Zwischen April und September 2019 feiert Neu-Ulm sein Jubiläum „150 Jahre Stadterhebung“. Die Neu-Ulmer Zeitung, die heuer 70 wird, tut in den kommenden Monaten ein paar Blicke in die Vergangenheit der Kommune, in ihre Gegenwart und – so weit möglich – in die Zukunft. Heute: die evangelische Petruskirche.
Erst zwei Jahre vor Erhebung Neu-Ulms zur Stadt im Jahr 1869 und mehr als ein halbes Jahrhundert nach Gründung der Gemeinde „Ulm auf dem rechten Donauufer“ erhielten die Protestanten am Ort endlich ihr eigenes Kirchengebäude. Immerhin hatten schon sieben Jahre zuvor ihre katholischen Brüder und Schwestern in ihre Johanneskirche feierlich Einzug halten können. Neu-Ulms katholische Christen waren bis dahin der Pfarrei Burlafingen, die evangelischen der Kirchengemeinde Pfuhl zugewiesen.
Mancher potenzielle Neu-Ulmer Gottesdienstbesucher scheute allerdings diese weiten Wege zu Fuß und bei widrigem Wetter. Deshalb hatte Burlafingens katholischer Pfarrer Thaddäus Blankenhorn sich 1840 schon mal beim bayerischen König wegen der in Neu-Ulm immer noch fehlenden Kirche beklagt. Natürlich hätten Neu-Ulms Gläubige jederzeit auf der anderen Donauseite die Gottesdienste im protestantischen Ulmer Münster oder in der katholischen Wengenkirche besuchen können. Doch dort seien sie „bösem Spott ausgesetzt, weil sie noch immer kein eigenes Gotteshaus besäßen“, heißt es in der 1994 erschienenen Chronik der Stadt Neu-Ulm. Immerhin konnten Neu-Ulms Protestanten ab 1860 gelegentlich die katholische Johanneskirche als Gäste im ökumenischen Sinn für ihre Gottesdienste nutzen. Schon 1811 war mal eine Simultankirche im Gespräch gewesen, ein Gotteshaus also für beide Konfessionen gemeinsam. Eine Schule für evangelische Kinder bestand in Neu-Ulm immerhin bereits seit 1834.
Die Neu-Ulmer Petruskirche wurde 1967 eröffnet
Am 25. August 1867 wurde in der evangelischen Petruskirche an der Augsburger Straße erstmals Gottesdienst gehalten. Architekt Georg Freiherr von Stengel, Königlicher Civilbauinspector in Augsburg, hatte – wie zuvor schon für die katholische Johanneskirche – den Bauplan entworfen. Hatte er dort den neuromanischen Stil bevorzugt, setzte er für die Petruskirche auf frühgotische Vorbilder. Davon ist aber viel verloren gegangen. Das Gotteshaus war noch in den letzten Kriegstagen im März 1945 von Fliegerbomben stark beschädigt worden. In mehreren Bauabschnitten wurde es erheblich verändert wiederhergestellt, nachdem auch schon mal an Abriss und Neubau gedacht worden war.
Die wiederaufgebaute Petruskirche erscheint heute als ein reiner Zweckbau, dem jeder äußere architektonische Glanz fehlt. Tatsächlich war der Stadtpfarrkirche Ende der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts nach dem Geschmack der Zeit ein Vorbau angefügt worden. Der war angeblich nötig, um unterhalb des Kirchensaals Gemeinderäume und zusätzlich Aufgänge zu den Emporen zu schaffen. Also wurde der neugotische Zugang, der zunächst in eine kleine, kreuzgewölbte Vorhalle, dann in den Kirchensaal führte, entfernt. Auch die in die Winkel von Giebelfront und Seitenarmen gesetzten Treppenhäuser verschwanden. Geblieben dagegen sind die nun völlig isoliert in der Front steckenden Fenster samt Rosette und gut erkennbare Reste der einstigen Anbauten.
Der Kirchenvorstand wollte lieber eine neue teure Orgel
Ein gutes Vierteljahrhundert lang hatte die Petrus-Kirchengemeinde nach Kriegsende auf ihr Gotteshaus verzichten müssen. Erst am 12. Dezember 1971 kehrte sie aus ihrer Behelfskirche im Jugendheim „Treffpunkt“ an der Friedenstraße in ihr renoviertes, erweitertes und vor allem äußerlich stark verändertes Haus zurück. In seiner Ansprache betonte Pfarrer Horst Birkhölzer allerdings, die Gemeinde ziehe „eigentlich nur von einem Provisorium ins andere um“. Denn der Kirchensaal selbst war noch nicht gerichtet. Fertiggestellt waren lediglich die im Untergeschoss neu eingebauten Gemeinderäume. In diese hielten die Gläubigen an diesem dritten Adventssonntag Einzug.
Auch die Orgel fehlte noch. Statt die alte Steinmeyer-Orgel für 50000 Mark (25565 Euro) sanieren zu lassen, wollte der Kirchenvorstand lieber ein neues Instrument für 120000 Mark (61355 Euro) anschaffen. Diese Idee wies das Landeskirchenamt in München angesichts der schon für den Kirchenumbau entstandenen Kosten allerdings zurück. Die Petrusgemeinde musste sich mit einem Instrument um 70000 Mark (35790 Euro) bescheiden. Die Orgel kam im Frühjahr 1972 ins Haus, zeitgleich mit den Bronzereliefs auf den neuen Portaltüren in der Nordostfront des Gebäudes.
Bronzereliefs und Glasbilder über den Portalen der Petruskirche
Für diese auf den ersten Blick nicht unbedingt gleich verständlichen kleinen Kunstwerke zeichnet der 1991 im Alter von 70 Jahren gestorbene Ulmer Bildhauser, Grafiker und Maler Günther Späth verantwortlich. Dargestellt hat er die Geschichte des Apostels Petrus, wie sie im Neuen Testament erzählt wird, zum Beispiel das Seewunder von Genezareth. Günther Späth hat zahlreiche Kirchen und Gemeindehäuser in Ulm, Neu-Ulm und auf der Alb mit Plastiken und Glasbildern ausgeschmückt – so in Asch, Bernstadt, Ludwigsfeld, Pappelau und weiteren Gemeinden. Heute ist er fast vergessen.
Die Glasbilder über beiden Portalen mit den zwölf Aposteln hat der im Jahr 1900 in Stuttgart geborene Ulmer Kirchenmaler Wilhelm Geyer gefertigt. Geyer hat in seinen 68 Lebensjahren mehr als 1000 Glasfenster für mehr als 180 Kirchen zwischen Bodensee und Niederrhein gestaltet, darunter fürs Ulmer Münster und die Dome in Köln und Rottenburg.
Sie wollen mehr von unserer Serie zum Stadtjubiläum lesen? Berichtet haben wir dabei beispielsweise schon über Bürgermeister Josef Kollmann, der 34 Jahre im Amt war ( Blick in die Neu-Ulmer Geschichte: Ein Bürgermeister räumt auf), oder wie Gerlenhofen überhaupt zu Neu-Ulm kam ( Stadtjubiläum: Wie Gerlenhofen zu Neu-Ulm kam).