Seit bald zwei Monaten wird im Landkreis Neu-Ulm gegen das Coronavirus geimpft - unter anderem in den beiden Impfzentren in Weißenhorn und Neu-Ulm. Dort soll zumindest nach offiziellen Angaben inzwischen der "Regelbetrieb" laufen. Doch so ganz rund läuft es dort offensichtlich nicht - und das liegt nicht allein am fehlenden Impfstoff. Vor allem das Impfzentrum auf dem Gelände der Forschungsklinik Nuvisan in der Wegenerstraße in Neu-Ulm hat in der Bevölkerung keinen guten Stand.
"Man schämt sich als Neu-Ulmer beinahe für dieses sogenannte Zentrum", sagt Gerald Riedel aus Burlafingen. Vergangenen Montag habe der 59-Jährige mit seiner fast 95-jährigen Mutter die Impfstätte aufgesucht. Überrascht sei er gewesen, als er lediglich "ein paar Blechcontainer" auffand - und kein Gebäude. "Eng und wenig einladend" findet Riedel die Räumlichkeiten. In jeder Arztpraxis sei das Platzangebot deutlich großzügiger. "Dies macht es für ältere Personen nicht unbedingt einfacher", sagt er.
Ähnlich verärgert klingt auch Barbara Hoffman aus Pfuhl. "Ich bin sehr wütend, stinksauer", sagt sie. Die 82-Jährige warte seit Anfang Januar auf einen Impftermin. Das Zentrum in Neu-Ulm empfindet sie als eine "Unverschämtheit". "Die Oberbürgermeisterin soll dem Landrat mal Druck machen und sich für uns einsetzen."
Corona-Impflinge müssen in Neu-Ulm bei Minustemperaturen draußen warten
Das laut Riedel eigentliche Problem am Container-Impfzentrum aber: Es gebe keinen Wartebereich in einem beheizten Gebäude. Das sei fatal - vor allem für ältere Menschen, die derzeit vorrangig immunisiert werden. 15 Minuten unter freiem Himmel und bei Temperaturen um den Gefrierpunkt hätten sie warten müssen, ehe sie es in eine Art Zelt geschafft hätten. Wirklich wärmer soll es dort aber auch trotz Gasheizung nicht gewesen sein: Das Zelt soll auf beiden Seiten offen gewesen sein. Ein weiteres Ärgernis in den Augen von Riedel: Für die Senioren hätte es lediglich zwei Sitzplätze gegeben - und diese seien direkt nebeneinander angeordnet gewesen. "Eine Einhaltung des Sicherheitsabstandes von 1,5 Metern war absolut unmöglich."
Mit circa 30 Minuten Verspätung und "schon recht durchgefroren" wurden er und seine Mutter dann in die Container eingelassen. Verwunderung löste dann bei ihm aus: Die bereits online beim Anmelden zum Impftermin eingegebenen Daten seien nochmals komplett abgefragt worden.
Corona-Impfzentrum in Neu-Ulm: Rache-Akt für den Nuxit?
Gerade mit Blick auf die Verteilung der Bevölkerung im Landkreis könne er nicht verstehen, warum gerade Neu-Ulm mit der im Vergleich zu Weißenhorn und Illertissen wohl größten Anzahl von potentiellen Patienten so absackt. "Warum war es nicht möglich, ein geeignetes Gebäude zu finden", fragt sich Riedel. Zeit, danach zu suchen, sei doch gewesen. Barbara Hoffmann bringt hier das leerstehende Barfüßer-Gebäude ins Spiel. Mit einem beheizten Bundeswehr-Zelt wäre das eine geeignete Alternative gewesen. Menschen aus Pfuhl und Offenhausen hätten sogar hinlaufen können. "Man könnte fast den Eindruck gewinnen, dass dies die Rache für den Vorstoß der Neu-Ulmer in Sachen Unabhängigkeit vom Landkreis wäre", so Riedel in einer E-Mail, die auch an das Büro von Landrat Thorsten Freudenberger (CSU) ging.
Kerstin Weidner, Sprecherin des Neu-Ulmer Landratsamtes, teilt auf Anfrage mit: "Grundsätzlich bemühen wir uns natürlich um einen reibungslosen Ablauf und nehmen jede Beschwerde ernst." Weil aber die Termine durchgetaktet seien, könne es auch zu Verzögerungen und entsprechenden Wartezeiten kommen. "Dass dies bei den winterlichen Temperaturen für Unannehmlichkeiten sorgt, können wir nachvollziehen und bedauern wir." Man sei bestrebt, Verbesserungen vorzunehmen.
Sandra Lützel, Sprecherin der Stadt Neu-Ulm, sagt, die Stadtverwaltung sei zwar nicht dafür zuständig. Sollten aber Beschwerden bei ihnen eingehen, würden sie diese ernst nehmen und auch entsprechend an die zuständige Behörde, hier das Landratsamt, weitergeben. Oberbürgermeisterin Katrin Albsteiger (CSU) habe sich das Impfzentrum angeschaut, es habe einen "guten Eindruck" gemacht.
Das sagt das Landratsamt zur Kritik am Neu-Ulmer "Blechcontainer"
Das Landratsamt weist die harsche Kritik am Neu-Ulmer "Blechcontainer" von sich. Gehe es nach dem Freistaat Bayern, müsse ein Landkreis nämlich nur mindestens ein Impfzentrum einrichten. Aufgrund der Bevölkerungszahl und möglichst kurzer Anfahrtswege habe man sich im Landkreis Neu-Ulm dazu entschlossen, mehrere Zentren einzurichten.
Der Auftrag dazu sei Mitte November 2020 eingegangen. Einen Monat später schon habe das Impfzentrum betriebsbereit sein müssen. "Das war eine logistische und personelle Herausforderung", so Weidner. In Neu-Ulm verfüge Nuvisan als Forschungsklinik über ein entsprechendes fachliches Wissen und die "räumlichen Kapazitäten". "Mit Blick auf die Kürze der Zeit" habe sich das angeboten. Man habe zügig mit den Impfungen beginnen wollen. Wichtig sei dem Landratsamt bei der Auswahl des Standorts gewesen, den Schwerpunkt auf den Impfprozess an sich zu setzen und dass das entsprechende Personal zur Verfügung steht.
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