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Neu-Ulm: Neu-Ulmer kauft 94 Gramm Marihuana als Medizin

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Neu-Ulmer kauft 94 Gramm Marihuana als Medizin

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    Weil er fast 100 Gramm Marihuana mit sich führte, wurde ein 33-jähriger Neu-Ulmer wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz verurteilt.
    Weil er fast 100 Gramm Marihuana mit sich führte, wurde ein 33-jähriger Neu-Ulmer wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz verurteilt. Foto: Alexander Kaya (Symbolbild)

    Für die einen Menschen ist Marihuana eine kleinere Jugendsünde, für andere eine gefährliche Einstiegsdroge, für manche ist es aber auch ein Arzneimittel, um Krankheiten zu behandeln. Dies gilt auch für einen 33-jährigen Mann aus Neu-Ulm, der im vergangenen Jahr mit 94 Gramm Marihuanabei dem Asylbewerberheim in der Nähe des Augsburger-Tor-Platzes von der Polizei angehalten wurde. Er hat das Asperger-Syndrom, eine Form von Autismus.

    Die Kontrolle war, laut einer als Zeugin geladenen Polizeibeamtin, Teil großangelegter Ermittlungen zum dortigen Drogenhandel. Die Polizei habe dort niemanden mit einer so großen Menge an Marihuana erwischt. Die meisten Käufer hatten nur etwa ein bis zwei Gramm dabei, während der Angeklagte 94 Gramm bei sich trug. 750 Euro soll er dafür bezahlt haben. Als die Beamten ihn kontrollierten, habe er sofort das Marihuana ausgehändigt und gesagt, dass er an einer Krankheit leide. Bei der Durchsuchung habe er aggressiv reagiert, allerdings sei es für die anwesenden Polizisten eindeutig gewesen, dass er sich in einem psychischen Ausnahmezustand befunden habe.

    Angeklagter: Marihuana hilft gegen die Auswirkungen des Asperger-Syndroms

    Diese Einschätzung erwies sich als richtig, denn der 33-Jährige hat das Asperger-Syndrom. Das ist eine Einschränkung, die zum Autismus-Spektrum gehört. Davon Betroffenen fällt zwischenmenschliche Kommunikation und Interaktion schwer, und sie haben meist nur ein bestimmtes Interesse, dem sie ihre ganze Aufmerksamkeit widmen. Dies hat zur Folge, dass sie oftvon anderen Menschen als wunderlich angesehen werden und sich von ihrer Umwelt abschotten. Oft gehen mit dem Asperger-Syndrom weitere psychische Probleme wie, im Falle des Angeklagten, Depressionen einher. Obwohl die Diagnose bei ihm erst im Oktober 2015 gestellt wurde, begleitet ihn die Beeinträchtigung schon sein ganzes Leben.

    Aufgrund des Asperger-Syndroms ist der gelernte Einzelhandelskaufmann arbeitsunfähig und bezieht die volle Erwerbsminderungsrente. Er lebt derzeit alleine in Neu-Ulm und hat keine sozialen Kontakte. Sein großes Hobby sind Videospiele. Es sei das Einzige, was ihn glücklich mache, erzählt er. Marihuana konsumiere er seit dem 15. Lebensjahr. Es helfe ihm, mit seiner Einschränkung umzugehen und gegen die Depressionen. "Gras macht mich menschlicher", sagt der 33-Jährige. Davon, dass er nur für sich selbst eingekauft hatte, sind die Polizeibeamten trotz der Menge überzeugt. Bei einer Hausdurchsuchung wurden nur Utensilien zum Eigenkonsum und nicht zum Weiterverkauf gefunden. Nachdem der Angeklagte kontrolliert wurde, hat er sich darum bemüht, ein Rezept für medizinisches Marihuana zur Behandlung zu bekommen. Seit Ende April kann er Marihuana unter ärztlicher Aufsicht auf legalem Weg beziehen.

    Amtsgericht Neu-Ulm verurteilt Mann wegen Besitz von Betäubungsmitteln

    Wegen der besonderen Umstände des Angeklagten waren sich Staatsanwaltschaft und Verteidigung beinahe einig, was das vorgeschlagene Strafmaß anbelangte. Das Schöffengericht unter Leitung der Richterin Gabriele Buck verurteilte den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt ist. Dazu kommt ein Bußgeld von 1000 Euro, das in monatlichen Raten von je 100 Euro an den Förderkreis für tumor- und leukämiekranke Kinder Neu-Ulm zu zahlen ist.

    Das Gericht begründet das Urteil damit, dass der Angeklagte ein umfangreiches Geständnis abgelegt habe, noch nicht vorbestraft sei und das Marihuana nur zum Eigenbedarf gekauft habe. Da er es nun auf legalem Weg und unter ärztlicher Aufsicht beziehe, seien keine weiteren Straftaten von ihm zu erwarten. Deshalb und wegen seiner Probleme mit anderen Menschen wird ihm kein Bewährungshelfer zur Seite gestellt. Die Bewährungszeit beträgt zwei Jahre, in denen er keine weiteren Verbrechen begehen darf. "So wie davor halt auch noch nie", kommentiert der 33-Jährige seine Bewährungsbedingungen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, beide Seiten wollen aber auf eine Berufung verzichten.

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