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Neu-Ulm: So lief die Debatte um den Barfüßer in Neu-Ulm

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So lief die Debatte um den Barfüßer in Neu-Ulm

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    Dieser Anblick dürfte in absehbarer Zeit Geschichte sein: Der Stadtrat hat das Barfüßer-Gebäude an der Donau zum Abriss freigegeben. Dort wird also kein Kulturzentrum eingerichtet.
    Dieser Anblick dürfte in absehbarer Zeit Geschichte sein: Der Stadtrat hat das Barfüßer-Gebäude an der Donau zum Abriss freigegeben. Dort wird also kein Kulturzentrum eingerichtet. Foto: Alexander Kaya

    Die Freunde des Barfüßer-Gebäudes hatten noch einmal Hoffnung geschöpft: Vielleicht könnte dort ein Kulturzentrum einziehen, wie dies eine Bürgergruppe vorgeschlagen hatte. Doch der Stadtrat entschied sich nach stundenlanger Debatte mit deutlicher Mehrheit anders. Vor allem zwischen Oberbürgermeister Gerold Noerenberg und der FWG-Fraktionsvorsitzenden Christina Richtmann flogen mal wieder die Fetzen.

    Der Barfüßer-Bau ist reichlich marode

    Das Hauptargument: Das Bauwerk aus der Nazizeit ist offenkundig so marode, dass eine umfassende Renovierung nach ersten Schätzungen mindestens fünf Millionen Euro verschlingen würde. Dieses Geld will die überwältigende Mehrheit der Stadträte nicht ausgeben, vor allem, weil sich unverhofft eine gewaltige Finanzlücke in der Kommunalkasse aufgetan hat. Die Gewerbesteuer bricht in diesem Jahr massiv ein.

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    Das war für Oberbürgermeister Gerold Noerenberg Anlass für eine Attacke gegen die Freien Wähler. Die hatten den Antrag gestellt, das ehemalige Offiziers-Casino in eine ähnliche Kultureinrichtung umzuwandeln wie das Ulmer Roxy. Auf jeden Fall solle das Gebäude aus dem Jahr 1938 erhalten bleiben. Noerenberg fand den Vorstoß „irritierend“, denn seit Juli sei bekannt, dass sich im städtischen Etat eine Finanzierungslücke von rund 20 Millionen Euro auftue, „und das wird sich auf jeden Fall im nächsten Jahr fortsetzen“. Da sich der Stadtrat auf die Fahnen geschrieben habe, der Kinderbetreuung höchste Priorität einzuräumen, „müssten ich dann die Frage stellen, welchen Kindergarten möchten Sie dann nicht bauen“. Seiner Einschätzung nach wirft hier schon der Kommunalwahlkampf seine Schatten voraus.

    FWG: Das Casino muss unbedingt erhalten bleiben

    Das wiederum wies die FWG-Fraktionsvorsitzende Christina Richtmann entschieden zurück. Sie kämpfte vergeblich für das Konzept eines „Kulturwerks Neu-Ulm“, das eine Gruppe von Kulturschaffenden und Nachbarn des Barfüßer entwickelt hatten. Das umfangreiche Papier kommt zu dem Schluss, dass ein solches soziokulturelles Zentrum für vielerlei kulturelle und gesellschaftliche Angebote nicht nur notwendig sei, sondern sich auch kostenneutral betreiben lasse. Nach Ansicht Richtmanns sollte das Casino unbedingt erhalten bleiben.

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    Es sei – abgesehen von der Bundesfestung – das letzte öffentlich zugängliche historische Bauwerk der Stadt. Die Bürgerschaft hänge daran. Was den Zustand des Gemäuers angeht, so kritisierte sie, die Stadt als Besitzerin der Liegenschaft habe „in den letzten zehn Jahren an dem Gebäude nichts mehr gemacht“. Das wiederum brachte ihr einen Konter des OB ein, der ihr vorhielt: „Und sie haben immer mitgestimmt, das war eine Entscheidung des Stadtrates, dem Sie angehören.“ Er wies sie ebenso wie Kämmerer Berthold Stier auf einen Fehler im Kulturwerk-Konzept hin. Das ging davon aus, die Brauereieinrichtung des Barfüßer könne weiterhin genützt werden. Doch die gehört Ebbo Riedmüller, wie auch der Rest des Mobilars. Das würde der Gastronom komplett ausräumen und mitnehmen, somit müsste das Haus komplett neu eingerichtet werden. Richtmann räumte ein: „Das wusste ich nicht.“

    Ein Totschlagsargument

    In ihrem Kampf um den Erhalt des Casinos fanden sich FDP und FWG allein auf weiter Flur. Die anderen Fraktionen lobten zwar allesamt das Kulturwerk-Konzept, fanden jedoch, das Gebäude könne nicht vernünftig renoviert werden. Katrin Albsteiger (CSU) nannte den Biergarten einen „Schatz der Stadt“, der unbedingt erhalten werden müsse, doch der Zustand des Hauses sei dramatisch, ihr Fraktionskollege Thomas Mayer fand dafür das Wort „kläglich“. Die notwendige Erneuerung lasse sich nicht finanzieren und komme möglicherweise noch teurer als die angepeilten fünf Millionen. Rudolf Erne (SPD) sagte, eine Sanierung sei nicht zu verantworten. Auch Mechthild Destruelle (Grüne) beteuerte, die Kommune habe andere Pflichtaufgaben, obwohl sie Noerenbergs Hinweis auf die Kindergärten als „Totschlagsargument“ kritisierte.

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    Einhelliges Lob hingegen fand das Kulturwerk-Papier. „Das ist ganz toll“, sagte Antje Esser (Pro Neu-Ulm), doch das sei eben nicht in den Casino-Räumen umzusetzen, die ohnehin nicht gerettet werden könnten. Es könne aber anderswo umgesetzt werden. Als einzige machte sie einen konkreten Vorschlag: Das alte Fachhochschul-Gebäude hält sie für geeignet. Einhellig sprach sich der Stadtrat dafür aus, das Kulturwerk-Konzept von der Verwaltung intensiv prüfen zu lassen, damit es an ander Stelle umgesetzt werden könne.

    Nach dreistündiger Debatte votierten nur sieben Räte dagegen, das Casino abreißen zu lassen und einen Bebauungsplan aufzustellen. Da die zuletzt von Riedmüller vorgestellten Pläne in der Bevölkerung auf einigen Widerstand stießen und auch von den Kommunalpolitikern nicht wirklich gut gefunden wurden, soll im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens erst eine intensive Bürgerbeteiligung gestartet werden, anschließend folgt ein Architektenwettbewerb, in dem „gestalterische und ökologische Vorgaben“ berücksichtigt werden. Riedmüller möchte einen Neubau errichten, der nicht nur eine Gaststätte beherbergt, sondern auch ein Hotel mit rund 100 Zimmern.

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