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Neu-Ulm/Memmingen: Prozess um 500 Kilo Kokain: So äußern sich die Angeklagten vor Gericht

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Prozess um 500 Kilo Kokain: So äußern sich die Angeklagten vor Gericht

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    Knapp 500 Kilo Kokain wurden bei einer Routinekontrolle im Fruchthof Nagel in Neu-Ulm entdeckt. Die Polizei nimmt sechs Männer daraufhin fest. Sie stehen jetzt vor Gericht.
    Knapp 500 Kilo Kokain wurden bei einer Routinekontrolle im Fruchthof Nagel in Neu-Ulm entdeckt. Die Polizei nimmt sechs Männer daraufhin fest. Sie stehen jetzt vor Gericht. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Es ist einer der spannendsten Kriminalfälle der vergangenen Jahre in Neu-Ulm, der momentan am Landgericht Memmingen verhandelt wird: Im Prozess um den mutmaßlichen Schmuggel von 500 Kilogramm Kokain, die im Dezember 2019 in Bananenkisten versteckt bei Fruchthof Nagel in Neu-Ulm entdeckt wurden, haben sich am Donnerstag die Angeklagten zu den Vorwürfen geäußert. Sie wollen so ihren Teil eines Deals erfüllen.

    Alle sechs Angeklagten, die auch am dritten Verhandlungstag in Handschellen und Fußfesseln in die Stadthalle in Memmingen hereingeführt wurden, gaben durch ihre Verteidiger Erklärungen ab. Alle lautet ungefähr ähnlich.

    Prozess um die 500 Kilo Kokain in der Stadthalle in Memmingen: Großen Raum nehmen die sechs Angeklagten mit ihren Verteidigern ein (rechts).
    Prozess um die 500 Kilo Kokain in der Stadthalle in Memmingen: Großen Raum nehmen die sechs Angeklagten mit ihren Verteidigern ein (rechts). Foto: Carolin Lindner

    Sie seien jeweils in Albanien in einfachen Verhältnissen aufgewachsen und nach der Schule arbeitslos geworden oder hätten als Hilfsarbeiter wenig Geld verdient. Dazu kämen Schicksalsschläge, die ihre Not vergrößert habe: Ein Kind der Familie oder der Angeklagte selbst sei krank. Einer gibt an, Landwirt mit Olivenbäumen zu sein. Eine schlechte Ernte plage ihn.

    Prozess um 500 Kilo Kokain: Angeklagte seien auf der Suche nach Arbeit angesprochen worden

    Alle erklärten über ihre Verteidiger zudem, dass sie getrennt voneinander im Rahmen von ihrer Arbeitssuche von Personen angesprochen worden seien, die sie aber nicht nennen wollen. Deren Angebot: Bei einem Einbruch in eine Firma in Deutschland könnten sie viel und schnell Geld verdienen. Ihnen sollen bis zu 15.000 Euro geboten worden sein.

    Auf Nachfrage sei ihnen erklärt worden, dass sie Drogen aus der Firma herausholen müssten. Menschen würden dabei aber nicht gefährdet.

    Sie hätten sich von dem Versprechen von viel Geld blenden lassen und seien dann nach Ulm gefahren - teilweise bis aus Mailand, andere zum Beispiel aber aus Köln und Frankfurt. Einer gab an, er sei nur als Fahrer engagiert worden und deshalb treffe der Anklagevorwurf des Rauschgifthandels für ihn nicht zu.

    Angeklagte erklären: Vor dem Einbruch in Fruchthof Nagel haben sie sich nur einmal gesehen

    In Ulm hätten sie sich dann alle zusammen ein erstes Mal getroffen, vorher sollen sie sich nicht gekannt haben. Informationen sollen lediglich telefonisch durchgegeben worden sein.

    An den Bananen hatten die Einbrecher in Neu-Ulm kein Interesse, wohl aber an den knapp 500 Kilo Kokain mit einem Marktwert von mindestens 20 Millionen Euro, das wahrscheinlich aus Südamerika stammt und über den holländischen Hafen Vlissingen nach Schwaben transportiert wurde.
    An den Bananen hatten die Einbrecher in Neu-Ulm kein Interesse, wohl aber an den knapp 500 Kilo Kokain mit einem Marktwert von mindestens 20 Millionen Euro, das wahrscheinlich aus Südamerika stammt und über den holländischen Hafen Vlissingen nach Schwaben transportiert wurde. Foto: Bayerisches Landeskriminalamt/dpa

    Nach einer kurzen Besichtigung des Fruchthofs Nagel in Neu-Ulm, erfolgte am Abend des 14. Dezember der Einbruch. Die Kokainpäckchen seien - wie berichtet und schon von der Staatsanwaltschaft in der Anklage verlesen - in mitgebrachten Taschen zum Auto gebracht worden. Dann erfolgten der Zugriff durch ein größeres Polizeiaufgebot, an dem offenbar auch ein Sondereinsatzkommando beteiligt war, und die Festnahmen der sechs mutmaßlichen Täter; einem siebten, dessen Namen keiner nennen wollte, gelang die Flucht. Nur einer habe kurz Widerstand geleistet, habe sich aber schnell ergeben.

    Die Angeklagten geben an, dass ihnen die Sache sehr leid tue. Sie würden demnach sehr unter der Trennung von der Familie leiden.

    Die Angeklagten erklärten zudem, keine weiteren Fragen zu beantworten.

    500 Kilo Kokain: Prozessbeteiligte einigen sich auf „Verständigungsvorschlag“

    Zuvor war ein „Verständigungsvorschlag“ zwischen der Strafkammer und allen Beteiligten ausgehandelt worden: Fünf Angeklagte haben demnach mit Freiheitsstrafen zwischen fünfeinhalb und sechseinhalb Jahren zu erwarten, der sechste Mann muss wegen Vorstrafen eine Haftdauer zwischen sechs Jahren und zwei Monaten und sieben Jahren und drei Monaten in Kauf nehmen. Die Voraussetzung aber: Es müsse sich um ein „überprüfbares Geständnis mit glaubhaften Angaben“ handeln, so der Vorsitzende Richter Christian Liebhart.

    Nach diesen Geständnissen begann am Nachmittag die Beweisaufnahme mit der Aussage eines Sachverständigen. Ein Chemiker des Landeskriminalamtes (LKA) zählte fast eine Stunde lang jedes einzelne Kokainpäckchen auf und nannte das genaue Gewicht sowie den Wirkstoffgehalt. Demnach handelte es sich bei dem Schmuggelgut um sehr hochwertiges Material. Das insgesamt 490 Kilogramm schwere Material enthielt laut der Analyse des Chemikers 404 Kilo hundertprozentiges Kokain.

    Kokain war im Fruchthof Nagel auf 62 Bananenkisten verteilt

    Ihm folgte eine Neu-Ulmer Kriminalbeamtin, die mit der Spurensicherung befasst war. Sie hatte bereits im Vorfeld, als das Kokain bei der Wareneingangskontrolle im Fruchthof Nagel aufgetaucht war, alles genau dokumentiert und ließ eine ausführliche Bilderfolge an die Leinwand projizieren. In drei Palettenreihen wurden insgesamt 62 Bananenkisten mit der heißen Ladung gefunden. Sie waren dadurch erkennbar, dass der sonst in der Mitte offene Kartondeckel von innen her mit einer Kartonplatte verdeckt war.

    Die in grüne Folie wasserdicht verpackten und mit dem Aufklebebild eines Polospielers zu Pferd versehenen Kokainpäckchen zu je etwa einem Kilo waren rundum mit Bananen getarnt, die aber nicht mehr verkaufsfähig waren. Die Beamtin sprach von „Abfallbananen“. Diese waren bei der Wareneingangskontrolle aufgefallen.

    Beim Einbruch in Fruchthof Nagel in Neu-Ulm waren es ursprünglich sieben Männer

    Die Kripobeamtin berichtete weiter: Am Abend des 14. Dezembers erfolgte der Einbruch der ursprünglich sieben Täter. Sie brachen ein Segment eines großen Sektionaltores auf und suchten dann die Reifekammer, die mit einem Warenzettel des Schiffes „Lady Rosebay“ versehen war.

    Das Kokain war aber anscheinend am Vortag des Einbruchs von der Polizei durch Attrappen ersetzt worden, dazu gab es aber bisher keine Aussage. Auch die Reifekammer wurde aufgebrochen und dann wurde die nicht mehr so heiße Ware in mitgebrachten Taschen zu zwei Autos hinaus gebracht.

    Als die Arbeit so gut wie erledigt war, griff die Polizei zu. Wie Richter Liebhart andeutete, wird nun versucht, die weitere Beweisaufnahme zu verkürzen, sodass nach wenigen weiteren Verhandlungsterminen vermutlich am 9. November ein Urteil gesprochen werden kann.

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