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Neu-Ulm, Ludwigsfeld: Nach Corona-Toten im Seniorenheim Ludwigsfeld: "Es spricht viel gegen uns"

Neu-Ulm, Ludwigsfeld

Nach Corona-Toten im Seniorenheim Ludwigsfeld: "Es spricht viel gegen uns"

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    Im Seniorenheim im Neu-Ulmer Stadtteil Ludwigsfeld sind dieses Jahr einige Bewohner am Coronavirus gestorben.
    Im Seniorenheim im Neu-Ulmer Stadtteil Ludwigsfeld sind dieses Jahr einige Bewohner am Coronavirus gestorben. Foto: Thomas Heckmann (Archiv)

    Als die Corona-Krise ihren Höhepunkt im Seniorenheim in Ludwigsfeld erreichte, stellte sich Heimleiter Ralf Waidner ein Feldbett ins Büro. Er wurde selbst positiv getestet und musste in Quarantäne, Symptome hatte er keine. Doch gleichzeitig lag es an ihm und seinen Mitarbeitern, die Einrichtung durch die wohl schlimmste Krise seit Beginn seiner Tätigkeit im Wohnheim zu führen. Heute kann er offen darüber sprechen und sogar ein bisschen schmunzeln: „Office Home statt Home Office“, beschreibt Waidner rückblickend seine Arbeit vom Feldbett aus.

    Ralf Waidner war selbst für 14 Tage von der Familie isoliert

    Zu dieser Zeit sah er seine Familie für zwei Wochen nicht. Er kann jetzt nachvollziehen, wie sich Isolation anfühlen muss. Deswegen setzte er nach dem großen Corona-Ausbruch im Seniorenheim im April zwar auf die Einhaltung aller Vorgaben, aber auch auf eine lockere Besuchsregelung. Mit Erfolg: „Wir haben aktuell keinen Corona-Fall“, berichtet Waidner vergangene Woche. „Die erste Welle hat uns sensibilisiert. Wir haben gelernt, die Situation im Haus zu steuern und auch das Verständnis bei den Angehörigen zu suchen.“ Niemanden wegzuschließen, aber dennoch für Isolation zu sorgen, sei die Devise des Heims während der Weihnachtsfeiertage. Familienbesuche können nach einem Schnelltest oder einem aktuellen, negativen PCR-Test stattfinden.

    Auch die Mitarbeiter testen sich zweimal pro Woche. „Nach der Erfahrung im Frühjahr, lass’ ich mich sehr gerne zweimal die Woche abstreichen“, sagt Waidner dazu. Ihm sei wichtig, dass sich die Bewohner weiterhin wohl und sicher fühlen. Bei einigen klappe das gut, andere hingegen hätten vielleicht nicht so viel Verständnis für eine Mundschutzpflicht im Heim – oder verstehen diese einfach nicht. „Bei dementen Menschen sprechen wir das auch mal spaßig an. Oder dann mit ernster Stimme, wenn das nichts bringt“, erklärt der Leiter.

    Notstand in der Pflege auch in Neu-Ulm spürbar

    Die Last auf den Pflege- und Seniorenheimen sei groß, dazu komme: „Wir gewinnen immer weniger junge Menschen als Mitarbeiter hinzu. Und es spricht ja auch viel gegen uns“, muss Waidner zugeben. Die Arbeitszeiten und die hohe Belastung beispielsweise. Dazu noch eine Pandemie, wie stressig muss dann der Alltag sein? „Nicht der Ansteckungsgedanke führt zu Stress – mit dem können wir umgehen – das, was sich daraus ergibt, ist der Stress“, sagt Waidner. Das sei beispielsweise zu wenig Unterstützung von außen oder die zusätzlichen Aufgaben, wie die Durchführung von Schnelltests.

    Was ihm in der Krise hilft? „Das Herz am richtigen Fleck. Das muss man haben“, sagt der Heimleiter. Seine Philosophie: „Wir sind Menschen, die für andere Menschen da sind. Man muss beiden Seiten zugestehen, wenn mal etwas mehr Anspannung da ist, oder jemand einen schlechten Tag hat. Das ist wichtig, um am Ende nicht zu zerbrechen.“

    Waidner selbst hofft auf ein paar freie Stunden in den kommenden Tagen. Dann möchte er die Zeit nutzen, mit seiner Familie zusammen zu sein. Denn er sieht jeden Tag, wie wichtig familiäre Kontakte in einer Krise sind.

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