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Neu-Ulm: Polizisten im Landkreis Neu-Ulm: „Die Gewalt erreicht ein neues Niveau“

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Polizisten im Landkreis Neu-Ulm: „Die Gewalt erreicht ein neues Niveau“

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    Wolfgang Wagner und Miriam Thönnißen, die an ihrer linken Schulter die gut sichtbare, gelbe Bodycam trägt, arbeiten gerne als Polizisten. Doch der Job ist schwerer geworden, sagen sie.
    Wolfgang Wagner und Miriam Thönnißen, die an ihrer linken Schulter die gut sichtbare, gelbe Bodycam trägt, arbeiten gerne als Polizisten. Doch der Job ist schwerer geworden, sagen sie. Foto: Andreas Brücken

    Die Polizei, dein Freund und Helfer – und mittlerweile auch oft Gegner. Und zwar einer, dem manche mit Respektlosigkeit und Gewalt entgegentreten. In letzter Zeit gab es immer öfter auch Fälle in der Region, bei denen Polizisten beleidigt, mit Steinen beworfen oder angespuckt wurden. Im Jahr 2019 wurden 601 Fälle verbaler oder körperlicher Gewalt gegen

    Kürzlich etwa lag ein Mann in Neu-Ulm betrunken auf einer Straße, als eine Streife vorbeikam. Die Beamten wollten den Mann mitnehmen, bevor er ausgeraubt wird oder gar Schlimmeres passiert. „Man kann ihn ja nicht einfach dort liegen lassen“, sagen die beiden und Wagner erzählt von einem Fall, als er frisch bei der Polizei war: Ein Mensch wurde überfahren, weil er betrunken nachts auf einer Straße lag. „So etwas will ich nie wieder erleben, das ist einfach schrecklich.“

    Wer Polizist werde, wolle schließlich helfen. Der Betrunkene in Neu-Ulm wollte sich aber nicht helfen lassen, vielmehr wehrte er sich immens. Einem Kollegen trat der Mann mit voller Wucht in den Bauch. Doch fast genauso schlimm seien pöbelnde Passanten gewesen, sagen die beiden Polizisten. Derartige Situationen seien für Polizisten schwer, weil sie nie wüssten, was von außen komme – sowohl körperlich als auch mental, etwa in Form von Rufen. In einer solchen Situation seien sie froh über die neu eingeführte Bodycam.

    Polizisten in Neu-Ulm sind von der Bodycam überzeugt

    „Wir sind völlig überzeugt von der Bodycam, das ist eine der besten Investitionen der vergangenen Jahre gewesen“, sagt Thönnißen. Die Polizistin erklärt, wie das Gerät funktioniert: Im Einsatz können die Beamten das gelbe, gut sichtbare Gerät tragen – müssen aber nicht. In einer heiklen Situation drohe der Beamte zunächst an, die Kamera einzuschalten, wenn das Gegenüber sich nicht beruhigt. Dann sagt man zu Beginn der Aufzeichnung noch mal, dass ab sofort gefilmt wird. „Wenn jemand nicht völlig berauscht ist, wird die Bodycam schon wahrgenommen“, sagt Thönnißen.

    Das Entscheidende: Das Video zeige die Wirklichkeit – ungefiltert, ohne Schnitte. Es komme nicht selten vor, dass Videos im Netz landen, die vorher so geschnitten werden, dass man nur die Reaktionen der Polizisten, aber nie die vorherigen Anfeindungen sieht, sagt Wagner. Das Bodycam-Video liefere also Sicherheit für die Polizisten, etwa wenn ein Fall vor Gericht geht. Aber auch für die Allgemeinheit. Einige Leute seien misstrauisch und hinterfragten den hohen Prozentsatz an Verfahrenseinstellungen, wenn vor

    Wagner und Thönnißen betonen aber auch: Gewalt gegen Polizisten komme nicht aus der breiten Bevölkerung, sondern aus einzelnen Gruppen. Es sei ein kleiner Prozentsatz, doch gefühlt werde es mehr. „Das Klientel, das sich samstagnachts um vier Uhr rumtreibt, spiegelt natürlich nicht die Masse wieder.“ Aber im Kopf bleiben eben trotzdem die Leute, die pöbeln und zuschlagen. Ein solches Verhalten bedrücke die Polizei intern. „Wir sind auch nur normale Bürger in Uniform, klar geht uns so was nahe“, sagt Wagner. Man wolle helfen und werde im Gegenzug bespuckt.

    Rund 1500 Polizisten wurden in der Region angegriffen

    Von den rund 600 Angriffen, die meist nachts und am Wochenende passieren, waren 1475 Polizisten betroffen. 205 von ihnen wurden verletzt, drei davon schwer. Die Taten ereigneten sich vor allem bei freiheitsentziehenden Maßnahmen (223 Fälle) und Identitätsfeststellungen oder Nachfragen zum Sachverhalt (162 Fälle). Polizeipräsident Werner Strößner hofft, „dass die seit November 2019 in unserem Präsidium flächendeckend eingesetzte Bodycam zu einem Rückgang der

    Einen Grund für die steigende Gewalt gegenüber Polizisten sehen die Neu-Ulmer Beamten in den Vorfällen von Polizeigewalt in den USA, „das schwappt zu uns rüber und wird eins zu eins umgemünzt“. Dabei könne man die Polizei in den

    Polizei: Eine Ursache liegt in den sozialen Medien

    Die Hauptursache sieht Merk jedoch in den sozialen Medien. Dort sei der Austausch einfach leicht, weil sich zu jeder Denkweise jemand mit derselben Ansicht findet. Oder: „Da findet jeder eine Heimat.“ Zudem suggeriere es dem Einzelnen Sicherheit, eine Gemeinschaft im Netz hinter sich zu wissen – das wiederum spiegle sich vermehrt auch im wahren Alltag auf den Straßen. Problematisch sei dort nicht mal nur die körperliche Gewalt, sondern der fehlende Respekt gegenüber anderen – egal ob bei Polizei, Feuerwehr oder der Lehrerin. „Es ist eigentlich ein gesellschaftliches Problem, das daheim beginnt und dann weitergeht“, sagt Merk. Er frage sich durchaus „Was kommt da in Zukunft noch auf uns zu?“, sagt Merk.

    Doch obwohl der Job in dieser Hinsicht schwerer geworden ist, sind Miriam Thönnißen und Wolfgang Wagner „mit Leib und Seele Polizisten“.

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