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Neu-Ulm: Pfuhler entwickelt neue Corona-Kennzahl: Löst sie den Inzidenzwert ab?

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Pfuhler entwickelt neue Corona-Kennzahl: Löst sie den Inzidenzwert ab?

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    Der Inzidenzwert berücksichtigt aktuelle Infektionen. Ist eine andere Kennzahl aussagekräftiger?
    Der Inzidenzwert berücksichtigt aktuelle Infektionen. Ist eine andere Kennzahl aussagekräftiger? Foto: Alexander Kaya (Symbolbild)

    Die Sieben-Tage-Inzidenz bestimmt seit Monaten den Alltag, sie ist Grundlage für Einschränkungen und Lockerungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Und sie ist immer wieder in Kritik geraten: Auch andere Zahlen seien wichtig, heißt es dann. Etwa die Zahl freier Intensivbetten oder die Verfügbarkeit von Intensivpflegepersonal. Doch wird dadurch nicht alles noch komplizierter? Das müsse nicht sein, glaubt Peter Stöcker. Man müsse bloß von IT und Industrie lernen.

    Peter Stöcker ist IT-Projektleiter bei der Neu-Ulmer Firma ATR Software, deren Fokus auf Produktionssoftware liegt. Kennzahlen, die aus unterschiedlichen Komponenten bestehen und Grundlage für eine schnelle Entscheidung sein sollen, gehören zu seinem Alltag. Im produzierenden Gewerbe ist dann von OEE die Rede, die Abkürzung steht für Overall Equipment Efficiency - auf Deutsch Gesamtanlageneffektivität. "Wie läuft meine Produktion, ist mit den Maschinen alles in Ordnung, wie ist die Qualität", beschreibt Stöcker beispielhaft drei Fragen, die in dieser Kennzahl zusammengeführt werden. So etwas, glaubt er, müsse auch im medizinischen Bereich möglich sein.

    Statt Sieben-Tage-Inzidenz: Neue Corona-Kennzahl kann erweitert werden

    Die Sieben-Tage-Inzidenz, also die Zahl der Corona-Infektionen pro 100.000 Einwohner, sei eine wichtige Größe, aber nicht die einzige. Das gehe ja aus der öffentlichen Diskussion hervor. Wichtig könnten beispielsweise auch freie Intensivbetten, die Anzahl der Intensivbetten pro Pflegekraft oder die Anzahl der Intensivpatienten pro Arzt sein. Auf welche Komponenten es ankomme, müssten andere entscheiden, betont Stöcker. Eine medizinische oder politische Entscheidung könne er nicht treffen. Doch das Rechenmodell aus der Industrie könne eine Hilfestellung sein. Auch dafür, die aktuelle Lage der Pandemie besser verständlich zu machen.

    IT-Projektleiter Peter Stöcker aus Neu-Ulm Pfuhl hat eine mögliche neue Corona-Kennzahl entwickelt.
    IT-Projektleiter Peter Stöcker aus Neu-Ulm Pfuhl hat eine mögliche neue Corona-Kennzahl entwickelt. Foto: Sammlung Stöcker

    Die mögliche neue Corona-Kennzahl könnte bei neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen um zusätzliche Komponenten erweitert werden, die dann ebenfalls in das Rechenmodell einfließen. Am Ende kommt immer eine Zahl heraus, die nach dem immer gleichen Schema einzuordnen sei. Zum Beispiel in eine Ampel mit drei Farbstufen und unterschiedlichen Bedeutungen. Derzeit diskutiere man beispielsweise über Inzidenzen, die im Verhältnis zur Einwohnerzahl stehen, und über Intensivkapazitäten, die in absoluten Zahlen angegeben werden. "Das ist einfach nicht gut", findet Stöcker. Diese Zahlen seien nicht vergleichbar und für die Bevölkerung schlecht nachvollziehbar. Ein anderes Modell, glaubt er, könne auch das Verständnis für die aktuell geltenden Regeln erhöhen.

    Corona: Neu-Ulmer schlägt Modell aus Industrie für Gesundheitssektor vor

    Die unterschiedlichen Komponenten werden im Rechenmodell des Pfuhlers prozentual berechnet und miteinander multipliziert - so wie es auch bei der Kennzahl OEE geschieht. Das führt dazu, dass bereits eine schlechte Komponente die ganze Kennzahl nach unten zieht. "Ich kann hochaggregiert sehen, wo es knallt", beschreibt Stöcker mit Blick auf unterschiedliche Werte in unterschiedlichen Regionen. Im zweiten Schritt könnten die Entscheider dann die einzelnen Komponenten ansehen und herausfinden, was genau der Grund für den schlechten Wert ist.

    Stöcker gibt ein Beispiel mit willkürlich festgelegten Komponenten, um sein Modell verständlich zu machen: Zunächst müssten Fachleute festlegen, welche Werte bei Inzidenz, freien Intensivbetten, Intensivbetten pro Pflegekraft und Intensivpatienten pro Arzt gut beziehungsweise schlecht sind. Dann müssten diese Werte Prozentzahlen zugewiesen werden. Um die Gesundheitslage für den Kreis Neu-Ulm zu ermitteln, würden die Prozentzahlen miteinander multipliziert.

    Das bayerische Gesundheitsministerium reagiert auf den Corona-Vorschlag

    Bereits im November hat der Physikingenieur, der seit vielen Jahren in der IT arbeitet, das Konzept an das Robert-Koch-Institut (RKI) und das Bundesgesundheitsministerium geschickt, eine Reaktion bekam er nicht. Vor zwei Wochen schickte er das Modell dann ans Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege. "Ihren - insbesondere wegen der Industrieverwendung - vernünftigen und interessanten Vorschlag haben wir mit Interesse gelesen und werden ihn in unsere weiteren Überlegungen einbeziehen", steht in der Antwort, die Stöcker in dieser Woche erhalten hat.

    Kann es sein, dass er der Erste ist, der die Idee für ein solches Rechenmodell hatte? "Der Umgang mit Kennzahlen ist mein Tagesgeschäft", sagt Stöcker. Zwischen Produktion und Gesundheitssektor gebe es kaum bis keine Berührungspunkte. Es sei also denkbar, dass diese Methode in den Überlegungen bisher keine Rolle gespielt habe. Wird die Idee aufgegriffen? Peter Stöcker will dazu keine Einschätzung abgeben. "Wenn darüber nachgedacht wird, ist das schon gut", findet er.

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