanäle eröffnet und ihren Gottesdienst gestreamt“, sagt der Theologe. Er hielt selbst Vorträge per Stream. „Da haben sich einige drauf eingelassen. Profilnamen ploppten im Chat auf: ‚Oma und Opa‘. Das hatten die Enkel so eingerichtet.“

    Die Livevorträge am Tag des Denkmals sind leicht zugänglich auf Youtube – allerdings ohne die Chance auf Publikumsgespräche und direkten Austausch wie bei einer Videokonferenz. In den Kommentarspalten könnten sie aber vielleicht möglich werden: digitale Diskussionen über Kunst, Kultur und Corona.

    Alle offiziellen Veranstaltungen und digitalen Angebote des Tags des offenen Denkmals finden Sie unter www.tag-des-offenen-denkmals.de.

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