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Neu-Ulm/Senden: Corona-Prozess: Feierten sie eine Grillparty oder grüßten sie sich bloß?

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Corona-Prozess: Feierten sie eine Grillparty oder grüßten sie sich bloß?

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    Vor dem Amtsgericht in Neu-Ulm wurden Verfahren wegen Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz verhandelt.
    Vor dem Amtsgericht in Neu-Ulm wurden Verfahren wegen Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz verhandelt. Foto: Alexander Kaya

    Ein Ereignis, fünf Verhandlungen gegen ebenso viele Beschuldigte und alle hintereinander angesetzt. Was zunächst eindeutig aussah, entpuppte sich am Neu-Ulmer Amtsgericht als schwieriger Fall, es ging um Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz. Schwierig deshalb, weil es immer wieder andere, zum Teil sich grundlegend widersprechende Aussagen gab. Und so hatte es Richterin Michaela Heublein nicht ganz leicht, herauszufinden, was sich am 21. März 2020 in Senden ereignet hat. Zwei Beschuldigte muss sie erneut vorladen, weil diese der deutschen Sprache nicht mächtig genug waren, um ihre Fragen klar zu verstehen und zu beantworten. Sie benötigen einen Dolmetscher.

    Beschuldigt wurden fünf Männer mit serbischer Staatsangehörigkeit, an jenem 21. März entgegen der damals geltenden Corona-Schutzvorschriften auf dem Hochparterre-Balkon des Sendeners L. eine Grillparty veranstaltet zu haben. So wurde es vor Gericht von einem der beiden Polizeibeamten geschildert, die auf die Beschwerde eines Nachbarn von L. hin zum Ort des Geschehens gefahren waren. Auf dem eher kleinen Balkon hätten sich fünf Männer aufgehalten, die Bier tranken. Zum einen hätten die Männer wegen der Pandemie-Beschränkungen ihre Wohnung nicht ohne triftigen Grund verlassen und keine Party veranstalten dürfen, zum anderen hätten sie nicht den Mindestabstand von 1,5 Metern eingehalten. „Als wir zum Grundstück kamen, sahen wir die Männer auf dem Balkon und belehrten sie, dass dies verboten sei“, so der Beamte. „Wir sagten, wir kommen in die Wohnung, um ihre Personalien aufzunehmen.“ Doch die Männer hätten die Polizisten nicht ernst genommen und nur gelacht. „L., den wir von anderen Verfahren her kannten, kam uns entgegen und hielt uns auf. Inzwischen flüchteten die Männer vom Balkon und wir sahen ein Auto mit quietschenden Reifen davonfahren.“

    Prozess in Neu-Ulm: Angeklagter aus Senden fühlte sich von der Polizei bedroht

    Die Polizisten forderten L. als Gastgeber auf, ihnen die Personalien der geflüchteten Männer zu geben. Dieser wartete mit vier Namen auf, den Beschuldigten. Vor Gericht behauptete L., der Polizeibeamte „hat mit der Faust auf den Tisch geschlagen und mich bedroht. Er sagte, das kostet 25.000 Euro. Ich hatte Angst, deshalb habe ich ihm irgendwelche vier Namen von Bekannten genannt“. Gegenüber der Richterin sagte L., es sei nur „ein familiäres Treffen“ gewesen, weil seine Mutter Geburtstag hatte. Es seien er, seine Frau, sein Sohn und ein gewisser Stefan dort gewesen, also vier Leute. Ein weiterer Angeklagter behauptete später, er sei nur mit seinem Sohn an dem Haus vorbeigelaufen. „Wir haben L. auf dem Balkon nur begrüßt und sind, als die Polizei kam, nach Hause gegangen.“

    Der Beklagte S. behauptete steif und fest, er sei an dem Tag nicht dabei gewesen: „Das ist eine Beleidigung für mich. Ich war nicht dort. Ich war zu der Zeit mit meiner Frau beim Einkaufen und dann zu Hause mit meinen Enkelkindern.“ Der Polizeibeamte hingegen erklärte: „S. hat auf dem Balkon am meisten für die Gruppe gesprochen. Ich habe später mit ihm telefoniert und er kam noch einmal zur Wache. Da habe ich wie jetzt auch sofort gewusst, dass er es ist.“ L. jedoch merkte an, dass S. nicht bei ihm gewesen sei. Dafür sein Schwager, dessen Name ihm zuerst nicht einfiel, der ja aber ein Verwandter sei. Der Schwager und ein weiterer Angeklagter müssen erneut mit Dolmetscher vor Gericht erscheinen.

    Viele weitere unterschiedliche Aussagen, die Behauptung von L., der Polizeibeamte mache „falsche Aussagen“, und die Frage, ob das Angeprangerte als Ordnungswidrigkeit oder als Straftat zu werten sei, beschäftigten Richterin Heublein und die Vertreterin des Landratsamts. Da nicht alles schlüssig belegt werden konnte und sich im Corona-Frühjahr die Regeln bezüglich Ordnungswidrigkeit und Straftat mehrfach veränderten, stellte die Richterin das Verfahren gegen L. ein und belegte S. und einen weiteren Angeklagten wegen Verlassens der eigenen Wohnung ohne triftigen Grund mit einem Bußgeld in Höhe von 150 Euro, weil ihr die Aussage des Polizeibeamten absolut glaubwürdig erschien.

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