Nein. Ein Lieblingswerk aus diesem Bücherstapel, der sich vor ihr auf dem Stehtisch türmt, könne sie wirklich nicht herauspicken. Undenkbar. „Schließlich hat jedes Buch seine Persönlichkeit“, sagt Barbara Miklaw. Da zeigt sie lieber anhand dieser Bücher, welche Vielfalt ihr kleiner Verlag hervorbringt – vom Kunstband bis zum Erklärbuch für Kinder. Miklaw ist mit ihrem Verlag Mirabilis in Neu-Ulm zu Gast, beim Finale der Reihe „Literatur unter Bäumen“ – nur diesmal leider ohne Bäume. Kein Open Air, witterungsbedingt. In der Stadtbibliothek beantwortet die Verlegerin aus Meißen die Fragen des Moderators Marius Müller, Literaturblogger und Bibliothekar aus Augsburg.
Barbara Miklaws Mirabilis-Verlag hat ein buntes Programm
Früher arbeitete Miklaw als Ingenieurin, sie war Autorin und Lektorin von nüchternen Büchern über Brücken und Tunnels. Aber als Lektorin habe sie sich auch immer weiter in die Literatur-Szene vorgetastet, erzählt sie. So knüpfte sie ein Netzwerk mit Schriftstellern, Kritikern, Experten. 2011 wagte sie den Schritt: Die Ingenieurin baute sich ihren eigenen Verlag auf. Bücher sind Miklaws Welt – „ich habe nur eine Weile gebraucht, das zu erkennen“, sagt sie heute. Der Moderator hakt nach: Was war die Grundlage für ihren Erfolg als Quereinsteigerin? „Mein naturgegebener Eigensinn“, sagt Miklaw und lächelt. Ihr Tipp für Beginner im Verlagswesen: „Dran bleiben, sich nicht herunterziehen lassen.“
„Mirabilia“ bedeutet „Wunder“ – und Mirabilis versteht sich als Verlag für handverlesene literarische Wunder. Täglich landen ein oder zwei frische Skripte in Miklaws Postfach, von hoffnungsvollen Autoren. Doch nur etwa vier Bücher veröffentlicht Mirabilis jedes Jahr. Belletristik prägt das Programm, aber auch ein Gedicht-Band von jungen Lyrikern findet hier Platz. Ein Mirabilis-Kinderbuch erklärt wiederum die Geheimnisse des Wetters – „erzählende Erklärbücher“ nennt Miklaw das Format. Und schließlich ist „Peter Handke und das Kino“ bei Mirabilis erschienen, ein Fachwerk für Cineasten. Genau dieses elegante Buchcover in Schwarz-Weiß lockte Florian L. Arnold an – den Mit-Initiator von „Literatur unter Bäumen“. Dem Autor und Grafiker fiel dieser Band auf der Leipziger Buchmesse ins Auge, er stellte sich kurz vor – und wurde wenig später zum Mirabilis-Autor. Aus seinem Werk „Pirina“, ein Roman über Flucht, Verlust und Liebe, liest er in der Bücherei einige Zeilen vor. Sein neues Mirabilis-Werk sei schon in der Mache.
Martina Altschäfer präsentiert bei "Literatur unter Bäumen" den Roman Andrin
Ein Prinzip bildet die Klammer um das bunte Verlags-Programm: es ist die Verbindung von Literatur und Kunst. Deshalb finden sich unter den Mirabilis-Autoren Doppeltalente wie Arnold, der seine Werke illustriert, und auch Martina Altschäfer. Die Illustratorin präsentiert in Neu-Ulm ihr Romandebüt „Andrin“. Die passende Musik zur Lesung spielt das Ensemble des Abends, das Ulmer Duo „Sax Kisses Piano“: Ihr „Pink Panther“ führt in die rätselhaften Sphären von „Andrin“. Das Buch handelt von einer Ghostwriterin, die im Geheimauftrag Biografien verfasst. Als sie für ein Top-Secret-Projekt in die Alpen reist – wird es bedrohlich. Felssturzgefahr. Die Heldin wird auf einer Gebirgsstraße von einem mysteriösen Mann gerettet.
„Ohne Autor kein Verlag“ lautet Miklaws Motto und Altschäfer erklärt, was das bedeutet. Sie wollte ja eigentlich Kurzgeschichten schreiben, aber spürte bald: Es wird ein Roman. Die Reaktion der Verlegerin? „Kein Problem. Machen wir.“ Miklaws Sinn für Bücher reicht ins Detail: Jeder Umschlag ist individuell, in düsteren Tönen schimmert der Umschlag von „Andrin“. Der Clou: Das Buch spielt in der Schweiz – und die Cover-Schrift ist auch
In der Stadtbücherei Neu-Ulm endet "Literatur unter Bäumen" 2020
Am Ende dieses Abends – und der „Literatur unter Bäumen“ 2020 – zitiert der Moderator, den vielsagenden Titel einer Mirabilis-Novelle: „Geschichten sind nützlich. Sie schützen vor Mord, Tod, Pest und Langeweile.“
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