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Neu-Ulm: Ihre Mitbewohner starben im Heim an Corona – jetzt geben sie sich Halt in der Krise

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Ihre Mitbewohner starben im Heim an Corona – jetzt geben sie sich Halt in der Krise

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    Maria Anneliese Leppe und Karl-Heinz Maisak haben sich im Seniorenheim in Ludwigsfeld zwar nicht gesucht, aber gefunden. Ihr gemeinsamer Bund hilft ihnen durch die Corona-Krise. Sie freuen sich, dass sie an Heilig Abend ihre Familie sehen können.
    Maria Anneliese Leppe und Karl-Heinz Maisak haben sich im Seniorenheim in Ludwigsfeld zwar nicht gesucht, aber gefunden. Ihr gemeinsamer Bund hilft ihnen durch die Corona-Krise. Sie freuen sich, dass sie an Heilig Abend ihre Familie sehen können. Foto: Alexander Kaya

    Als die Nachricht über die ersten Todesfälle in der Einrichtung bei Maria Anneliese Leppe im zehnten Stock ankam, war sie fassungslos. Die bald 84-Jährige lebt seit etwa acht Jahren im Seniorenheim in Ludwigsfeld und kennt viele Bewohner persönlich. Auch die, die schwer an Corona erkrankten und starben. Im Frühjahr dieses Jahres traf die Corona-Krise besonders das Wohnheim in Ludwigsfeld hart – 18 Bewohner starben am Corona-Virus, ein Drittel der Senioren war infiziert. „Ich selbst war und bin bis jetzt nicht betroffen“, erzählt Leppe am Telefon. „Aber wir alle waren schwer bedrückt von diesen Nachrichten und das nimmt uns auch noch sehr mit. Wir haben viel geweint, als unser Heim eine ganze Zeit lang abgesperrt war.“

    Sie hat Angst, sich zu infizieren. Dennoch fühle sie sich im Seniorenheim gut aufgehoben. Und: Sie hat ihren Karl-Heinz, der ihr in schweren Tagen hilft.

    Maisak und Leppe haben sich im Heim kennen- und lieben gelernt

    Karl-Heinz Maisak ist 89 Jahre alt. Er hat seine Maria im Heim kennengelernt, nachdem seine Frau gestorben ist. Das erzählt er kurz nach dem Mittagessen am Telefon. „Ich war so einsam. Dann habe ich die Frau Leppe kennengelernt.“ Seine Stimme zittert leicht, er macht eine kurze Pause und schluckt. Dann sagt er: „Corona ist bedrückend. Aber jemanden da zu haben, ist gut. Wir stützen uns gegenseitig.“ Sie ihn beim Laufen beispielseiweise. Früher, also noch vor wenigen Monaten, sind die beiden täglich eine Stunde marschiert, wie sie erzählen. Jetzt ist Maisak nicht mehr ganz so fit auf den Beinen. „Und außerdem dürfen wir ja gerade eh nicht raus“, sagt er. „Manchmal sind wir unsere Runden im Garten gelaufen.“

    Man sieht niemanden mehr. Das sei das schlimmste für die beiden. Denn trotz des fortgeschrittenen Alters ist das Paar geistig und auch größtenteils körperlich fit. Von den anderen Bewohnern wurden sie zur Seniorenvertretung im Wohnheim gewählt. „Wir dürfen nicht in den Speisesaal und die anderen Bewohner auf den anderen Gängen nicht sehen“, erzählt Leppe. „Das fehlt uns schon.“ Dazu kommt, dass das Essen oft kalt werde, bis es im zehnten Stock bei Leppe und Maisak ankommt. Leppe lacht, als sie das erzählt. Solche Problemchen klingen ja geradezu ironisch. Zumindest dürfen die beiden zusammen essen. Fränkische Bratwurst mit Sauerkraut und Kartoffelbrei gab es heute.

    Vor etwa zwei Wochen konnten jeweils die Bewohner zweier Stockwerke das letzte Mal zusammensitzen. „Eine Dame am Klavier war zu Besuch. Das war schön“, erzählt Leppe. Die beiden singen sehr gerne und berichten stolz vom Chor im Heim. „Wir haben unser Nachtcafé, da kommen alle paar Wochen zwei Musiker.“ Solche Aktionen werden gerade weniger – doch ganz ausfallen sollen sie nicht. Heimleiter Ralf Waidner und seine Mitarbeiter versuchen „in der Situation alles mögliche zu bieten, dass ein weihnachtliches und festliches Gefühl aufkommt“, berichtet der Heimleiter.

    Die Senioren werden nach Weihnachten geimpft - und sind aufgeregt

    Im Haus sei alles festlich geschmückt, es stehen Christbäume und aus manchen Ecken glitzert und funkelt es. „An den Objekten tun wir so, als ob nix wäre“, sagt Waidner und schmunzelt. Die vorweihnachtlichen Aktivitäten, wie der Adventsbasar, die Waffelbäckerei oder auch ein Konzert von der Stadtkapelle im Innenhof müssen ausfallen. „Viele Bewohner summen die Weihnachtslieder jetzt eben vor sich hin. Ich hoffe, wir können auch dieses Jahr einen ökumenischen Gottesdienst feiern.“ Sehr schade sei es, dassso vieles ausfällt, sagt Leppe. Doch: „Ich weiß mich zu beschäftigen.“ Auch wenn ihre Familie im vorweihnachtlichen Stress nicht zu Besuch komme, weiß Leppe, dass jemand da sei. An Heilig Abend geht sie zu ihrer Tochter, auch Maisak kommt mit. „Ich habe auch eine Tochter, aber die wohnt in Kanada und kommt erst Ende Dezember wieder für ein halbes Jahr“, erzählt der 89-Jährige. Er freut sich auf das Fest bei der Familie seiner Partnerin. „Mal ein bisschen Abwechslung.“

    Weihnachtswünsche und Hoffnung für das neue Jahre haben die beiden. „Ob der Wunsch in Erfüllung geht, ist die Frage“, sagt Leppe. Man wisse ja nicht, was noch alles komme. Ein bisschen Angst bereitet ihr der 27. Dezember. Stichtag im Seniorenheim in Ludwigsfeld. „Da müssen wir uns impfen lassen“, sagt die 83-Jährige. Sie ist noch ein wenig hin- und hergerissen. Doch wieder mehr draußen machen zu können, darauf freut sich das Paar.

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