Startseite
Icon Pfeil nach unten
Neu-Ulm
Icon Pfeil nach unten

Neu-Ulm: Hier sind noch immer Spuren des Weltkriegs in Neu-Ulm zu sehen

Neu-Ulm

Hier sind noch immer Spuren des Weltkriegs in Neu-Ulm zu sehen

    • |
    Spuren der Zeit: Diese Häuserfront in der Johannisstraße in Neu-Ulm trägt nicht nur Hinweise zu Hydranten, sondern auch zum nächstgelegenen Luftschutzkeller.
    Spuren der Zeit: Diese Häuserfront in der Johannisstraße in Neu-Ulm trägt nicht nur Hinweise zu Hydranten, sondern auch zum nächstgelegenen Luftschutzkeller. Foto: Ralph Manhalter

    Es gibt sie noch, die Lücken im Neu-Ulmer Stadtbild. Unvermittelt bricht ein Gebäude ab, an der Fassade zeichnet sich noch die Dachform des einstigen Nachbarn ab. Wir befinden uns in der Silcherstraße, wo vom Café Konzertsaal der Blick auf die gegenüberliegende Straßenfront schweift. Der stellvertretende Leiter des Stadtarchivs, Peter Liptau, gewährt im Rahmen eines vom Verein „Kultur-Casino“ initiierten Rundgangs Einblicke in die jüngere Neu-Ulmer Vergangenheit. So wie dieses Haus, das im Zweiten Weltkrieg zerstört und dann nicht mehr in der ursprünglichen Gestalt aufgebaut wurde, erinnert noch so manches Detail an jene dunkle Zeit.

    Christina Richtmann vom Verein „Kultur-Casino“ und Peter Liptau vom Stadtarchiv zeigen Fotografien der teilzerstörten Stadtpfarrkirche.
    Christina Richtmann vom Verein „Kultur-Casino“ und Peter Liptau vom Stadtarchiv zeigen Fotografien der teilzerstörten Stadtpfarrkirche. Foto: Ralph Manhalter

    In der Neu-Ulmer Johannis-Straße zeigt ein Pfeil zum Luftschutzkeller

    Nahebei, in der architektonisch beeindruckenden Johannisstraße, findet sich auf Augenhöhe ein Pfeil an einer Hausfassade. Noch deutlich zu erkennen, weist er schräg nach unten, einer Fensteröffnung zu. Diese Hinweise, so Liptau, halfen nach den Bombardements, eingeschlossene Personen zu bergen. Der Pfeil zeige nämlich auf einen Schutzraum, in dem die Bevölkerung sich im Falle eines Angriffs versuchte, in Sicherheit zu bringen. Knapp daneben ein „H“, ebenfalls an die Wand gepinselt. Die Vermutung liegt nahe, dass damit ein Wasseranschluss gekennzeichnet wurde, zumal heute an exakt derselben Stelle auch noch ein Verweis auf einen Hydranten angebracht ist.

    Spuren der Zeit: Diese Häuserfront in der Johannisstraße trägt nicht nur Pfeil-Hinweise zu Hydranten, sondern auch zum nächstgelegenen Luftschutzkeller.
    Spuren der Zeit: Diese Häuserfront in der Johannisstraße trägt nicht nur Pfeil-Hinweise zu Hydranten, sondern auch zum nächstgelegenen Luftschutzkeller. Foto: Ralph Manhalter

    Momente wie diese lassen das einstige Grauen plötzlich in einer befremdlichen Gegenwart erscheinen. Welche Todesängste mussten die Bewohner während der Zeit der Angriffe und Zerstörungen ausgestanden haben? Die noch verwendbaren Kriegstrümmer wurden hingegen mangels eines anderen Baumaterials geborgen und auf einem, so Liptau, „Trümmerverteilungshof“, welcher auf der Freifläche hinter dem heutigen Rathaus beheimatet war, abgegeben. Die Bürokratie hatte offenbar den Krieg unbeschadet überstanden, denn zur Zuteilung benötigte man unbedingt einen „Baumaterialsbedarfschein“.

    Stadtarchivar Peter Liptau zeigt Spuren des Weltkriegs in Neu-Ulm

    Dass der Wiederaufbau teilweise bis in unsere Tage dauert, sei an der Christusfigur hoch über der Eingangsfront der Stadtpfarrkirche St. Johann Baptist ablesbar, gibt der Stadtarchivar zu bedenken. All die Jahre seit der teilweisen Zerstörung des Gotteshauses thronte ein provisorischer Beton-Christus über den Portalen. Erst vor einem Jahr habe man sich auf das ursprüngliche Baumaterial besonnen und die Plastik aus Tuffstein ausgeführt.

    Diese Kriegslücke klafft bis heute in der Silcherstraße in Neu-Ulm.
    Diese Kriegslücke klafft bis heute in der Silcherstraße in Neu-Ulm. Foto: Ralph Manhalter

    Der nicht allzu ferne Heiner-Metzger-Platz, früher Bahnhofsplatz, wartet mit einer weiteren Überraschung auf: Das Ensemble um Bahnhof und LEW-Gebäude gab sich mit seinen klaren Fronten und nicht aufdringlichen Materialien typisch für die Nachkriegsarchitektur. Liptau präsentierte hierzu einen Auszug aus dem Katalog des Modellbauherstellers Kibri aus dem Jahr 1967: Der Eisenbahnfreund hätte aus diesem Sortiment das gesamte Neu-Ulmer Bahnhofsviertel in Maßstab H0 nachbauen können. An diesem markanten Ort, der wie wenige andere in den letzten Jahren einem signifikanten Wandel unterworfen war und immer noch ist, fand auch die Fotoausstellung „Ende/Anfang Neu-Ulm 1945“ ihren Standort.

    Die historische Stadtführung durch Neu-Ulm endet mit einem Konzert

    Der gut einstündige Rundgang endete in der angenehmen Kühle der katholischen Stadtpfarrkirche. Der Verkehrslärm fühlte sich weit entfernt an, als unter einer raffinierten Lichtregie Joseph Kelemen beim Konzert „Stille“ Werke unter anderem von Johann Sebastian Bach und Franz Liszt in den Kirchenraum erklingen ließ. Stille, in der die Besucher die Vielzahl der Eindrücke und Gedanken zum wohltuenden Klang der Orgel wieder ordnen konnten.

    „Ende/Anfang Neu-Ulm 1945“ ist auch digital verfügbar unter www.nu1945.neu-ulm.de. Weitere Termine des „Kultur-Casinos“ Neu-Ulm finden sich unter www.kultur-casino.de.

    Lesen Sie auch:

    Köche rund um Neu-Ulm verraten ihre besten Rezepte

    „Walk in my Shoes“: Ulmer Heyoka-Theater will wachrütteln

    Kurzer Boom in der Krise: So steht es um die Autokinos in Ulm und Neu-Ulm

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden