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Neu-Ulm: Mit „Kaschmirgefühl“: Das Theater Neu-Ulm startet in die Herbst-Saison

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Mit „Kaschmirgefühl“: Das Theater Neu-Ulm startet in die Herbst-Saison

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    Ein Duo, das sich auf der Bühne zu Hause fühlt: Claudia Riese und Heinz Koch sind die treibenden Kräfte hinter dem Theater Neu-Ulm. Das neueste Stück im Repertoire, „Kaschmir-Gefühl“, feiert Anfang November seine Premiere.
    Ein Duo, das sich auf der Bühne zu Hause fühlt: Claudia Riese und Heinz Koch sind die treibenden Kräfte hinter dem Theater Neu-Ulm. Das neueste Stück im Repertoire, „Kaschmir-Gefühl“, feiert Anfang November seine Premiere. Foto: Veronika Lintner

    Das Theater Neu-Ulm scheint bereit für den Herbst. Auf der Bühne haben sie die Requisite feierlich drapiert: Wie ein Schrein mit Trauerbildern reihen sich zehn Frauen-Porträts in Schwarz-weiß um eine blumenbekränzte Urne. Morbide. Alle Zeichen scheinen auf Abschied zu stehen. Aber das Gegenteil ist der Fall: Der Spielbetrieb startet jetzt wieder, in der „Kleinen Komödie“ am Petrusplatz. In einer Neuauflage von „Bis dass dein Tod uns scheidet“ – die Komödie, die das Theater im Sommer erstmals aufgeführt hat – wird der Ladykiller Sir Charles Chadwick ab sofort wieder sein Unwesen treiben. Allerdings diesmal nicht im Freilufttheater, sondern im Stammhaus des kleinen Theaters. Und in neuer Besetzung. Die nächste Premiere eines neuen Stücks feiert das Theater dann im November.

    Das Theater Neu-Ulm manövriert durch die Corona-Krise

    Claudia Riese und Heinz Koch, die beiden kreativen Köpfe des Theaters, blicken auf bewegte Monate zurück. Im März erreichte Covid-19 Neu-Ulm und legte alle öffentliche Kultur lahm. „Da traf uns der erste Blitz, die Bestellungen brachen ein“, erinnert sich Riese. Weitere Schläge folgten, 35 Vorstellungen sind seither ausgefallen. Was sich das Theater in der Zeit des absoluten Stillstands gewünscht hätte? Nicht unbedingt Zuschüsse und Finanzspritzen, sondern „vor allem die Möglichkeit, zu spielen“, sagt Riese. „Wir fanden es auch sehr bedauerlich, dass die Stadt Neu-Ulm kaum einen Kontakt mit uns aufgenommen hatte, in der Corona-Zeit.“

    Eigentlich muss die Bühne 100 Einzelveranstaltungen im Jahr über die Bühne bringen, um auch die Unterstützung vom Freistaat Bayern zu erhalten. „Das ist in normalen Jahren schon schwierig genug“, sagt Koch. Immerhin hat die Politik diese Regel gelockert – und der Spielbetrieb seit Juni wieder an Fahrt gewonnen.

    "Bis dass dein Tod uns scheidet" und "Kaschmirgefühl" am Theater Neu-Ulm

    Sechs Vorstellungen der Multikulti-Komödie „Macho Man“ gingen ab Mitte Juni über die kleine Bühne. Im „Refugium“ bei „Blumen Weimar“ in Finningen fand das Theater schließlich eine echte Zuflucht – für Open-Air-Aufführungen der mörderischen Bühnengeschichte des Sir Chadwick. Bei diesem Krimi spielte das Pech noch einmal mit: Spontan musste ein Schauspieler aus Berlin einspringen – einer von nur dreien in Deutschland, die diese Hauptrolle aktuell und abrufbar im Repertoire haben. Es gelang. „Wir waren dann erstaunt, mit wie viel Lust und Freude die Leute wieder ins Theater kommen“, erinnert sich Riese. Die Besucher brachten auf Bitte sogar ihre eigenen Gartenstühle mit. „Wir hatten es nicht einmal mit Coronaleugnern zu tun.“

    Riese und Koch würden sich über eine weitere Zusammenarbeit freuen, doch nach dem Gastspiel bei Blumen Weimar spielt sich der coronagerechte Zwei-Mann-Krimi wieder im Stammhaus ab. Sir Chadwick sucht die Nähe der Frauen – mit gebotenem Abstand. Statt per Handkuss wird er drei auserwählte Frauen aus dem Publikum nun galant mit dem Fuß grüßen, sagt Koch. Corona-Gruß, Schuhspitze an Schuhspitze.

    Maximal zwei Darsteller können derzeit im Theater Neu-Ulm spielen

    Riese und Koch schöpfen in der Krise aus ihrer Spielerfahrung von Jahrzehnten und halten seit März ständig Ausschau nach kleinen Stücken für die kleine Bühne – maximal zwei Darsteller. Bei sieben Sitze pro Reihe kann das Theater jeweils nur zwei Sitze am Rande für Besucher freigeben. Bei 30 Gästen ist das Kontingent erreicht. „Ich habe selbst fünf Einpersonen-Stücke im Repertoire“, sagt Riese. Aber noch einmal „Verliebt, verlobt, verschwunden“ oder Dostojewskis „Enthüllungen aus dem Kellerloch“? Nein. Altes möchte das Duo nicht aus Verlegenheit wieder aufwärmen. Das nächste Stück, das am 6. November Premiere feiert, dreht sich um erotische Anbandelung auf Distanz, via Telefonapparat. „Das ist ein Plot, der den Nerv der Zeit trifft“, findet Koch.

    „Kaschmirgefühl“ erzählt vom Schicksal zweier Menschen, verbunden durch eine Liebes-Hotline – und durch einige überraschende Geheimnisse. „Das entwickelt sich fast schon wie ein Krimi“, sagt Koch. „Am Ende bleibt die Frage: Wer betrügt hier eigentlich wen womit?“ Ivan Dentler spielte schon im Juni den „Macho Man“ am Theater Neu-Ulm und für das „

    Katrin Albsteiger trifft sich mit Claudia Riese und Heinz Koch

    Neu-Ulms Oberbürgermeisterin Katrin Albsteiger hat inzwischen das Gespräch mit Riese und Koch gesucht – sehr zur Freude des Duos. Riese berichtet, das Stadtoberhaupt habe der Bühne seine Unterstützung zugesagt. Bisher konnte das subventionierte Theater nicht von staatlichen Corona-Hilfen profitieren. Zuschüsse gab es für die Betriebskosten, aber der Betrieb lag schließlich auf Eis. Ausfallhonorare für die Künstler, die aus ganz Deutschland für Engagements nach Neu-Ulm kommen, lassen sich aus diesen Töpfen nicht bezahlen.

    Der Spielstopp bedeutete: keine Produktionskosten, aber auch keine Einnahmen. „Wir sind es aber gewöhnt, mit wenig Geld auszukommen“, sagt Riese. „Und so geht es jetzt allen. Es werden auch in Deutschland wohl kleine Theater verschwinden.“ Eine Festangestellte des Theaters habe schon kurz vor der Krise, aus anderen Gründen, das Theater verlassen. Jetzt helfen zwei Mini-Jobber im Betrieb. „Ganz ohne Subventionen könnten wir hier nicht weiter existieren“, erklärt Riese. Sie zieht ein Fazit: „Finanziell war das alles zu verkraften – ideell aber nicht.“ Das Wichtigste: Es geht weiter. Auf einen Beitrag zur Kulturnacht verzichten Koch und Riese unter diesen Corona-Umständen, aber bis zum Silvesterprogramm planen sie. Vorsicht ist das erste Gebot: „Wir wollen nicht riskieren, dass die Bühne geschlossen wird.“

    Alle Infos gibt es unter www.theater-neu-ulm.de. Die Premiere von „Bis dass dein Tod uns scheidet“ am Freitag ist ausverkauft, weitere Vorstellungen folgen am 19., 24., 25. und 26. September.

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